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Hintergrund: Die Konsequenzen der Rabattschlacht bei Elektromobilen: Fataler Dominoeffekt

Stern 
Hintergrund: Die Konsequenzen der Rabattschlacht bei Elektromobilen: Fataler Dominoeffekt

Nach dem plötzlichen Wegfall der privaten Förderung für Elektroautos springen die Autobauer zeitlich begrenzt in die Presche und übernehmen die Kosten. Hinter der scheinbaren Wohltätigkeit steckt aber ein knallhartes unternehmerisches Kalkül. Doch jetzt senkt der chinesische Hersteller BYD die Preise seiner BEVs dauerhaft und tritt damit eine verhängnisvolle Kettenreaktion los.

Die Gesetze der Marktwirtschaft sind unerbittlich. Wenn eine Ware nicht gefragt ist, gibt es verschiedene Wege, sie für den Kunden interessant zu machen. Eine davon ist, den Preis zu senken. Klingt eigentlich ganz logisch. Doch wenn es sich um Elektroautos handelt, wird die Sache noch einmal heikler. Nicht jeder Hersteller schafft es, wie Tesla die Marge hochzuhalten. Angesichts des nach wie vor trüben Wirtschaftsklimas macht die Sache nicht einfacher. Die Produktion der Stromer ist aktuell teurer als die vergleichbarer Fahrzeuge mit Benzinmotor. Die Tatsache, dass manche Autobauer ihre E-Mobile dennoch günstiger anbieten als einen Wagen mit konventionellem Antrieb, bezeichnete der Mercedes-Finanzvorstand Harald Wilhelm im Oktober vergangenen Jahres laut der Nachrichtenagentur Reuters als „brutal“.

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Zwischenzeitlich hat sich die Lage noch einmal verschärft, da die private Förderung für Elektroautos im Dezember 2023 abrupt ausgelaufen ist. Schon in diesem Monat wurden fast 55.000 Stromer weniger zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Ein sattes Minus von rund 47 Prozent. Doch die Auswirkungen der Förderungsbremse sind damit noch kaum erkennbar, da die meisten Autos zuvor bestellt wurden. Die Situation für die Automobilhersteller ist prekär. Die Kunden kalkulieren den Zuschuss beim Kauf eines Elektroautos mit ein und wollen keinesfalls für das gleiche Auto ein paar tausend Euro mehr bezahlen als der Nachbar, der früher dran war. Um den Absatz nicht vollends einbrechen zu lassen, springen die Autobauer für den Wegfall der staatlichen Förderung in Presche. Viele wollen das Füllhorn aber nur zeitlich begrenzt ausschütten, meistens bis Ende März dieses Jahres. VW senkt die Preise seiner ID-Modelle zwischen 4.760 Euro (ID.7 Pro) bis zu 7.735 Euro (ID.4. ID4 GTX, ID.5). Interessanterweise hobeln die Wolfsburger Vertriebsexperten beim ID.3 Pro 7.020 Euro weg, beim ID.7 Pro sind es allerdings 2.260 Euro weniger. Auch beim ID.3 Pro S lässt VW nur 5.335 Euro nach.

Der Grund dieser heterogenen Preisgestaltung könnte die Tatsache sein, dass die Hersteller bereits in Verkaufsprogrammen vorgesehene Nachlässe jetzt prominenter verkaufen. Gerade der Absatz des VW ID.3 geht nicht gerade durch die Decke. Im Dezember 2024 übergaben die VW-Händler gerade mal 1.573 Einheiten des kompakten BEVs an die Kunden. Das sind 77,1 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Der ID.3 ist weit davon entfernt, der Golf der Stromer zu werden. Über das Jahr 2023 gesehen, gingen die Verkäufe um circa 4,4 Prozent zurück. Also kann das schwächelnde Modell einen Anschub in Form von Preisnachlässen gebrauchen. Wenn man die ohnehin schon geplanten Rabatte als Kundenservice verkaufen kann, lachen die Herzen der Vertriebler. Schließlich schlägt man so zwei Fliegen mit einer Klappe.

