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Schüsse in München: Wie jüdische Einrichtungen in Deutschland geschützt werden

Stern 

In München hat die Polizei einen Mann nahe des israelischen Generalkonsulats erschossen. Wie steht es grundsätzlich um den Schutz von jüdischen Institutionen in Deutschland?

Jüdisches Leben in Deutschland ist jederzeit bedroht. Das zeigen die Schüsse am Donnerstagmorgen in München, direkt neben dem NS-Dokumentationszentrum und dem israelischen Generalkonsulat. Das zeigt der Messerangriff auf einen jüdischen Studenten in Hamburg vor vier Jahren. Das zeigt das Attentat in Halle 2019, das zwei Menschen das Leben kostete und nur nicht mehr Opfer fand, weil die Tür der Synagoge abgeschlossen war. 

Und das zeigen all die anderen, kleineren Vorfälle, Drohungen und Anfeindungen, denen Juden in Deutschland tagtäglich ausgesetzt sind und die von den Sicherheitsbehörden gezählt werden. Allein 2023 gab es 5164 antisemitische Straftaten in Deutschland, ein neuer Höchststand. Seit dem 7. Oktober hat sich die Sicherheitslage noch einmal verschlechtert, und jüdische Feier- und Gedenktage gelten ohnehin als besonders risikoreiche Ereignisse. 

Doch wie schützt der Staat jüdische Einrichtungen in Deutschland?  

Grundsätzlich stellt die Polizei in Deutschland für den Schutz von jüdischen Einrichtungen Beamte, die Gebäude regel- oder unregelmäßig bewachen. Die meisten Menschen dürften zum Beispiel schon einmal einen Wachposten vor einer Synagoge in Deutschland gesehen haben oder die mit Maschinenpistolen ausgestatteten Objektschützer, die rund um jüdische Einrichtungen patrouillieren. Zu den genauen Abläufen und exakten Sicherheitsmaßnahmen an einzelnen Orten macht die Polizei aus Sicherheitsgründen allerdings keine Angaben. 

Jüdische Einrichtungen kümmern sich selbst um Absicherung von Gebäuden

Die bauliche Absicherung von Gebäuden, also Dinge wie Zäune oder schusssichere Türen, obliegt den jüdischen Einrichtungen selbst. Einige Gemeinden engagieren auch private Sicherheitsdienste, die zum Beispiel bei Veranstaltungen den Einlass kontrollieren. Die Maßnahmen werden vor allem seit dem Anschlag von Halle mittlerweile von einer Vielzahl der Bundesländer finanziell unterstützt. Doch es kommt nach wie vor vor, dass jüdische Gemeinden zum Teil auf Kosten sitzenbleiben. Verdächtiger München 14.38

Der Mediendienst Integration hatte nach dem Anschlag von Halle, bei dem ein Rechtsextremist mit vier Schusswaffen und Sprengstoff bewaffnet versuchte, Juden zu töten, alle Bundesländer zu ihren Schutzmaßnahmen und finanziellen Hilfestellungen abgefragt. Demnach überprüft die Polizei überall regelmäßig, wie sehr jüdische Einrichtungen gefährdet sind und erstellt jeweilige Sicherheitskonzepte in Absprache mit den Gemeinden. Zu konkreten Maßnahmen äußern sich die Sicherheitsbehörden aber nicht. Laut eines Berichts des Mediendienstes habe sich nach Halle "das Schutzniveau deutlich verbessert", vor allem in Verbindung mit der finanziellen Unterstützung für jüdische Einrichtungen bei Sicherheitsvorkehrungen. Auch der Bund hatte 22 Millionen Euro an Sondermitteln für technische und bauliche Sicherungsmaßnahmen 2020 zur Verfügung gestellt. 

Zentralrat der Juden: Sicherheit hat sich verbessert

"Die Sicherheit der jüdischen Einrichtungen in Deutschland wurde seit dem rechtsterroristischen Attentat von Halle, das sich in wenigen Wochen zum fünften Mal jährt, sichtbar verbessert", sagte ein Sprecher des Zentralrats der Juden dem stern. Es werde energischer bei antisemitischen Vorfällen vorgegangen, auch was die Gefahrenabwehr betreffe. "Auch das schnelle Handeln der Sicherheitsbehörden zum Schutz jüdischer Einrichtungen nach dem 7. Oktober ist ein wichtiges Zeichen in kritischen Zeiten für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland: Die gefährdete Sicherheit von Jüdinnen und Juden wird ernst genommen."

Im Zuge des 7. Oktobers und dem Angriff der Hamas auf Israel war zuletzt die Debatte um den Schutz von jüdischen Menschen und Einrichtungen wieder lauter geworden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ließ mitteilen, dass die Sicherheitsbehörden seitdem zusätzlich sensibilisiert seien. Der Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen sei noch mal verstärkt worden. 

Schüsse in München: Kann die Polizei jüdische Einrichtungen überhaupt ausreichend schützen?

Allein in Berlin arbeiten rund 1400 Beschäftige der Polizei im Bereich Objektschutz, die aber nicht nur jüdische Einrichtungen schützen. Ob das ausreicht, um jüdische Einrichtungen allzeit verlässlich zu schützen, ist jedoch fraglich. Die Anzahl der Objektschützer, so berichtete es zum Beispiel der Berliner Polizist Oliver von Dobrowolski vom Verein "BetterPolice" im Juni dem stern, reiche aktuell nicht, um jüdische Einrichtungen flächendeckend adäquat zu schützen. 

Viel mehr antisemitische Taten in Deutschland 14:40

Auch auf Ebene der Justiz versucht der Staat, jüdisches Leben und Einrichtungen gesondert zu schützen. So wurde 2021 das Strafrecht ergänzt, sodass laut Paragraf 46 des Strafgesetzbuches nicht nur die Beweggründe Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Menschenverachtung, sondern explizit auch Antisemitismus eine Rolle bei der Strafzumessung spielt. 

Das Vorgehen des Staats in den vergangenen Jahren seit dem Attentat von Halle scheint trotz der gestiegenen antisemitischen Straftaten ein ernsthaftes zu sein. "Nahezu alle jüdischen Gemeinden berichten, zufrieden mit der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden zu sein", so der Sprecher des Zentralrats der Juden. 

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