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Innenstädte: Was passiert, wenn Galeria Kaufhof und Karstadt verschwinden?

Stern 

Zum dritten Mal könnte Galeria Karstadt Kaufhof in die Insolvenz rutschen. Damit drohen Ruinen in den Innenstädten. Eine Untersuchung zeigt: Fast ein Drittel der früheren Filialen wurde abgerissen, die Hälfte massiv umgebaut.

Immerhin: In Rheine gibt es eine Baugrube. Für viele Einwohnerinnen und Einwohner ist das schon ein Fortschritt. 13 Jahre lang stand an der Stelle nur eine Ruine, ein grauer Betonklotz auf über vier Hektar, mitten in der Innenstadt der münsterländischen Gemeinde. Früher, in den 80er- und 90er-Jahren, florierte hier der Handel. Der Staelsche Hof, so heißt der Platz vor dem Gebäude, pulsierte – es gab Restaurants, Eisdielen und Kleidungsgeschäfte. Doch nachdem zunächst Karstadt und später, 2009, Hertie das Gebäude verließen, starb auch der Staelsche Hof. Erst verschwanden die Passanten, dann die Läden. Und erst 2022, 13 Jahre später, folgte der Abriss, mit dem Ziel, irgendwann einmal an dieser Stelle ein Hotel- und Wohngebäude zu errichten.  

Kampf gegen den Karstadt-Leerstand

Überall in Deutschland kämpfen Kommunen mit leerstehenden Gebäuden von Karstadt, Galeria Kaufhof oder Hertie in ihren Innenstädten. Warum? Manche sehen den Onlinehandel in der Schuld, er habe das Prinzip Warenhaus obsolet gemacht. Vermutlich ist die Sache aber noch einfacher. Eigentlich hat sich nur die Art und Weise verändert, wie wir einkaufen. Nicht das Prinzip Kaufhaus an sich ist tot, Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) konnte sich dem Wandel nicht anpassen. Und nach der mittlerweile dritten Insolvenz von GKK und der Pleite bei René Benkos Mutterkonzern Signa, ist die Zukunft der verbleibenden Standorte ungewisser denn je. 

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Viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind deshalb mal wieder in Aufruhr, fürchten um die Zukunft ihrer Innenstädte, fordern neue Konzepte ein. Wie viele und vor allem welche Filialen geschlossen werden könnten, ist noch unklar. Doch Experten wie Johannes Berentzen von der BBE Handelsberatung sind sich sicher: "Langfristig wird ein Großteil der Standorte geschlossen. Angefangen bei den kleinen und mittleren Städten."

Interesse galt den Immobilien

Berentzen sieht die Probleme bei GKK als hausgemacht: "Man kann René Benko sicher nicht vorwerfen, dass er kein grundsätzliches Interesse am Handel gehabt hätte", so der Experte. "Er hat zum Beispiel tolle Luxuskonzepte entwickeln lassen. Wenn ich mir aber die GKK-Filialen anschaue, gewinne ich den Eindruck, dass er vor allem an den Immobilien interessiert war." 

Ganz grundsätzlich, so meint Berentzen, sei das Prinzip Kaufhaus nämlich überhaupt nicht tot. Das zeige sich etwa 40 Kilometer östlich von Rheine, in Osnabrück. Dort floriert das L&T – ein Kaufhaus, in dem Kunden auf einer künstlichen Welle surfen oder ein Höhentraining auf 2000 Metern simulieren können. "Wenn ich den Kunden solche Erlebnisse schaffe, rückt häufig auch die Preisentscheidung in den Hintergrund." In anderen Worten: Wer die Kundinnen und Kunden kompetent berät und überrascht, kriegt auch den Zuschlag gegenüber dem Internet. Selbst wenn es dort ein paar Euro günstiger ist. 

Benkos Sparkurs sieht man den Filialen an

In den Galeria- und Karstadt-Filialen hat sich in den vergangenen 30 Jahren hingegen wenig verändert. Noch immer reihen sich Süßigkeiten an Koffer und Unterwäsche. Und weiter oben konkurrieren Modemarken mit zeitloser Kleidung um die letzten verbliebenen Kunden auf der riesigen Fläche. "GKK hat seine Kosten unter René Benko massiv eingedampft. Das sieht man den Filialen an", sagt Berentzen. "Dieser Hebel ist nahezu ausgeschöpft. Gleichzeitig hat sich die Ertragsseite seit Corona aber kaum erholt. Da sieht es bei der Konkurrenz deutlich besser aus." Zwar habe der gesamte Markt für mittelpreisige Produkte zuletzt gelitten, GKK aber besonders stark.  

Immobilienexperte Lars Jähnichen von IPH Handelsimmobilien sieht auch in den Häusern von GKK ein Problem. "Handelsflächen werden allgemein horizontal und vertikal kleiner, die Lagen verkürzen sich und die Händler belegen weniger Geschosse. Das zeichnet sich bei GKK noch nicht ab." Daneben stimme die Lage häufig nicht mehr. "Die GKK-Filialen befinden sich zum überwiegenden Teil in mittelgroßen Städten. Diese Mittelzenten stehen heute eher für die qualifizierte Grundversorgung und deutlich weniger für den Modekauf", sagt Jähnichen. Hierfür würden die Einwohner in die Großstädte oder zu riesigen Shoppingzentren im Land reisen – wenn sie nicht gleich online bestellen. 

Interesse an Lagen bleibt

Auch Jähnichen sieht deshalb früher oder später ein Ende der meisten GKK-Filialen kommen –  nicht unbedingt an den Top-Standorten wie Hamburg, Frankfurt oder München, wohl aber in mittleren Städten. Für die Städte sei der Leerstand zwar kurzfristig ein Problem. Aber nur selten dürfte es zu einer solchen Hängepartie wie in Rheine kommen, so der Experte. Jähnichen und sein Team haben ermittelt, dass von den 52 zuletzt geschlossenen GKK-Filialen 30 Prozent abgerissen und 50 Prozent massiv baulich verändert worden sind. Dies begründe sich aus der veralteten Bausubstanz und der Mischnutzung, die auf das Warenhaus folgt, so Jähnichen.

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Die klassische Mischnutzung seien etwa Büros, Hotels oder Wohnflächen in den oberen Etagen, Handel im Erdgeschoss. Für Investoren sei das allerdings mit großen Risiken verbunden, da sich die Gebäude meistens in einem schlechten Zustand befänden. "Die Anlagentechnik in vielen Filialen ist eher etwa für das Deutsche Historische Museum als für die tägliche Nutzung", sagt Jähnichen. Deshalb kämen auch immer weniger regulierte Kapitalgesellschaften infrage. 

"Beschleunigte Genehmigungsverfahren für neue Konzepte"

Grundsätzlich, sagt Jähnichen, sei das Interesse an den Immobilien weiter ausreichend vorhanden, vor allem von einzelnen Family Offices aus den jeweiligen Städten oder internationalen Investoren. 

Kaum jemand rechne aber ernsthaft damit, die Gebäude in Gänze an einen Mieter weitervermieten zu können, so der Experte. Deshalb seien auch die Kommunen gefragt, um beschleunigte Genehmigungsverfahren für neue Konzepte zu ermöglichen. "Wenn ein Warenhaus schließt, ist Schnelligkeit gefragt. Gerade für die Genehmigung von Pop-up-Konzepten sollten wir vereinfachte, standardisierte Verfahren haben, um die Flächen wieder zügig zu bespielen, während die Vorbereitungen für die dauerhafte Nachnutzungen laufen." 

Dieser Artikel erschien zunächst bei Capital, das wie der stern bei RTL Deutschland gehört

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