"Nord Nord Mord – Sievers und die stillen Austern": Ein Toter im Watt – die Muscheln verweigern die Aussage
"Sievers und die stillen Austern" heißt der neue Fall aus der ungemein erfolgreichen ZDF-Krimireihe "Nord Nord Mord". Ein Restaurantbesitzer wird ermordet – Verdächtige gibt es reichlich.
Was ist das nur mit diesen schlampigen Mördern in den Regionalkrimis? Neulich war's ein herausspitzender Daumen, der bei "Hubert ohne Staller" den einbetonierten Leichnam "verriet". Und nun, hier auf Sylt, schaut gleich der ganze Arm aus dem Watt hervor. Was für ein Glück, dass Kommissar Sievers (Peter Heinrich Brix) bei einem herbstlichen Spaziergang den Toten höchstselbst entdeckt. Womöglich wäre der sonst über Jahrzehnte verborgen geblieben. Nur bewacht von den gezüchteten Austern direkt daneben, die das schurkische Treiben ihrer Natur entsprechend zurückhaltend verfolgten. "Sievers und die stillen Austern" ist der neue Film aus der äußerst erfolgreichen ZDF-Reihe "Nord Nord Mord" überschrieben. Ein etwas merkwürdiger Titel, nachdem Austern ja nun per se mangels Artikulationsorganen eher schweigsam sind.
Die Ermittlerin Ina Behrendsen (Julia Brendler) erkennt ihn sofort: Bei dem Opfer handelt es sich um Wolf Voss, den Besitzer des besten Austernrestaurants auf Sylt. Die Austernbänke um den Fundort seiner Leiche herum gehören allerdings nicht ihm, sondern der Züchterin Tomke Bundis (Josefine Israel). Ganz offensichtlich hat sich Voss bei ihr immer mal wieder heimlich bedient. Aber als Mordmotiv wäre das doch reichlich dünn. Wobei die Dame mit dem sehr nordischen Namen bei der Befragung schon einräumt, dass sie mit dem Opfer ab und an aneinandergeraten ist.
An Verdächtigen mangelt es nicht
Gar noch verdächtiger macht sich Thorben Voss (Tim Kalkhof), der die Nachricht vom Tod seines Vaters fast schon stoisch hinnimmt. Einer Befragung stimmt er nicht zu: "Ich habe keine Zeit dafür, in 30 Minuten kommen die ersten Gäste." Thorben wollte seit Jahren das Restaurant seines Vaters übernehmen, doch der wollte ganz offensichtlich nicht loslassen. Zuletzt jedoch hatte der Vater signalisiert, seine Tätigkeit dann endlich doch aufgeben zu wollen, um auf Bali ein neues Leben zu beginnen. Es heißt, er habe sich neu verliebt. Über die Hintergründe hüllte er sich in Schweigen. Aber hätte sein Sohn dann wirklich noch einen Mord begangen? Den eigenen Vater töten? Und wer war die neue Flamme des vermögenden Restaurantbesitzers?
Näheres über die Beziehung des Vaters weiß nur Marlies Wünschmann (Lisa Kreuzer), Stammkundin im "Voss" und eng befreundet mit dem Chef, der ja nun aber leider nun mit dem berühmten stumpfen Gegenstand erschlagen wurde.
An Verdächtigen mangelt es Sievers, Behrendsen und Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk) nicht. Da wäre zum Beispiel noch Dörte Voss (Brigitte Zeh), Ehefrau des Opfers. Die Scheidung stand wohl unmittelbar bevor, und das schöne Erbe wäre danach für sie dünn ausgefallen. Also hat sie noch fix den Göttergatten gemeuchelt? Oder war's der Fotograf Knut Küster (Steven Scharf), der angibt, mit Wolf Voss eng befreundet gewesen zu sein? Allzu viel wusste er zuletzt aber wohl nicht mehr von seinem ehemals besten Kumpel.
