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Inter Miami: Die Causa Messi: Wie ein Vorbereitungsspiel in Hongkong zum PR-Desaster wurde

Stern 

Mit Inter Miami tourte Lionel Messi in der Vorbereitung zur neuen Saison in den USA einmal um die Welt. Nur in Hongkong steht der Weltstar nicht auf dem Platz – und löst damit eine diplomatische Krise inklusive Verschwörungstheorien aus.

Die Bühne war geschaffen für den Mann, den alle sehen wollten. In der Bucht von Hongkong schipperten Dschunken mit dem Gesicht Lionel Messis auf dem Segel, das Stadion trotz Ticketpreisen bis zu 115 Euro mit 40.000 Plätzen ausverkauft. Beim öffentlichen Training schauten Zehntausende zu, auch das Teamhotel von Inter Miami wurde regelrecht belagert. Sie alle waren gekommen, um den vielleicht besten Fußballer seiner Generation im Spätherbst seiner Karriere einmal live zu sehen. 

Nur: Lionel Messi stand beim Freundschaftsspiel gegen eine Lokalauswahl nicht auf dem Spielfeld, sondern saß die kompletten 90 Minuten auf der Bank, eine Verletzung setzte den Superstar außer Gefecht. Dass mit Sergio Busquets, Luis Suarez und Jordi Alba ehemalige Barca-Stars im Kader des US-Teams standen und zumindest in der zweiten Halbzeit spielten? Den Fans war das vollkommen egal, der Personenkult um den argentinischen Nationalspieler war wichtiger als das Spiel selbst. Messis Fehlen führte dazu, dass der Superstar und sein Team Anfang Februar beim Stopp von Inter Miami auf der internationalen Tour in Hongkong von den Besuchern gnadenlos ausgebuht wurden. Es kam sogar zu einer diplomatischen Krise.

Kommentar Messi 12.09

Lionel Messi in Hongkong: Sportminister spricht von Vertragsbruch

"Wir haben noch während der Partie hinterlegt, dass Messi auflaufen soll", erklärte Hongkongs Sportminister Kevin Yeung. Vertraglich sei Miami verpflichtet gewesen, Messi 45 Minuten spielen zu lassen. "Wir haben sie gebeten, nach anderen Lösungen zu suchen, beispielsweise, dass Messi auf dem Feld erscheint und eine Trophäe entgegennimmt." Doch auch das habe nicht geklappt. Unmittelbar nach dem Spiel erwog die Regierung, die Förderung der Veranstaltung in Höhe von 16 Millionen Hongkong-Dollar (rund 1,9 Millionen Euro) zu kürzen. Der Veranstalter kündigte später an, Teile des Eintrittsgeldes zurückzuzahlen. Die "South China Morning Post" bezeichnete den Ausfall des Weltfußballers als "größte Enttäuschung aller Zeiten".

Der Trip nach Hongkong geriet zum PR-Desaster für das US-Team. Von Seiten des Vereins gab es keinerlei Stellungnahme zu den Vorkommnissen, stattdessen mussten Messi und Trainer Gerardo Martino die Situation erklären. Während der Veranstalter seine "extreme Enttäuschung über die Nichtteilnahme von Lionel Messi und Luis Suárez" kundtat und betonte, keine Informationen über den gescheiterten Auftritt gehabt zu haben, erklärte der argentinische Trainer Gerardo Martino, er habe Messi und Suárez schonen wollen. Die enttäuschten Fans bat er um Verzeihung. Bis heute findet sich nur eine Zusammenfassung des historischen Vorrunden-Trips um die Welt auf der Seite von Inter Miami. Dass Messi zur Teilzeitkraft wurde, bleibt gänzlich unerwähnt.

Ob er Argentinier überhaupt Lust hatte auf das Rampenlicht, ist eine andere Frage. Der in Hongkong forschende Sportsoziologe Tobias Zuser sagte dem Deutschlandfunk, dass sich Messi allgemein sehr zurückgehalten habe. "Man wollte Messi auch einladen, dass er die Baustelle vom neuen Stadion besucht. Also, er wurde auch so gesehen als fast schon offizieller Repräsentant. Und eventuell ist das auch eine Rolle, die er nicht wirklich haben wollte", sagte Zuser.

