Handball-EM: Vielseitiger Ausnahmespieler: Warum Julian Köster ein Mann für die entscheidenden Momente ist
Julian Köster ist eines der vielversprechendsten Talente im deutschen Handball, was er bei der Europameisterschaft einmal mehr beweist. Für den Endspurt der Hauptrunde baut Trainer Alfred Gislason auf den 23-Jährigen. Dass Köster Crunchtime kann, hat er bereits gezeigt.
Schlagwürfe, Sprungwürfe oder Durchbrüche im Eins-gegen-eins – Julian Köster schöpft handballerisch aus einem vielseitigen Repertoire. Gegen Ungarn kam der 23-Jährige auf acht Treffer, im gesamten Turnier erzielte er 24 Tore in sechs Spielen. Während die Leistungen von Andi Wolff und Juri Knorr bislang meist im Fokus standen, rückt Julian Köster zunehmend ins Rampenlicht.
Das liegt vor allem daran, dass der Kapitän des VfL Gummersbach trotz seines jungen AltersMut auf die Platte bringt. Gleich zu Beginn des Turniers nahm er sich immer wieder Würfe und ließ sich von Fehlversuchen nicht beirren. Damit sorgt der Zwei-Meter-Mann für Durchschlagskraft im deutschen Angriffsspiel. Sein härtester Wurf bei dieser Handball-EM schlug mit 126,32 Stundenkilometern im gegnerischen Torein.
Dass Julian Köster privatein eher ruhiger Typ ist, merkt man dem 23-Jährigen auf dem Handballfeld kaum an. Wenn es bei anderen Spielern an die Substanz geht, sprüht Köster noch vor Energie. Etwa als er sich in der letzten Minute des Hauptrunden-Spiels gegen Island durchtankte und den Ball in die Maschen schleuderte. Die Crunchtime-Mentalität des gebürtigen Bielefelders könnte bei dieser Handball-EM noch entscheidend werden.
Alfred Gislason über Julian Köster: "In seiner Generation gibt es weltweit keinen wie ihn"
Sein Länderspiel-Debüt gab der damals 21-Jährige im November 2021 beim Testspiel gegen Portugal in Luxemburg. Bei seiner ersten Handball-EM im Januar 2022 in Ungarn und der Slowakei machte er gleich auf sich aufmerksam. Glänzte Köster zu Beginn noch überwiegend durch seine Tore, baut Trainer Alfred Gislason mittlerweile auch in der Verteidigung auf den Hünen. Gemeinsam mit Johannes Golla stellt Julian Köster den Innenblock, wo er sich nach eigener Aussage besonders wohl fühlt. "Das ist die zentrale Abwehrposition, da steuert man die Abwehr mit. Man hat natürlich viel zu tun, aber das macht auch sehr viel Spaß, finde ich", sagte Köster im DHB-Interview.
Das Verteidigungsspieldes gebürtigen Bielefelders ist jedoch nicht auf den Innenblock begrenzt. Lässt Trainer Gislason eine offensive Abwehrformation spielen, etwa die sogenannte 3-2-1, kann Julian Köster auch an der Spitze spielen. Trotz seiner Größe verfügt der Rückraum-Linke über eine erstaunliche Flexibilität. Seine schnelle Beinarbeit in Kombination mit seinen langen Armen ermöglicht es ihm, die gegnerischen Rückraumspieler in Bedrängnis zu bringen, auf Querpässe zu spekulieren und davon möglichst viele abzufangen.
Nicht zuletzt aufgrund dieser Fähigkeiten ist Alfred Gislason von Köster überzeugt. "In seiner Generation gibt es weltweit keinen, der die gleichen Eigenschaften hat wie er. Er ist in seinen jungen Jahren schon Weltklasse. Was ihn extrem wertvoll macht: Er ist sehr gut darin, seinen Gegner zu lesen. Für seine Fouls bekommt er fast nie zwei Minuten", lobte der Bundestrainer den 23-Jährigen im ZDF-Interview zu Beginn der EM. Anschließend bestätigt Gislason, dass er Köster als seinen insgeheim wertvollsten Spieler bezeichnen würde. Ein solches Lob verteilt der Isländer sonst selten.
Loyal gegenüber dem VfL Gummersbach trotz zahlreicher Angebote
Aufgrund seines Talents haben einige Top-Klubs Köster schon länger auf dem Zettel. In der Vergangenheit wurde er immer wieder mit Rekordmeister THW Kiel in Verbindung gebracht. Doch Köster entschied sich gegen einen Wechsel an die Förde, verlängerte stattdessen im Sommer 2023 vorzeitig beim VfL Gummersbach – ohne Ausstiegsklausel und bis 2026. Bei den Oberbergernkönnte der 23-Jährige in den nächsten Jahren einer der prägendsten Spieler werden. Ob der VfL Julian Köster darüber hinaus an sich binden kann, wird sich zeigen. Denn nach dieser Handball-EM wird er wohl auf noch mehr Zetteln stehen.
Allerdings ergeben sich beim VfL Gummersbach aktuell spannende Perspektiven. Der Traditionsverein konnte sich seit dem Wiederaufstieg zur Saison 2021/22 wieder in der Handball-Bundesliga, die als "stärkste Liga der Welt" gehandelt wird, etablieren – und steht aktuell auf Tabellenplatz sieben. "Teil der VfL-Familie zu sein macht mich sehr glücklich und ich hoffe, zur Entwicklung des Vereins beitragen zu können", so Julian Köster nach seiner Vertragsverlängerung. Zudem steht der VfL laut übereinstimmenden Medienberichten in Kontakt mit Frankreichs Nationalspieler Kentin Mahé. Eine Achse aus Mahé und Köster wäre durchaus eine Bereicherung für das deutsche Oberhaus.
An diesem Mittwoch können die Deutschen im Spiel gegen Kroatien (20.30 Uhr, ARD) das Halbfinal-Ticket lösen. Dank des 35:28-Erfolgs gegen Ungarn und Österreichs Niederlage gegen Frankreich hat das Team von Alfred Gislason den Einzug in die Runde der letzten Vier nun wieder in eigener Hand. Für die Kroaten geht es indes um nichts mehr. Durch den komplizierten Turniermodus könnte die Mannschaft um THW Kiel-Star Domagoj Duvnjak sogar von einer Niederlage profitieren, um sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.
Von derartigen Konstellationen wollen Julian Köster und seine Teamkollegen aber nichts wissen. "Die Kroaten sind ein unfassbar starkes Team – das hat man gesehen. Sie schlagen direkt zum Auftakt Spanien. Das wird genauso ein Kampf wie in den anderen Spielen. Daher müssen wir wieder alles 60 Minuten auf der Platte lassen", betonte der 23-Jährige im ZDF. Im Halbfinale träfen die Deutschen auf den amtierenden Weltmeister aus Dänemark. Für Julian Köster wäre das erneut eine Chance, sich mit den Besten seines Sports zu messen und seine internationale Klasse unter Beweis zu stellen.