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34-jähriger Attal zu Frankreichs neuem Premierminister ernannt

Stern 

Frankreich bekommt den jüngsten Premierminister seiner Geschichte: Der 34-jährige Gabriel Attal, bislang Bildungsminister, wurde am Dienstag zum Regierungschef ernannt, wie das Präsidialamt in Paris mitteilte. Attal wird damit der erste offen homosexuelle Politiker in dem Amt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beauftragte ihn zugleich mit der Bildung einer neuen Regierung. 

Die bisherige Premierministerin Elisabeth Borne war am Montag zurückgetreten. Die Amtsübergabe sollte am Nachmittag stattfinden. Anschließend wollte Attal als neuer Regierungschef die vom Hochwasser betroffenen Gebiete in Nordfrankreich besuchen. 

Bornes Amtszeit war von der ungeliebten Rentenreform und dem heftig umstrittenen Einwanderungsgesetz geprägt gewesen. Die Opposition warf ihr den häufigen Einsatz eines Verfassungsartikels vor, der lange parlamentarische Debatten vermied. 

Nach dem Abschied von der diskreten, aber effizienten Regierungschefin holt Macron sich nun einen aufstrebenden und beliebten jungen Politiker an seine Seite. Attal hat eine ungewöhnlich rasante Karriere hinter sich: Nach einem Studium an der Elitehochschule Sciences Po hatte er sich zunächst in der sozialistischen Partei engagiert und war dann einer der frühesten Weggefährten Macrons, als dieser seinen Wahlkampf für die Präsidentschaft begann. Mit 29 Jahren wurde er als Staatssekretär für die Jugend das jüngste Regierungsmitglied. 

Alle paar Monate stieg er weiter auf, wurde Regierungssprecher, beigeordneter Haushaltsminister und vor knapp einem halben Jahr schließlich Bildungsminister. In diesem Amt setzte er unter anderem ein Verbot der von manchen muslimischen Mädchen getragenen, langen Überkleider an Schulen durch. Außerdem sprach er sich für das probeweise Einführen von Schuluniformen aus - beides Anliegen, die vor allem der rechten Wählerschaft gefallen sollten. 

Als Bildungsminister bekannte Attal auch freimütig, dass er in seiner Jugend Mobbing erlebt hatte und wegen seiner Homosexualität und seiner jüdischen Herkunft angefeindet worden sei. Attal lebte zeitweise in einer eingetragenen Partnerschaft mit Stéphane Séjourné, der heute Chef der liberalen Fraktion im EU-Parlament ist. "Ein Paar im Herzen der Macht", titelte die Zeitung "Le Monde" 2021 ein Doppelporträt der beiden. Laut Attals jüngster Vermögenserklärung ist diese Partnerschaft inzwischen aufgelöst.

Attals Ernennung deutet darauf hin, dass Macron das unrühmliche Kapitel der gegen massiven Widerstand durchgesetzten Reformen des Rentensystems und der Einwanderungspolitik abschließen will. Das Profil Attals gleicht dem des Präsidenten vor wenigen Jahren. Macron war nur vier Jahre älter als Attal, als er 2017 erstmals die Präsidentschaftswahl gewann. 

Dabei geht Macron aber auch das Risiko ein, einem Politiker Platz einzuräumen, der schon jetzt beliebter ist als er selbst. Diese Situation hatte er bereits mit seinem ersten Premierminister Edouard Philppe erlebt, der bald darauf gegen den Technokraten Jean Castex ausgewechselt worden war. 

Doch mit Blick auf die EU-Wahl in einem halben Jahr dürfte Attals Medienwirksamkeit den Ausschlag gegeben haben. Schon als Schüler zeigte der Sohn eines Filmproduzenten sich schlagfertig und souverän vor Kameras.

Die Opposition reagierte kritisch bis höhnisch auf die Ernennung. "Attal wird erneut Regierungssprecher. Das Amt des Premierministers entfällt damit", kommentierte der linkspopulistische Parteichef Jean-Luc Mélenchon. Der rechtspopulistische Abgeordnete Sébastien Chénu sah in der Ernennung des sehr jungen Regierungschefs eine Antwort auf den 28 Jahre alten Chef der Partei Rassemblement National, Jordan Bardella. "Die Regierung nähert sich uns in Inhalt und in Form an", sagte er. 

Im Regierungslager gab es erwartungsgemäß viel Lob: Attal stehe für "neuen Schwung", betonte Sylvain Maillard, Vorsitzender der Fraktion Renaissance. 

Attals erste Aufgabe als Regierungschef besteht nun darin, seine Regierungsmannschaft neu zusammenzustellen. Diese ist in den vergangenen Tagen aber vermutlich längst hinter den Kulissen ausgehandelt worden.

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