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Joachim Rukwied: Der Bauernpräsident, der mit Hofromantik wenig anfangen kann

Stern 

Joachim Rukwied ist Landwirt mit Leib und Seele, wie er sagt, aber auch mit mächtig Wut im Bauch. Wieder einmal geht der Bauernpräsident auf die Barrikaden. Wer ist der Mann? 

Joachim Rukwied, 62, spricht gern von "unseren Bauernfamilien", wenn er über seinen Berufsstand spricht. Seit elf Jahren ist der Schwabe sozusagen das Familienoberhaupt. Als Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV) vertritt Rukwied rund 300.000 Landwirtschaftsbetriebe. Eine große "Familie", eine konfliktfreudige dazu. Immer wieder rollen die Bauern mit ihren Traktoren an, wenn sie sich von der Politik unfair behandelt fühlen. Rukwied ist der Anführer der regelmäßigen Protestzüge, jedenfalls rhetorisch. Denn er kann es gar nicht leiden, wenn seiner "Familie" Unrecht widerfährt.

Rukwied ging die Blockade des Bauern-Mobs im Hafen von Schlüttsiel zu weit. Er bezeichnete die Aktion, bei der Vizekanzler Robert Habeck seine Fähre nicht verlassen konnte, als "No-Go". "Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht", hieß es in einer Mitteilung. Man sei ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahre. "Bei allem Unmut respektieren wir selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern."

Habeck Fähre Reederei Chef 13.27

Doch die Wut der Bauern ist ungebrochen, daran lässt Rukwied keinen Zweifel. "Es reicht!", sagte er zur "Bild"-Zeitung. Der Verband fordere die komplette Rücknahme der Kürzungspläne "ohne Wenn und Aber". Rukwied rechne damit, "dass Zehntausende Trecker" zu den geplanten Protestfahrten in ganz Deutschland kommen werden. "Dass damit auch Verkehrsbeeinträchtigungen einhergehen, versteht sich von selbst."

Das Familienoberhaupt hat die Schnauze voll. 

Ob Düngeverordnung, Glyphosat-Verbot oder Agrarpaket: Immer mehr Auflagen machen Landwirten das Leben schwer, obwohl sie doch schon ackern wie die Berserker. So sieht Rukwied das, der Bauern-Pate. "Deshalb sind viele Landwirte frustriert, sie sagen: Mensch, ich mach' doch schon viel mehr als früher, aber die Kritik nimmt zu", sagte er schon 2019 in einem stern-Interview. Wenige Wochen vor dem Gespräch ließ ein Insektenschutzprogramm der Bundesregierung die Bauern auf die Barrikaden gehen und mit Trekkern vorfahren. "Das trifft viele Landwirte in der bäuerlichen Seele", erklärte Rukwied, der selbst einen Hof in Eberstadt bei Heilbronn bewirtschaftet. "Die sagen mir: 'Wir lassen uns nicht dauernd vorführen.'"

Hofromantik? Nicht mit Joachim Rukwied

Rukwied gilt als resoluter wie streitbarer Interessenvertreter seiner Bauern-Familie. Er selbst ist verheiratet, hat drei Kinder. Seine Eltern führten einen bäuerlichen Familienbetrieb in Eberstadt im Weinsberger Tal bei Heilbronn, den er 1994 übernommen hat – in achter Generation. Doch für Hofromantik hat er wenig übrig. 

Er sei zwar Landwirt "mit Leib und Seele", wie der seinerzeit neue Bauernpräsident 2012 zur "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte. Dabei müsse aber auch die Entlohnung stimmen. Schon in seinem Argrarwirtschaftsstudium in Nürtingen legte er einen deutlichen Schwerpunkt auf Betriebswirtschaft. 

FS Bauern-Demo in Berlin 11.18

Später arbeitete er etwa am Aufbau von Beratungsstellen für Landwirte mit, fand damit zum Landesbauernverband und wohl auch zur Politik. Für die CDU saß er im Gemeinderat von Eberstadt, war stellvertretender Bürgermeister der kleinen Kommune mit rund 3000 Einwohnern. 1996 wurde er zum ersten Mal Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Heilbronn, später Präsident des Landesbauernverbands in Baden-Württemberg (seit 2006). Undsoweiterundsofort.

Rukwied hat jedenfalls ein Gespür dafür, wann die bäuerliche Seele wund ist und der Unmut groß. Nun hat die Bundesregierung auch noch eine "Kampfansage an die deutschen Bauernfamilien" ausgesprochen, meint er. Und damit an seine Familie. Klar: Die lässt Rukwied nicht unbeantwortet.

"Das ist eine Kampfansage"

Nachdem bekannt geworden war, dass die Ampel-Koalition in ihrem Sparhaushalt auch Einschnitte zulasten der Bauern plant, reisten Tausende Bauern aus dem gesamten Bundesgebiet in die Hauptstadt. Hunderte von ihnen kamen mit Mähdreschern und Traktoren, um gegen zwei Kürzungen zu protestieren: die Streichung des Dieselprivilegs und das Ende der Befreiung von der Kfz-Steuer, was die Branche in Summe fast eine Milliarde Euro pro Jahr kosten sollte. Erst blockierten sie Teile der Innenstadt, dann hupten und trillerten sie, riefen dem grünen Agrarminister Cem Özdemir "Buh" und "Lügner" entgegen. Rund 8000 wütende Landwirte versammelten sich nach Angaben des Bauernverbandes vor dem Brandenburger Tor. Rukwied war einer von ihnen.

"Das ist eine Kampfsansage", sagte er in seiner Rede an die Protestierenden, "und diese Kampfansage nehmen wir an." Sollte die Bundesregierung die "unzumutbaren" Vorschläge nicht zurücknehmen, dann werde es einen "heißen Januar" geben. 

Das war im Dezember. Mittlerweile wurden die Kürzungspläne von den Ampel-Spitzen entschärft. Rukwied will trotz seines Teilerfolgs nicht nachgeben und fordert, dass die Vorschläge vollständig (und nicht teilweise) zurückgenommen werden. Der Bauernverband ruft ab 8. Januar zur "Aktionswoche" auf, am 15. Januar ist eine Großdemo in Berlin geplant. Im "Tagesspiegel" kündigte er an: "Was wir nächste Woche sehen werden, das hat das Land vonseiten der Bauern so noch nicht gesehen." 

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