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Auswandern: Deutsche Rentner in Florida: "Man lebt länger, wenn man glücklich ist"

Stern 

Die Pechs hatten einen Hof in der Pfalz, fünf Enkel und ein gutes Leben. Dann wagten sie das Auswandern – und wollen nie mehr zurück.

Wolf-Rüdiger Pech ist gerade aus seinem eigenen Swimmingpool in seinem eigenen Haus an der Golfküste Floridas gestiegen – und nun bereit für den Tag. 120 Bahnen vor dem Frühstück, 1000 Meter Brust in der Morgensonne, eine leichte Brise vom Meer. "Man muss sich ja fit halten", sagt der pensionierte Bundeswehrsoldat, "und hier fällt das leichter. Hier in Florida hat man das ganze Jahr lang Sommer, nicht dieses graue, trübe, regnerische Wetter von Oktober bis März."

Man habe in Florida vor allem keine griesgrämigen, trübsinnigen Kassierer in Supermärkten, sondern werde immer mit einem netten "How are you?" begrüßt, sagt er, gefolgt von einem netten Plausch.

Auswandern nach Florida, das heißt: mehr Sonne, mehr Freundlichkeit

Pech, 75, weiße Haare, braune Haut, kommt jetzt richtig ins Erzählen. Wenn es einen Hauptgrund für die Auswanderung gab, dann das: Sonne, Freundlichkeit, Lockerheit. 

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"Neulich will ich meine Zeitung in der Einfahrt aufheben, da kommt mir schon ein wildfremder Mann entgegen und reicht sie mir und wünscht mir einen wunderbaren Tag. Das würde dir in Deutschland nie passieren."

Das sei der Unterschied. In Deutschland höre man auf die Frage "Wie geht's?" ein "Muss ja." In Amerika: "Great". In Deutschland: "Man kann nicht meckern." In Amerika: "Fantastic." 

Man kann das Leben als Last sehen – oder als Geschenk. Die Pechs sehen es lieber als Geschenk.

"Neulich bei der Einreise in Deutschland sagte ich zum Zollbeamten 'Guten Morgen', daraufhin hat der mich ganz erschrocken angeschaut. Keine Reaktion. Kein Gruß. In Amerika sagen sie bei der Einreise freudig: 'Welcome back home'".

Home. Heimat. Das sind für Wolf-Rüdiger Pech, 75, und seine Frau Melanie, 71, längst die Vereinigten Staaten von Amerika. Aufgewachsen sind sie in Oldenburg in Niedersachsen, dann zog es sie in die Pfalz. 37 Jahre arbeitete er als Fluglotse bei der Bundeswehr, seine Frau bei der Sparkasse, und irgendwann sagten seine Eltern: "Wir wollen im Urlaub unbedingt mal nach Florida."

"Das konnten wir uns nicht vorstellen, aber wir sind mitgefahren", erzählt er. 

Ganz los kommen sie nicht vom Deutschen

Sie fuhren dann noch mal hin und wieder und wieder und verliebten sich in den Sunshine State, in das gute Wetter, die netten Menschen, das Unverkrampfte, das Lockere, "hier kann man den ganzen Tag in kurzen Hosen herumlaufen."

In ihren kurzen Hosen macht sich das Paar jetzt auf den Weg in den "German-American Social Club of Cape Coral", Pech ist dort Vizepräsident. "15 Hektar Fläche, eigene Schmiede, eigene Tischlerei, eigene Malerwerkstatt, dafür bin ich zuständig", sagt Pech stolz.

Sie treffen sich dort fast täglich, Deutsche und Amerikaner, jeden Freitag ist Tanzabend, 15 Biere vom Fass, im Herbst ist Oktoberfest, das 39. schon, 700 Fässer Bier, 35.000 Besucher. 

Das ist ihre Verbindung zur alten Heimat: Geselligkeit, Bier, Oktoberfest. Ganz los kommen sie nicht vom Deutschen. Wollen sie auch nicht. Aber sie paaren es mit Ausgelassenheit.

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Viele der Mitglieder sind seit 50 Jahren in Amerika. Die Pechs haben den Schritt ins Ausland erst spät gewagt, erst als Rentner, im Jahr 2013. Wolf-Rüdiger mit 64 Jahren, Melanie war damals 60. "Wir bereuen es nicht eine Sekunde", sagt Pech, und seine Frau stimmt ihm zu. "Anfangs haben wir nur das gute deutsche Brot vermisst, aber inzwischen gibt es auch hier gute Bäckereien oder wir backen unser Brot selbst, aus Sauerteig. Einmal im Jahr machen wir unsere Wurst selbst, Leberwürste, Bratwürste, gleich hunderte. So decken wir uns ein fürs ganze Jahr." 

