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"Familie am Tisch": Nudeln mit Butter statt Avocadotoast – wenn Kinder nicht so wollen, wie Eltern es gern hätten

Stern 

Abwechslungsreich, gesund und lecker soll das Essen sein, mit dem wir unsere Kinder füttern. Wenn die Brut aber nicht mitspielt, hängt der Haussegen schief. Das Buch "Familie am Tisch" wendet sich in diesem und anderen Krisenfällen allerdings ans Kopfende: die Eltern.

Es gab eine Phase im Kleinkindalter meines Sohnes, die mich an den Rand der Verzweiflung gebracht hat. Während er als Einjähriger noch mit Begeisterung mit Sardellen gefüllte Oliven gefuttert hat, kaum jemand konnte das nachvollziehen, folgte mit zwei Jahren eine Zeit, in der sich auf seinem Teller nichts berühren durfte. Fleisch, Gemüse, Beilage, jeder Bestandteil des Mittagessens musste in einer anderen Ecke liegen. Soße? Nein, danke. Ich war kurz davor, mir von meiner Mutter Hilfe zu holen und ihre Fondueteller auszuleihen, die in einzelne Abschnitte unterteilt sind. Mit drei Jahren kam es noch krasser: Nudeln mit Butter wurden zur einzigen warmen Mahlzeit, die mein Sohn zu essen bereit war – gefühlt über Monate. Um es kurz zu machen, all das hat er unbeschadet überlebt. Mich hingegen machten diese plötzlichen Sinneswandel ratlos. "Ich glaube, das Kind ist kaputt", habe ich damals vor mich hingemurmelt. Inzwischen bin ich schlauer, denn ich habe "Familie am Tisch" gelesen. 

Cover "Familie am Tisch"
Christine Ordnung, Georg Cadeggianini "Familie am Tisch. Für ein neues Miteinander – beim Essen und darüber hinaus", Kösel, 208 Seiten, 18 Euro, erhältlich bei Amazon, Thalia und Bücher.de
© Kösel

Der Tisch wird zur Schule fürs Leben

Zunächst die gute Nachricht: Die Autorin Christine Ordnung (mit Georg Cadeggianini) geht davon aus, dass Eltern es grundsätzlich gut mit ihren Kindern meinen. Allerdings, und da geht’s schon los, führt das leider nicht immer dazu, dass sie sich sinnvoll verhalten. Im Kapitel „Und jetzt Werbung“ etwa, demonstriert Ordnung uns, wie wir mit unseren klassischen Flugzeugspielchen, Brummgeräuschen und Anpreisungen wie „Hm, lecker, lecker“ eigentlich alles dafür tun, um ein Kind abzulenken und ihm die Mahlzeit irgendwie unterzujubeln. Seit Generationen hoffen Eltern, dass der Nachwuchs so kaum merkt, dass er in Wirklichkeit isst. Von Erfolg gekrönt ist dieses Spielchen natürlich nur begrenzt und das Überverkaufen des Essens weniger sinnvoll, als das Kind selber löffeln zu lassen – auch wenn es dabei sich und sein Umfeld einsaut.

Ob Kleinkind oder Schulkind, jedes Alter bringt neue Herausforderung für Eltern mit an den Tisch. Letzterer jedoch dient den Autoren nicht nur als Ort, an dem Kinder das Essen, Manieren und gutes Benehmen lernen. Vielmehr sind die gemeinsamen Mahlzeiten oft die einzige Möglichkeit, über den Tag zu sprechen, zu erzählen, zuzuhören, zu lachen, zu streiten oder vielleicht auch seine Sorgen loszuwerden. Zusammen zu essen bedeutet einen verlässlichen Rhythmus für den Tag, mehr oder weniger feste Zeiten, sich zu sehen und zu erleben. Der Platz am Tisch wird zur Schule fürs Leben. TdW 52 17.45

Die Autoren

Dass Christine Ordnung ihre Ausbildung bei dem berühmten dänischen Familientherapeuten Jesper Juul gemacht hat, passt. Wie er, lehrt sie Erwachsene Verständnis für das Verhalten von Kindern und den Blick aufs große Ganze. Voller Humor und mit ganz viel Durchblick schafft sie Verständnis für kindliches Verhalten, was so aufklärend wie beruhigend ist.

Co-Autor Georg Cadeggianini ist Redakteur bei der "Süddeutschen Zeitung", hat sieben Kinder und ist laut seiner Biografie auf der Verlagsseite ein Experte für Witze. Wahrscheinlich liefern diese Voraussetzungen auch ihm die Expertise für Mahlzeiten am Esstisch..

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