Aktuelle Laufschuhe: Der Clou mit dem "U": Wie revolutionär ist der U-Tech Nevos 3 von True Motion?

Den Laufschuh neu zu erfinden, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Drei Visionäre aus Köln sehen das anders. Mit viel Know-how, einer großen Portion Neugier und noch mehr Leidenschaft tüfteln sie seit ein paar Jahren am besten Laufschuh der Welt. Der stern ist den neuen True Motion Nevos 3 Probe gelaufen.

Nicht weniger als eine Revolution wollten die Köpfe hinter True Motion vor einigen Jahren anzetteln. Eine Revolution auf dem Laufschuhmarkt. Wer öfter als einmal pro Woche laufen geht, dürfte an dieser Stelle nur kurz mit den Schultern zucken. Auch ich habe irgendwann aufgehört, die Revolutionen mitzuzählen. 

Große Ohren bekam ich zuletzt, als der US-Schuhriese mit dem legendären Swoosh im Herbst 2019 eine beispiellose Promo-Aktion startete. In einem wahrhaft futuristischen Schuh namens "AlphaFly" und unter weitgehend klinischen Bedingungen lief der Kenianer Eliud Kipchoge in Wien als erster Mensch der Welt den 42,195 Kilometer langen Marathon unter zwei Stunden. Ohne in die Tiefe zu gehen: In der Zwischensohle dieses sogenannten "Wunderschuhs" wurde mit Kohlefaser (auch Carbon genannt) gearbeitet – oder besser gesagt nachgeholfen. Die Sohle im Rück- und Mittelfuß ist extrem dick, weich und flexibel, sodass Läufer bei jedem Schritt Energie "zurückbekommen" sollen. Mir war schnell klar, dass wir uns hier in der wundersamen Welt des Leistungssports bewegen und auch diese biomechanische Revolution für die bescheidenen Ziele eines Hobbyläufers komplett irrelevant ist. Der Preis des Nike "AlphaFly 3" liegt übrigens deutlich jenseits der 300 Euro. 

Doch zurück zu True Motion und drei Visionären, die auszogen, um die Läuferszene aufzumischen.

True Motion Nevos

True Motion: Die Vision des Unmöglichen

Etwa ein Jahr vor Kipchoges Rekordlauf kreuzten sich über Umwege und Zufälle 2018 die Wege von Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann und Andre Kriwet. Und wie schon viele andere vor ihnen geht das Duo seitdem voller Euphorie und Leidenschaft der Frage aller Fragen nach: "Wie baut man den besten Laufschuh des Planeten?" Brüggemann ist ein international anerkannter Wissenschaftler mit jahrzehntelanger Erfahrung. Spezialgebiet: Biomechanik. Kriwet kreiert schon lange Laufschuhe, entwickelte und tüftelte unter anderem für die Platzhirsche Brooks und Nike. Komplettiert wird das Laufschuh Start-up aus Köln von Christian Arens, leidenschaftlicher Hobbyläufer und kaufmännischer Kopf von True Motion. 

>> True Motion U-TECH Nevos 3 Damen <<

Seit fünf Jahren rauchen die Köpfe. Und man schlug dabei vom Start weg einen eher ungewöhnlichen Weg ein. Denn True Motion sollte ohne externe Finanzierung den Laufschuhmarkt erobern. Bootstrapping nennt man dieses Modell der Existenzgründung. Und so mutig wie das Trio kaufmännisch agierte, so unkonventionell entwickelte man auch die Idee vom perfekten Laufschuh.

Nevos Elements

Auf weichen Sohlen: Das ist die Idee von True Motion

Abkupfern ist nicht nur im Laufschuhbereich der einfachste, aber zugleich einfältigste Weg zum Erfolg. Auch True Motion ist diesen Weg gegangen. Allerdings haben Prof. Brüggemann und Andre Kriwet nicht etwa die Ideen der (überwiegend übermächtigen) Mitbewerber kopiert. Stattdessen spickten sie bei Mutter Natur und zwar bei der menschlichen Anatomie: Die Fersen und der Meniskus sind u-förmig, um Knie und Fuß zu stabilisieren. Diese markante U-Form macht der Hersteller zunutze. Die Sohle wurde sowohl am Vorfuß als auch an der Ferse in der Form eines Hufeisens (U-Form) konstruiert. Und zwar vom ersten marktreifen Schuh bis zum aktuellen Topmodell, dem U-Tech Nevos 3, den True Motion dem stern zum Testen zur Verfügung gestellt hat. In Knie und Ferse sind U-Formen dabei weich. Und Sie ahnen es bereits: Auch das hat sich True Motion beim Entwickeln seiner Laufschuhe zu eigen gemacht. Insbesondere das "U" unter der Ferse ist aus sehr weichem Schaum gefertigt, der sich Thermoplastisches Polyurethan (TPU) nennt.

Was will True Motion mit diesen aus der Natur adaptierten Strukturen erreichen? Die Kernidee der Kölner ist, den Fokus weg vom Sprunggelenk auf die gesamte Beinachse zu legen. Im Idealfall sollen Läufer beim Fußaufsatz stabil und mittig in die u-förmige Sohlenkonstruktion an der Ferse einsinken. Und zwar so zentriert, dass es nur eine untergeordnete Rolle spielt, ob man beim Abrollen mit dem Bein gewöhnlich nach außen (Supinierer) oder übermäßig nach innen (Überpronierer) wegknickt. Diese Fehlbewegungen werden bei den allermeisten Laufschuhen durch entsprechend platzierte Stützen korrigiert. Diese technische Korrektur wollten Brüggemann und Kriwet bei ihren Schuhen vermeiden.