Aber ansonsten sind sie längst Amerikaner, haben viele amerikanische Freunde, haben beide Staatsangehörigkeiten. "Das war teuer, mehrere tausend Euro. In Deutschland mussten wir die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft gut begründen, das war ein Papierkrieg, inzwischen ist das leichter. Wir dachten, wir behalten den deutschen Pass lieber, man weiß ja nie, was politisch passiert."

Politisch? Meint er vielleicht die Wahl von Donald Trump?

Eher nicht.

"Ich habe da eine etwas differenzierte Sicht", sagt er vorsichtig. "Ich versuche, das Thema in Deutschland zu vermeiden, man kann auch über viele andere Themen sprechen." Nur so viel: "Die Medien sind relativ einseitig. Nicht so neutral, wie sie sein sollten." 

Er kennt viele Deutsche, die den Traum vom Auswandern verwirklichen wollen, "aber man sollte das gut durchrechnen", empfehlen die Pechs. "Viele kommen her und merken nach zwei bis drei Jahren: Das schaffe ich nicht, das Geld reicht nicht. Wenn man bereit ist, hart zu arbeiten, kann man es in Amerika schaffen. Wenn man sich so durchmogeln will, dann nicht." 

Und noch wichtiger: "Man muss sich integrieren. Von sich aus aktiv sein. Man darf nicht zu Hause rumsitzen."

Und was ist mit all den Nachteilen der USA, das teure Leben, die hohen Gesundheitskosten, die schlechte Krankenversicherung? 

Ihr Sechser im Lotto war eine Green Card

"Ich bin privatversichert, noch über Deutschland. Meine Frau braucht hier eine Krankenversicherung und zahlt 1000 Dollar im Monat. Das ist sehr teuer. Hier kostet eine Bypass-Operation schon mal schnell 250.000 Dollar."

Seine Rente werde auf sein deutsches Konto gezahlt, und wenn er in Deutschland vorbeikommt, holt er sie sich ab. "Nicht ideal, in Deutschland muss man viel höhere Steuern als in den USA bezahlen, aber das nehmen wir in Kauf. Steuerlich ist es in Deutschland ungünstiger, aber das wussten wir vorher." 

Ein Leben in kurzen Hosen – die Pechs wollen für immer hier bleiben
© Josh Ritchie

Ein- bis zweimal im Jahr fliegen die Pechs zurück in die alte Heimat und besuchen die beiden Töchter und fünf Enkelkinder und ein paar alte Freunde. Einige Deutsche pendelten zwischen ihren Häusern in Deutschland und Florida, erzählen sie, den Sommer in Deutschland, den Winter in Florida, "aber das kam für uns nicht infrage. Dann musst du hier etwas reparieren und bist dort nicht richtig da, und dann ist da wieder eine Steckdose defekt. Das wollten wir nicht." 

2013 hatten sie gerade mit viel Mühe ihr 300 Jahre altes Haus im Ort Hagenbach in der Pfalz komplett umgebaut, als sie plötzlich bei der Green-Card-Lotterie eine Green Card gewannen, das begehrte Ausweisdokument der USA. "Zwölf Jahre hatte ich vergeblich gespielt und dann endlich gewonnen. Da setzten wir uns zusammen und überlegten: Wenn wir genug Geld für das alte Haus kriegen, gehen wir rüber. Es hat geklappt." 

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Einen der größten Vorteile von Florida hätten sie während der Corona-Pandemie erlebt. Da gab es in dem konservativ regierten Bundesstaat wenig Kontaktbeschränkungen, kaum Verbote. Sie nutzten die Zeit und bereisten die USA, mal im eigenen Auto, mal im Mietwagen, durch Alaska fünf Wochen im Wohnmobil, und überall fanden sie Platz. "Wir haben fast alles bereist, es ist ein so schönes und riesiges Land, nur die Mitte fehlt uns noch, Nebraska."

Die Pandemie entpuppte sich für die Pechs als Glücksfall – und Florida als Staat der großen Freiheit.

Und im Alter? Wenn die Krankheiten kommen, wenn man Hilfe braucht, wenn man die Kinder vermisst, die Enkelkinder? 

"Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, bleiben wir für immer hier", sagen sie. Und wenn nicht, wollen sie es auch nicht verbissen sehen. Dann war die Auswanderung eben eine wunderbare Zeit.

Aber noch haben die beiden Rentner viele Jahre vor sich, glauben sie. "Wir kennen hier viele in den hohen 80ern. Der Älteste im Club ist 95. Man ist zufriedener hier. Gelassener. Man lebt länger, wenn man glücklich ist." 

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