Sommerspektakel: Mythos Freibad - "Urlaub und Utopie gleich um die Ecke"
Im Freibad kommen wildfremde Menschen auf engem Raum zusammen, und das auch noch halb nackt. Das hat was, meint der Autor Arno Frank. Und er erinnert an eine unterschätzte Kulturtechnik.
Die Ferien in Rheinland-Pfalz und im Saarland sind vorbei, die Tage werden kürzer, die Freibadbesuche nehmen ab. Für viele ist Sommer gleichbedeutend mit Schwimmen - für manche im Mittelmeer, für andere im Freibad. Der in Kaiserslautern geborene Autor Arno Frank beschreibt in seinem Roman "Seemann vom Siebener" einen Sommertag zwischen Sprungturm und Liegewiese. Selten hat jemand Leichtigkeit, Melancholie und Rivalität in Badehose und Bikini so packend beschrieben.
Doch was macht den Mythos Freibad aus? "Es ist ein sozialer Raum, in dem alle sozialen Unterschiede eingeebnet sind", sagte Frank der Deutschen Presse-Agentur. Solche Räume seien selten, sie würden immer seltener und enger. "Das Freibad lädt zu sportlichen Höchstleistungen ebenso ein wie zum Dösen, dieser unterschätzten Kulturtechnik. Es ist eine der freundlichsten Öffentlichkeiten, die wir kennen."
Manche Menschen verbinden ihre Kindheitserinnerungen mit dem Freibad. Warum ist das so? "Viele machen dort im Sinnlichen wie Gesellschaftlichen erste wichtige und vor allem eigenen Erfahrungen, vom Schwimmenlernen bis zu Liebe, vom Sonnenbrand bis zum ersten Kuss", meinte Frank, der unter anderem für "Der Spiegel" und "taz" schreibt. Freibad sei Urlaub und Utopie gleich um die Ecke. "Hier entsteht, was die Psychologie Kernerinnungen nennt."
Mikrokosmos Freibad in Bedrängnis
Manche sehen den Mikrokosmos Freibad in Bedrängnis - Stichworte: Massenschlägerei, Bademeistermangel, Bodyshaming, Oben-ohne-Diskussion. "Stichworte sollen stechen, und manchmal tun sie das auch zurecht", sagte Frank dazu. "Meinem Freibad habe ich ihnen deshalb den Zutritt verwehrt." Die Welt sickere natürlich trotzdem auch in den Mikrokosmos.
"Wenn er ernsthaft gefährdet ist, dann durch seine kapitalistische Kolonialisierung und Zurichtung", meinte der Autor. Früher habe es einmal mehr als 5.000 Freibäder bundesweit gegeben, heute seien es noch kaum mehr als etwa 3.500. "An Bodyshaming liegt das nicht."
Auch in Rheinland-Pfalz schlossen in den vergangenen Jahren zahlreiche Bäder, oft wegen baulicher und sicherheitstechnischer Mängel sowie aus wirtschaftlichen Gründen. Das hat drastische Folgen. So können rund 60 Prozent der Zehnjährigen nicht richtig schwimmen, wie die DLRG schätzt. Denn weniger Bäder bedeuten weniger Gelegenheiten zum Schwimmenlernen. Und sie bedeuten weniger Gelegenheit zum Dösen - in spezieller Umgebung, solange es das Wetter und das ganz besondere Freibadgefühl zulassen.