Und sonst?

Das responsive TPU unter der Ferse soll einen weiteren Vorteil bringen. Laut True Motion profitieren Läufer vom sogenannten Trampolin-Effekt. Etwas vereinfacht erklärt, speichert der elastische Schaum der Hufeisen-Sohle beim Fußaufsatz einen Teil der aufgewendeten Energie und gibt sie im Moment des Abdrucks vom Boden wieder frei. Eine Art Energie-Rückgewinnung, die auch den eingangs erwähnten "Wunderschuhen" aus Oregon nachgesagt wird. Beim Nevos 3 soll die sogenannte Motion Bridge unter dem Mittelfuß diese Energie auf den Vorfuß transferieren. Denn dort wird sie beim Abdruck gebraucht. So viel zur Theorie. 

True Motion U-Tech Nevos 3: Die Fakten

Obermaterial: Mesh
Gewicht: 308 Gramm (UK 9.5)
Sprengung (lt. Hersteller): 10 Millimeter
Farben: je zwei für Herren und Damen, Unisex (weiß)
Untergrund: Asphalt, befestigte Wege
UVP: 160 Euro
Markteinführung: 01.12.2023

>> Hier gibt's den True Motion U-TECH Nevos 3 Unisex <<

True Motion U-Tech Nevos 3: Der Test

1. Optik

Etwas unpassend zum nasskalten Hamburger Winterwetter kam unser Testschuh im strahlenden Weiß der Unisex Variante des neuen Nevos 3 (True Motion hat für Frauen und Männer jeweils zwei weitere Designs im Angebot). Der Schuh wirkt auf den Blick etwas klobig, was vor allem an der massiven Sohlenkonstruktion im Fersenbereich liegt. Mit einem Gewicht von etwa 300 Gramm pro Schuh kann er aber locker mit vergleichbaren Mitbewerbern mithalten. Die Materialien wurden akkurat verarbeitet und miteinander verbunden, auch die Designer haben mit ihren grafischen Akzenten in Anthrazit aus unserer Sicht ganze Arbeit geleistet. Das dezente und griffige Profil deutet auf einen Schuh für die Straße oder zumindest befestigte Wege hin. Die Specksohlen-Optik ist Geschmacksache.

>> True Motion U-TECH Nevos 3 Herren <<

2. Laufgefühl

Wie hat sich der Nevos 3 nun in Action geschlagen? Wir sind den Allrounder etwa 50 Kilometer gelaufen – überwiegend auf Asphalt und festen Wald- und Parkwegen. Schon beim Hineinschlüpfen fiel auf, wie weich der Nevos 3 ausgepolstert ist. Das fühlte sich vor allem an der Ferse und im erfreulich großzügigen Vorfußbereich sehr bequem und gut an. Für einen Laufschuh und den Geschmack des etwa 80 Kilo schweren Testers vielleicht einen Tick zu sehr nach Sofa. Und das wohlige Gefühl wollte auch bei den ersten "Gehversuchen" nicht verfliegen. Im Gegenteil: Die Sohlenkonstruktion ist derart hoch und weich, dass man selbst beim wenig dynamischen Gehen deutlich spürbar mit der Ferse federt. Eine komplett neue Erfahrung – insbesondere für Läufer, die mit Dämpfung vorher nichts am Hut hatten. Und das leicht sonderbare (und Dämpfungsmuffel komplett neue) Gefühl wird man auch auf den ersten etwas schnelleren Metern im Nevos 3 nicht los. Beim Aufsetzen versinkt der Fuß im weichen Fersenpolster, kämpft sich aber mit dem Abdruck heraus und schiebt tatsächlich spürbar an. Bei überschaubarem Tempo (zwischen 5:30 und 6 Min. pro Kilometer) kam diese Rückmeldung vor allem auf asphaltierten Fußwegen. Auf von Regen durchtränkten weichen Parkwegen verpuffte dieser interessante Effekt der Energie-Rückgewinnung. Dem Laufspaß tat das aber keinen Abbruch (mit etwas mehr Trainingskilometern in den Beinen hätte es womöglich noch größeren Spaß gemacht).

True Motion Nevos Falke Laufsocken

3. Fazit

Viel mehr Komfort geht nicht. Mittelfuß- und Fersenläufer:innen werden am Nevos 3 viel Freude haben. Wer bisher schon mit eher weichen Schuhen unterwegs war, dürfte sich im üppig gepolsterten Innenraum besonders wohlfühlen. Das Hufeisen unter der Ferse ist speziell. Wenig überraschend profitieren vor allem Fersenläufer von dieser besonderen Sohlenkonstruktion und dem kleinen Extra-Kick in der Abdruckphase. Insgesamt ein stabiler, optisch attraktiver und komfortabler Schuh für alle, die Spaß am Laufen haben. 

Vielleicht keine Revolution, aber in jedem Fall ein spannender Impuls, der einmal mehr Bewegung in den Laufschuhmarkt bringen könnte.  

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