Die Angst geht um in den Konzernzentralen. Einmal beim Preis nachgelassen, kann man diesen nicht wieder auf das ursprüngliche Niveau erhöhen und ein Elektromobil wirft noch weniger Gewinn ab. Ein Teufelskreis. Im Konzernsprech klingt das natürlich anders. „Unser Ziel ist klar: Wir wollen nachhaltige Mobilität für möglichst viele Menschen zugänglich machen. Deshalb haben wir zu Jahresbeginn in Deutschland die Aktion „Volkswagen Umweltprämie“ gestartet. Damit unterbreiten wir unseren Kundinnen und Kunden attraktive Angebote für unsere vollelektrischen ID. Modelle, die bis Ende März gültig sind“, sagt VW-Vertriebsvorständin Imelda Labbé.

Doch jetzt BYD einen fatalen Dominoeffekt losgetreten, indem der chinesische Hersteller die Preise seiner Modelle dauerhaft um fünf bis 14,9 Prozent senkt. Damit kostet der kompakte BYD Dolphin 32.990 Euro und die 4,80-Meter-Limousine Seal Excellence 50.990 Euro. BYD will in Europa Fuß fassen, koste es, was es wolle und hat damit eine Rabattschlacht eröffnet, der sich die anderen Autobauer nur schwerlich entziehen können. Renault hat den Preis für Megane E-Tech auf 35.600 Euro gekappt. Das nächste Kampfpreis-Modell steht schon in den Startlöchern. „Stellantis verfolgt das Ziel, Elektromobilität erschwinglicher zu gestalten. Die Marke Citroën hat bereits im Herbst letzten Jahres den neuen ë-C3 vorgestellt, ein vollelektrisches und familientaugliches Fahrzeug, das schon bei 23.300 Euro startet“, erklärt Lars Bialkowski, Deutschland-Chef von Stellantis. Für Andreas Radics ist der Preiskampf ein ganz normaler Prozess. „Die E-Mobilität ist in der Breite angekommen und damit in der für die Autoindustrie üblichen Rabattierung. Damit war zu rechnen, nachdem der erste Hype abgeklungen ist. Die Zahl der verfügbaren Modelle wächst ebenso, wie die der Hersteller, die in den Markt drängen, in der Folge steigt der Druck auf alle Beteiligten und die Preise geben nach. Vor allem Modelle, deren Design nicht voll überzeugen kann oder deren Technologie nicht mehr auf dem letzten Stand ist, sind nicht mehr zum UVP an die Kunden zu bringen“, so der Analyst der Münchner Unternehmensberatung Berylls.

Die Zurückhaltung, dem Kunden langfristig die begehrten Rabatte zu gewähren, kommt nicht von ungefähr. Bei den eng gestrickten Geschäftsmodellen muss irgendwann mal Geld in die Kassen fließen. Im Grunde geht es um jeden Cent. Das weiß niemand besser als Audi, die beim Thema Preissenkung zurückhaltend reagieren. „Grundsätzlich handeln wir in unserer Preispolitik stabil und nachhaltig, weshalb wir aktuell keine dauerhafte Senkung der Preise planen. Incentives setzen wir mit Augenmaß ein. Dadurch sichern wir eine wertorientierte Angebotsstruktur, die sich an den Kundenbedürfnissen orientiert. Trotz dessen beobachten wir die individuellen Marktsituationen natürlich sehr genau“, heißt es aus Ingolstadt. Hyundai mauert und bedauert, sich derzeit nicht äußern zu können. Vor allem die zukünftige Preisgestaltung scheint dem koreanischen Hersteller schwer im Magen zu liegen. Damit stehen die Asiaten aber nicht alleine da. Wie lange die Preis-Dämme der etablierten Hersteller dem Druck aus China noch standhalten werden, wird sich zeigen.

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