Leitzinsen: EZB senkt erneut die Leitzinsen – doch was folgt 2025?
Die EZB hat den Leitzins zum vierten Mal in Folge um 25 Basispunkte gesenkt. Für Immobilienkäufer müssen das aber keine guten Nachrichten sein.
Die Europäische Zentralbank hat wie erwartet die Leitzinsen um 25 Basispunkte gesenkt. Der Einlagezinssatz – also das, was Banken auf ihre Einlagen bei der EZB erhalten, fällt damit auf 3,0 Prozent. Der für Banken wichtigere Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sie sich Geld bei der EZB leihen, auf 3,15 Prozent. Die EZB reagiert damit auf die anhaltend positiven Daten für die Inflation, wo sie sich nahe am Zielwert von 2,0 Prozent wähnt. Allerdings bleibt sie in Sachen Teuerung vorsichtig.
Dennoch eröffnen sich durch die Zinssenkung automatisch Diskussionen für 2025. Denn je länger die Inflation rund um den Wert von 2,0 Prozent verharrt, desto stärker werden die Diskussionen werden, ob die dezidiert "restriktive", also bremsende Geldpolitik der EZB weiterhin nötig ist – oder, ob sich die EZB nicht von dieser Politik lösen sollte, um die schwächelnde EU-Wirtschaft anzuschieben.
Analysten begrüßen Zinsschritt der EZB
Die Stichworte hierfür lauten "neutraler Zins" und "Datenabhängigkeit". "Wirklich spannend ist die Frage, inwieweit die Zentralbank bereit ist, von rein datenabhängigen Entscheidungen abzurücken und sich ein Stück weit auf regelmäßige Senkungen der Leitzinsen auf ein neutrales Niveau – und möglicherweise darunter – festzulegen", erklärte Gilles Moëc, leitender Volkswirt bei Axa vor der Zinsentscheidung.
Der neutrale Zins ist als derjenige Wert definiert, bei dem die Wirtschaft weder gebremst noch angeschoben wird – aktuell wird er rund um die Marke von 2,0 Prozent verortet. Laut Lagarde befände man sich bereits auf dem Weg dahin, wie sie auf einer Pressekonferenz in Frankfurt erklärte. Viele Firmen müssten bereits deutlich weniger für Kredite zahlen als noch vor einem Jahr. Dennoch sei der Kampf gegen die Inflation noch nicht vorbei, weshalb man aktuell noch "restriktiv unterwegs" sei. Dennoch, so Lagarde, befinde sich die Inflationsentwicklung "on track". Weitere Zinsschritte werden datenabhängig und von Zinsentscheid zu Zinsentscheid getroffen.
Analysten begrüßten den Zinsentscheid in einer ersten Reaktion. Der Volkswirt Christian Dustmann lobte ihn als "höchst willkommenes und wichtiges Signal". Das werde allen helfen, der Baubranche, den Investitionen, dem Verbrauch und dem Arbeitsmarkt in Europa. "Die Zinssenkung hilft, die recht angespannte wirtschaftliche Lage zu stabilisieren”, sagte der Direktor der Rockwool Foundation am Donnerstag. Er hoffe auf weitere Zinssenkungen im kommenden Jahr, die dazu beitragen könnten, die Flaute zu überwinden.
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Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck, findet die 25 Basispunkte einen guten Kompromiss. "Für eine noch größere Senkung ist die Unsicherheit über die weiteren Entwicklungen gerade in politischer Hinsicht – von den Folgen Trumps für den Euroraum über die geopolitischen Konflikte bis zur Bundestagswahl – einfach zu hoch." Greil lobt vor allem die Flexibilität, die sich die EZB gibt. "Die EZB hat einen Textabschnitt gestrichen, in dem Sie ,so lange wie nötig eine ausreichend restriktive Geldpolitik' ankündigt, womit sie sich letztendlich etwas mehr Flexibilität einräumt."
Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust ist weniger euphorisch, und spricht von einem "Weihnachtspräsent der EZB". Die Entscheidung sei vertretbar, so Heise. Er sei aber skeptisch bei der Frage, ob die Inflation nachhaltig überwunden sei. Zuletzt habe der Rückgang beispielsweise gestockt, weshalb es in den kommenden Monaten zu einer Zinspause kommen könnte. "Wäre es allein nach den jüngsten Inflationsdaten gegangen, wäre es wohl kaum zu einer Zinssenkung gekommen: Wichtige Inflationsmaße sind im November angestiegen. Zudem lassen die kräftigen Lohnsteigerungen im dritten Quartal weiteren Preisdruck erwarten", sagte Heise.
Märkte schauen bereits auf die US-Notenbank Fed
Die Märkte reagierten zunächst kaum auf die Nachricht, wohl auch, weil der Schritt erwartet worden war – aber vor allem, weil Analysten viel stärker auf den kommenden Mittwoch schauen, wenn die US-Notenbank Fed zum letzten Mal in diesem Jahr tagt. Laut dem CME Fed Watch-Tool rechnen derzeit 86 Prozent der Analysten dort mit einer Zinssenkung um ebenfalls 25 Basispunkte – dann auf eine Spanne zwischen 4,25 und 4,5 Prozent.
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Hier werden vor allem die Aussagen von Fed-Chef Jerome Powell mit Spannung erwartet, da mit Donald Trump bald ein großes Fragezeichen für die Geldpolitik ins Weiße Haus einziehen wird. Macht Trump tatsächlich ernst mit seinen angekündigten Strafzöllen und Abschiebungen, wird das die Inflation in den USA voraussichtlich erneut anfachen. Zudem dürften seine geplanten Steuersenkungen die US-Staatsverschuldung weiter nach oben treiben, was ebenfalls dafür spricht, dass die Fed bei Zinssenkungen schneller auf die Bremse treten muss – sogar Zinserhöhungen sind nicht ausgeschlossen.
Immobilien werden wieder teurer
Zwar haben sich die Erwartungen an größere Zinssenkungen in den vergangenen zwei Wochen verstärkt – laut Bloomberg-Daten rechnet der Markt mit knapp 100 Basispunkten weniger bis Ende 2025, und damit 50 Punkte mehr als noch Ende November. Aber: Vor der Wahl Trumps lag die Fantasie noch bei 250 Basispunkten. Die jüngste Euphorie an den Märkten ist vor allem mit dem Namen Scott Bessent verknüpft, ein Hedgefondsmanager aus South Carolina, den Trump als Finanzminister vorgesehen hat, und der – entgegen Trumps Plänen – eher weniger als mehr neue Schulden machen will. Das würde auch die Renditen auf US-Staatsanleihen mindestens stabilisieren, die nach der Trump-Wahl von 3,6 auf 5 Prozent hochschossen – sowohl für zwei- als auch für zehnjährige Papiere.
Eine ähnliche Bewegung nahmen zuletzt auch Bundesanleihen, wenngleich nicht ganz so stark. Zwei- und zehnjährige Papiere stiegen von 2,0 auf 2,5, bzw. 2,7 Prozent – getrieben von der Erwartung, dass Deutschland mehr tun muss, um sich unabhängig von Trumps Strafzöllen zu machen und den Investitionsstau im eigenen Land zu lösen. Diese Werte sind auch für viele Privatleute interessant, weil sich die Bauzinsen an den zehnjährigen Bundesanleihen orientieren. Ein Renditeanstieg auf 2,7 Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen bedeutet auch, dass Bauen für sie teurer wird.