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Zoo-Leben: Ach, wie niedlich! Tierbabys als Medienstars

Stern 
Zoo-Leben: Ach, wie niedlich! Tierbabys als Medienstars

Knut, Pit & Paule und andere prominente Tier-Babys: Immer wieder begeistert der Nachwuchs in den Zoos die Menschen.

Österreich erlebt in diesen Tagen seinen großen "Knut-Moment". Im Zoo Schmiding nahe der Stadt Wels ist ein Gorilla-Baby zur Welt gekommen, das erste überhaupt in Österreich. Und hat es umgehend zum Medienphänomen gebracht. Wie der kleine Berliner Eisbär, dessen Schicksal 2006 Menschen auf der ganzen Welt rührte, hätte auch der noch namenlose Menschenaffenjunge ohne die Betreuung durch Tierärzte und Pfleger nicht überlebt.

Für Mutter Kibibi sei es eine schwere Geburt gewesen, gab der Tierpark bekannt, für die lebenswichtige Betreuung des Neugeborenen war sie nicht in der Lage. Inzwischen nimmt die Gorilladame ihre mütterlichen Pflichten in vollem Umfang wahr.

Tierischer Nachwuchs als PR-Kampagne

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr Tierkinder zur Sensation werden und die Berichterstattung der Medien dominieren. Keine österreichische Tageszeitung, keine Nachrichtensendung kommt zurzeit ohne Berichterstattung über das Wohlbefinden des Schmidinger Babys aus. Nach dem Vorbild großer Zoos nützt auch der oberösterreichischen Tierpark das Affenkind, um Werbung zu machen. 

Ähnliches geschieht zurzeit in Berlin, wo die PR-Profis des Zoologischen Gartens ihre Maschinerie angeworfen haben, um die Bevölkerung an der Namensfindung eines besonders niedlichen Flusspferdes teilhaben zu lassen. Auch dieses Kleine hatte keinen einfachen Start in die Welt, bei der Geburt ist ein Geschwisterchen verstorben. 

Der Zoologische Garten hat eine besondere Tradition, seine Tiere zu Berühmtheiten werden zu lassen. Als während der Bombardierung Berlins im Zweiten Weltkrieg ein Flusspferdbulle namens Knautschke als eines der wenigen Zootiere überlebte, wurde er zum Symbol des Überlebenswillen der Hauptstadt. Das 1988 verstorbene Tier steht bis heute als Bronzestatue im Zoo. Ähnliche Berühmtheit erreichte nur das langjährige NDR-Wappentier Antje, ein Walrossweibchen im Hamburger Tierpark Hagenbeck. Und schließlich als berühmtestes Tierbaby der Zoogeschichte Eisbärbaby Knut.

Moderne Zoologen gegen "Vermenschlichung"

Obgleich die tierischen Medienstars den kostenintensiven Zoobetrieben bei der Vermarktung nützlich sind, hat sich in den vergangenen Jahren eine Gegenbewegung zur "Vermenschlichung" gebildet. Der Wiener Tiergarten Schönbrunn, immerhin ältester Zoobetrieb der Welt, ließ kürzlich verlautbaren, dass neugeborene Tiere in Zukunft keine Namen mehr bekommen. Noch trotten und tröten dort "Tonga" oder "Mongu" durchs Gehege, doch bald sollen sie nur noch anonyme Afrikanische Elefanten sein, die höchstens mit ihren lateinischen Fachnamen benannt sind – Loxodonta africana. 

Moderne Zoologen wollen nicht verniedlichen, aus Wildtieren keine Haustiere machen, sondern vielmehr die Wildnis abbilden. Was dem Prinzip eines Zoos am Ende immer entgegenstehen wird. Ein besonders engagierter Anhänger dieser Denkrichtung, damals Direktor des Kopenhagener Zoos, ließ 2014 eine Giraffe öffentlich schlachten. Vermutlich wäre die öffentliche Empörung tatsächlich weniger heftig ausgefallen, wäre der Bulle nicht unter dem Namen Marius bekannt und beliebt gewesen.

Die Macht des "Kindchen-Schemas"

Dabei weiß jeder, der Kinder hat oder selbst einmal Kind gewesen ist, dass das Ziel von Zoos, das Interesse an der Fauna zu wecken, durch Identifikation geschieht, durch den persönlichen Zugang zum Tier als Individuum. 

Hat nicht die Evolution selbst die Voraussetzung dafür gelegt, indem sie uns Menschen mit dem "Kindchen-Schema" auf Empathie für Nachwuchs programmierte? 1943 beschrieb der österreichische Verhaltensforscher Konrad Lorenz zum ersten Mal dieses Phänomen. Er entdeckte, dass die Kombination bestimmter optischer Merkmale einen Schlüsselreiz auslösen, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Unsere Liebe zu Hunden und Katzen funktioniert letzten Endes genau darüber. Streng genommen existieren viele Rassen nur deshalb, weil ihr Aussehen in uns jene Signale auslöst. 

Dass dies selbst bei einem neugeborenen chinesischen Schuppentierchen möglich ist, spricht doch bloß für unsere weitgehende Liebensfähigkeit quer durch die weite Fauna. Auch wenn es also nicht dem neuesten Stand der Forschung entspricht: Gebt ihnen Namen!

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