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Wagenknecht-Partei will nach Gründung bei Europa- und Landtagswahlen punkten

Stern 
Wagenknecht-Partei will nach Gründung bei Europa- und Landtagswahlen punkten

Nach monatelangen Vorbereitungen hat die ehemalige Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht zusammen mit etwa 40 Mitstreitern eine neue Partei gegründet. In dem "Bündnis Sahra Wagenknecht - Vernunft und Gerechtigkeit" (BSW) bildet sie zusammen mit Ex-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali die Doppelspitze einer Partei, die sich nach eigenen Angaben politisch weder links, noch rechts einordnen will. Antreten soll die neue Partei bereits bei der Europawahl im Juni und dann bei den drei Landtagswahlen im September in Ostdeutschland.

Sie und ihre Mitstreiter hätten die neue Partei gegründet, um "Unfähigkeit und Arroganz" in der Berliner Regierungspolitik zu überwinden, sagte Wagenknecht. Gerade mit Blick auf die Lage in Ostdeutschland werde immer wieder vor einer Gefährdung der Demokratie gewarnt. Damit würden aber "Ursache und Wirkung verwechselt". Denn viele Menschen fühlten sich von der Politik "im Stich gelassen".

Die Gründungsmitglieder beschlossen am Morgen offiziell die neue Parteisatzung und legten die personelle Besetzung fest. Spitzenkandidaten für die Europawahl sollen der Finanzpolitiker Fabio De Masi und der frühere SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, werden. Auch der Parteivorstand wurde vorgestellt: Vorsitzende sind Wagenknecht und die frühere Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. Generalsekretär ist der Bundestagsabgeordnete Christian Leye, Schatzmeister der Unternehmer Ralph Suikat.

Programmatisch will sich die Partei vorerst am Gründungsmanifest des fast gleichnamigen Vereins orientieren, wie Wagenknecht weiter sagte. Bis zur Bundestagswahl 2025 solle mit den Mitgliedern und auch Experten ein detailliertes Programm erarbeitet werden. 

Zu den Kerninhalten gehören unter anderem eine solidarische Sozial- und Wirtschaftspolitik. So trete die Partei für bezahlbare Mieten, höhere Reallöhne und Renten ein. Außerdem seien "massive Investitionen" in Bildungssystem öffentliche Infrastruktur und "kompetente, effektive Verwaltungen" nötig, um "den wirtschaftlichen Abstieg unseres Landes zu verhindern", heißt es in dem Parteiprogramm. 

In der Migrationspolitik fordert die Partei, den Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen. "Die bisherige Asylpolitik ist verfehlt", sagte Wagenknecht. Das Asylrecht allein könne die Probleme nicht lösen. Vielmehr müssten Kriege und Konflikte als Fluchtursachen friedlich gelöst werden. Sanktionen gegen Russland lehnt das BSW ab.

Als ehemalige Spitzenpolitikerin der Linken vermied Wagenknecht eine Einordnung der Partei als klar links. Viele Menschen könnten mit diesen "Labels" nichts mehr anfangen, sagte Wagenknecht. Für viele sei "links" inzwischen mit anderen Debatten besetzt, etwa zum Gendern und zu Lebensstilen. "Deshalb werden wir diese Labels nicht benutzen", sagte Wagenknecht.

Wagenknecht kündigte an, dass bis zur Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres der Name BSW Bestand haben solle. Danach solle ein Name gefunden werden, der unabhängig von ihrer Person ist. Langfristig wolle sie mit der Neugründung "das Parteiensystem in Deutschland verändern", die Partei sich "in den nächsten 20, 30, 40 Jahren etablieren", sagte Wagenknecht.

Die ersten Prüfsteine werden die Europawahl in fünf Monaten und im September die drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sein. Europa-Spitzenkandidat De Masi sagte, noch sei unklar, welcher Fraktion im EU-Parlament sich die Partei nach einer Wahl anschließen wolle. Hinsichtlich der Landtagswahlen sagte Wagenknecht, dass auch eine Regierungsbeteiligung "nicht ausgeschlossen" sei.

Linken-Chef Martin Schirdewan sieht den BSW nicht als "Konkurrenz" an. Es handele sich um "keine neue linke Formation", sagte er. "Ich bin da ganz entspannt." 

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht in der neuen Partei eine Gefahr für den Standort Deutschland. Die BSW-Positionen seien "als Ganzes widersprüchlich und würden der Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen", sagte Fratzscher dem "Handelsblatt". 

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