Arabische Außenminister fordern friedlichen Übergang in Syrien
Nach dem Sturz des langjährigen syrischen Machthabers Baschar al-Assad durch die islamistische HTS-Miliz und ihre Verbündeten haben die Außenminister mehrerer arabischer Staaten zu einem friedlichen Übergang aufgerufen. In diesem Prozess müssten "alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte vertreten sein", hieß es am Samstag in einer Erklärung der in Jordanien zusammengekommenen Minister. Erstmals seit dem Sturz seines Verbündeten Assad äußerte sich auch der Chef der libanesischen Hisbollah-Miliz, Naim Kassem, zur Lage in Syrien.
Am vergangenen Sonntag war der jahrzehntelangen gewaltsamen Herrschaft der Assad-Familie in Syrien durch eine Großoffensive von Kämpfern unter der Führung der Hajat Tahrir al-Scham (HTS) ein Ende gesetzt worden. Assad floh außer Landes. Die neuen Machthaber setzten eine Übergangsregierung ein, die versprach, die Rechte aller Syrer schützen zu wollen.
Die im jordanischen Akaba versammelten arabischen Außenminister warnten vor jeglicher "ethnischer, konfessioneller oder religiöser Diskriminierung" und forderten "Gerechtigkeit und Gleichheit" für alle Menschen in Syrien. Staatliche Institutionen müssten erhalten werden, damit das Land nicht "ins Chaos" stürze, hieß es weiter.
Die gemeinsame Erklärung wurde von den Chefdiplomaten aus Jordanien, dem Irak, Saudi-Arabien, Ägypten, Libanon, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Katar getragen. Sie forderten darin zudem, dass der politische Prozess in Syrien von den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga unterstützt und im Einklang mit den Grundsätzen der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats erfolgen müsse. Die 2015 verabschiedete Resolution sieht die Ausarbeitung einer Verfassung sowie Wahlen unter Aufsicht der Vereinten Nationen vor.
Bei den Beratungen in Akaba waren auch US-Außenminister Antony Blinken, der türkische Außenminister Hakan Fidan sowie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas und der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, zugegen.
Blinken sagte, die USA hätten "direkten Kontakt" mit der islamistischen Miliz HTS aufgenommen. "Wir haben Kontakt zur HTS und zu anderen Parteien gehabt", sagte Blinken. Dabei hätten die Vereinigten Staaten deutlich gemacht, dass sie an den von Blinken zuvor dargelegten "Prinzipien" festhielten.
Blinken hatte sich im Zuge seiner Nahost-Mission zu Syrien für einen "inklusiven Übergang" ausgesprochen, der zur Bildung einer international ansprechbaren und "repräsentativen syrischen Regierung" führt, "die vom syrischen Volk gewählt wird". Zudem müsse dafür gesorgt werden, dass in dem Bürgerkriegsland keine neuen Konflikte ausbrächen.
Wie die Kontaktaufnahme zur HTS erfolgte, sagte Blinken nicht. Die USA und andere westliche Staaten stufen die Miliz als Terrororganisation ein. Sie ist aus der Al-Nusra-Front hervorgegangen, dem syrischen Ableger von Al-Kaida. Allerdings hat sie nach eigenen Angaben seit 2016 keine Verbindungen mehr zu dem Terrornetzwerk und präsentiert sich moderat.
Der UN-Sondergesandte für Syrien, Pedersen, forderte die Teilnehmer des Treffens dazu auf, humanitäre Hilfe zu leisten und dafür zu sorgen, "dass die staatlichen Institutionen nicht zusammenbrechen". In diesem Fall habe das syrische Volk "vielleicht eine neue Chance", betonte Pedersen bei einem Treffen mit Blinken.
Wie angekündigt eröffnete die Türkei am Samstag ihre seit 2012 geschlossene Botschaft in Damaskus wieder. Über dem Gebäude im Botschaftsviertel der syrischen Hauptstadt wurde die türkische Flagge gehisst, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachtete.
Die Türkei hatte bei dem Bürgerkrieg im Nachbarland eine wichtige Rolle gespielt. Sie unterstützte bewaffnete Gruppen im Nordwesten, der bis zur Ende November überraschend begonnenen Offensive der islamistischen Kämpfer als Oppositionsgebiet galt. Fidan hatte am Freitag gesagt, die Türkei habe Assads Verbündete Russland und den Iran davon abgehalten, die syrischen Regierungstruppen bei der Abwehr der Großoffensive der Milizen zu unterstützen.
Indes griff Israel nach Angaben von Aktivisten erneut Militärstandorte in und um Damaskus an. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Samstag mitteilte, wurden ein Wissenschaftsinstitut und dazugehörige militärische Einrichtungen in Barseh sowie ein Flughafen im Umland der Hauptstadt angegriffen.
Israel gehe mit seinen Angriffen eindeutig zu weit, erklärte HTS-Anführer Mohammed al-Dscholani im Onlinedienst Telegram. Dadurch drohe "eine neue ungerechtfertigte Eskalation in der Region". "Die allgemeine Erschöpfung nach Jahren des Kriegs in Syrien (...) erlaubt uns jedoch nicht, neue Konflikte zu beginnen", fügte er hinzu.
Hisbollah-Anführer Kassem forderte die syrische Übergangsregierung in einer Fernsehansprache dazu auf, die Beziehungen zu Israel "nicht zu normalisieren". "Wir hoffen, dass diese neuen Machthaber Israel als Feind ansehen werden", sagte er. Kassem sagte zudem, die Hisbollah habe durch den Sturz von Assad "eine militärische Versorgungsroute" verloren.
Seit dem Machtwechsel in Damaskus hat Israel hunderte Angriffe gegen militärische Einrichtungen in Syrien ausgeführt. Israelischen Angaben zufolge soll dadurch sichergestellt werden, dass die von der syrischen Armee zurückgelassene militärische Ausrüstung nicht in die Hände von Extremisten fällt. In einem international kritisierten Schritt haben israelische Streitkräfte zudem die Pufferzone zwischen Israel und Syrien auf den Golanhöhen besetzt.