Und dann taucht plötzlich wie aus dem Nichts noch Reinhard Schneider auf, gespielt von dem wunderbaren Reiner Schöne. Schneider ist zum einen der Onkel des ortsansässigen Polizisten (Stephan A. Tölle), war aber auch früher mal der Chef der Polizeistation auf Sylt. Wenn eine für die innere Dramaturgie der Geschichte bedeutende Figur wie diese aus dem Nichts eingeführt wird (Buch: Katja Töner, Bruno Grass, Sebastian Bleyl), ahnt der erfahrene Krimibegeisterte: Irgendeine wesentliche Rolle muss diesem alten Schneider bei den Ermittlungen noch zugedacht sein. Tatsächlich nehmen die nach etwa der Hälfte der Sendezeit eine Wendung – Puzzlestücke fügen sich zusammen, und aus einem bis dahin ordentlichen Krimi wird ein guter.
Sylter Skurrilitäten
"Nord Nord Mord" startete 2011 im ZDF, damals noch mit Robert Atzorn als Ermittler Theo Clüver. Seit 2018 steht Peter Heinrich Brix an der Spitze der charmanten Sylter Truppe. Dies hier ist sein 19. Fall. Fast immer sind es sieben, nicht selten sogar über acht Millionen Menschen, die einschalten, wenn sich Sievers und Konsorten auf Mörderjagd begeben.
Anders als beispielsweise so mancher "Tatort" oder ZDF-Montagabendkrimi verzichten die Macher hier darauf, die Rahmenhandlung nennenswert fortzuschreiben. Im Grunde wird seit Jahren, was das Privatleben der Hauptcharaktere angeht, die immergleiche Geschichte erzählt. Feldmann ist ganz offensichtlich verliebt in seine Kollegin und umschwärmt sie stümperhaft im Stile eines Achte-Klasse-Pennälers. Sie wiederum genießt das Umgarntsein, hält sich ihren Verehrer bisweilen wie ein liebes Hündchen und macht als perfekte Ermittlerin ansonsten nie etwas verkehrt. Und Chef Sievers? Der lacht nie, schmunzelt vielleicht mal, sucht in seiner halbplatonischen Beziehung mit der Psychologin Tabea Krawinkel (Victoria Trauttmansdorff) nach Halt und hadert noch immer ein klein wenig damit, am Ende seiner Karriere auf der Insel angekommen zu sein.
Es ist verlässliche, weil eben immer und auch diesmal entspannte, gelassene Krimi-Unterhaltung, diesmal erstmals vom Wahl-Hamburger Regisseur Bruno Grass in Szene gesetzt. Neben dem eher konventionellen Fall selbst werden eine ganze Reihe humorvoller Momente zelebriert. Ob es nun Hinnerk Feldmanns Friseurbesuch (Ziel: Latin-Lover-Optik) ist oder die verzweifelte Trickserei, mit der Carl Sievers versucht, das Zusammenziehen mit seiner Lebensgefährtin zu verhindern – es ist stets eine unbeschwerte Freude, hier den Sylter Skurrilitäten zuzuschauen.
Über die nähere Zukunft der Reihe müssen sich die Anhänger derweil keine Sorgen machen. Ganze vier Krimis sind längst abgedreht, für einen fünften neuen Film standen die Darstellerinnen und Darsteller bis vor wenigen Tagen vor der Kamera. Wer mehr über die Hintergründe des Formates wissen will, sollte am Sonntag, 28. Dezember, 19.10 Uhr, das ZDF einschalten: Die Dokumentation "Backstage – Nord Nord Mord" (schon jetzt in der Mediathek des ZDF) begleitet das gesamte Filmteam bei den Dreharbeiten, hauptsächlich auf Sylt, aber auch im Studio in Hamburg.
Nord Nord Mord – Sievers und die stillen Austern – Mo. 15.12. – ZDF: 20.15 Uhr