Capital Die Marke Messi und Miami 17.34

Auch Tage nach der Partie Anfang Februar verrauchte der Ärger nicht. So spekulierte die einflussreiche chinesische Boulevardzeitung Global Times, dass ausländische Mächte sich verschworen hätten, um dem Ruf Honkongs zu schaden. Es gebe die Theorie, dass Messis Fernbleiben vom Spielfeld politische Motive habe, da Hongkong versucht habe, mit dem Event die Wirtschaft anzukurbeln, berichtete das Blatt. Dass Argentiniens neuer Präsident Javier Milei im Januar ankündigte, nicht wie von seinen Vorgängern geplant dem Brics-Staatenbündnis, in dem China die führende Rolle spielt, beizutreten und auch während seines Wahlkampfs betonte, die engen Verbindungen zum Reich der Mitte zu kappen, dürfte nicht unwesentlich zu dieser Theorie beigetragen haben.

Öl ins Feuer gossen Messi und Inter Miami dann auch noch selbst, als Messi nur wenige Tage später beim Freundschaftsspiel gegen Vissel Kobe in Japan 30 Minuten auf dem Feld stand. In sozialen Medien riefen chinesische Fans anschließend dazu auf, Sponsoren Messis zu boykottieren. Auch der chinesische Fußballverband reagierte auf die Entwicklungen und kündigte die Zusammenarbeit mit dem argentinischen Verband und sagte zwei von Argentinien für März in China geplante Freundschaftsspiele kurzerhand ab.

Lionel Messi versucht Wogen zu glätten

Mehr als zwei Wochen nach dem Vorfall sah sich der 36-Jährige in der Nacht zu Dienstag genötigt, für eine Klarstellung zu sorgen: "Ich wollte dieses Video aufnehmen, um euch die wahre Version der Geschichte zu geben, damit niemand mehr weiter falsche Geschichten lesen muss", erklärte Messi in einem Video, das auf der chinesischen Plattform Weibo gepostet wurde. Dass er aus politischen oder anderen Gründen nicht gespielt habe, sei "total falsch", sonst wäre er auch nicht nach Japan oder China gereist. Messi erklärte sein Fehlen, wie schon auf einer Pressekonferenz in Japan, mit Adduktorenbeschwerden. "Ich habe alles getan, was ich konnte. Aber ich konnte nicht spielen. Ich fühlte mich unwohl und es bestand die Gefahr, dass es schlimmer werden würde", erklärte Messi. Nur, weil er sich ein paar Tage später besser gefühlt habe, habe er in Japan gespielt. In China aber wollte man von dieser Klarstellung wenig hören. So berichtet die "South China Morning Post", dass die Reaktionen auf das Video eher negativ waren, viele Chinesen sich wünschten, dass Messi sich entweder richtig entschuldige oder einfach gar nicht mehr nach China komme.

Messi Fußballer in den USA 17.30

Der Vorfall in Asien zeigt ein weiteres anderes auf: Messi ist zum Aushängeschild eines Klubs und einer Liga geworden, die über ihre Verhältnissen leben. Seit Januar ging Inter Miami auf eine Welttournee, ein Klub, der 2018 gegründet wurde und erst seit 2020 in der Major League Soccer spielt. Außer einem Titel im Leagues Cup, einem Pokalwettbewerb zwischen der US- und der mexikanischen Liga, steht bis dato herzlich wenig in der Vita des Vereins. Den Pokal gewann Miami aber im vergangenen August. Der Torschütze im Finale: Lionel Messi. 

Eine Welttournee ohne den Weltstar hätte da vermutlich keinen Sinn gemacht, außer den weiteren drei ehemaligen Barca-Granden Alba, Busquets und Suarez hat Miami einen Kader, der höchstens Insidern bekannt sein dürfte. Und so ging es in der Serie der Vorbereitungsspiele über Mittelamerika, Saudi-Arabien, Hongkong und Japan auch noch nach Argentinien zu Messis Jugendverein Newell’s Old Boys. Einmal um die Welt mit sieben Testspielen in 27 Tagen, Jules Verne wäre stolz auf diese Leistung. Weniger stolz dürfte man in Miami auf die Leistung der Mannschaft gewesen sein. Gegen Al-Nasr, dem Verein vom ewigen Messi-Konkurrenten Cristiano Ronaldo, ging Miami 0:6 baden, auch gegen Al-Hilal, in Japan und beim Spiel in Dallas gab es eine Niederlage. Nur einen Sieg feierte der Verein aus Florida in der Vorbereitung. 4:1 gewann Miami ausgerechnet in Hongkong. Es war das einzige Spiel, in dem Messi nicht zumindest ein paar Minuten mitspielte. Und vermutlich das einzige, das nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.

Quellen: Sky, dpa, afp, reuters, zdf, Spiegel, Deutschlandfunk, South China Morning Post

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