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Rassismus: "Jim Knopf"-Bücher: Warum die Streichung des "N-Wortes" nicht genug ist

Stern 
Rassismus:

Unsere Autorin ist kein Fan von den "Jim Knopf"-Büchern. Dass das "N-Wort" darin nun gestrichen wird, hält sie für längst überfällig und plädiert für mehr Verantwortung bei Kinderbüchern.

Immer wenn ich mich über rassistische Aussagen oder Verhaltensweisen ärgere und darüber berichte, um möglicherweise die Augen öffnen zu können, mache ich das unter meinem Namen und kennzeichne das Ganze als "Meinung". Mein ehemaliger Chef sagte mir allerdings einmal dazu: "Rassismus ist keine Meinung und der Kampf dagegen auch nicht. Er ist selbstverständlich."

Bei vielen Menschen ist das leider immer noch nicht angekommen. Sie halten es für "Meinungsfreiheit", beispielsweise das "N-Wort" zu nutzen, Blackfacing zu betreiben, oder, oder, oder. "Man muss sich ja nicht alles verbieten lassen" heißt es dann. Nur ist das falsch. Die Nutzung des "N-Wortes" ist nicht nur rassistisch, sie ist gefährlich. Dass das Wort nun in den Büchern von "Jim Knopf" gestrichen wurde, sollte nicht beklatscht werden. Es ist eine längst überfällige Änderung. Viel mehr sollten wir uns fragen, warum das überhaupt zur Diskussion stand und das Wort noch gedruckt werden durfte. 

Der Verlag rechtfertigt das so: Autor Michael Ende habe das Wort "bewusst nur Herrn Ärmel in den Mund gelegt, um auf die fehlende Weltoffenheit dieses typischen Untertans hinzuweisen". Eine unnötige und hinderliche Rechtfertigung. Das ändert nichts daran, dass zahlreiche Kinder das Wort hören und für selbstverständlich halten. Mehr noch: dass es womöglich in deren Sprachgebrauch auftaucht, wenn es nicht zuvor − hoffentlich! − von den (vorlesenden) Elternteilen eingeordnet und besprochen wird. Jim Knopf Neuausgabe

Jim Knopf: Gefährliche Klischees werden weitergetragen

So erhält Diskriminierung Schwarzer Menschen Einzug in Kinderköpfe, die ansonsten gar nicht daran denken würden. Dass es Rassismus gibt, dass es Sklaverei gab, sollten auch Kinder wissen. Aber sie sollten es nicht durch überzogene und verletzende Klischees und überzeichnete Charaktere erfahren. Kinder sollten vernünftig über Rassismus aufgeklärt werden, sobald sie die Thematik verstehen, etwa im Geschichtsunterricht. Sie sollten sie aber nicht unbewusst weitertragen, indem sie nicht an die Zeit angepasste Bücher lesen, die fragwürdige Narrative beinhalten.

Die "Jim Knopf"-Bücher lassen insbesondere Schwarze Kinder über ihr Aussehen nachdenken. In Kinderbüchern sollten sich diverse Charaktere auf Augenhöhe begegnen, so dass sich jede:r in irgendjemandem davon wiederfindet. Sprache sollte völlig frei von Diskriminierung sein, und die Geschichte sollte inspirieren und stärken − und zwar jedes Kind, das sie liest. 

Ja, die Änderung der Beschreibungen sowie Illustrationen und das Weglassen des "N-Wortes" helfen. Dass aber noch Bücher mit alten Illustrationen und möglicherweise noch dem "N-Wort" kursieren, ist fatal. Alle, die sie in die Hände bekommen, sollten sie entsorgen. Auf so ein "Kulturerbe" kann getrost verzichtet werden. Dass der Verlag sich nicht klar distanziert, sondern rechtfertigt, ist nicht nur unpassend, es zeigt, dass die Problematik verharmlost wird und nicht verstanden wurde. Immer noch nicht.

Thuram IV 12.12

Weg damit in Kinderbüchern

Es braucht keine Abschwächung, es braucht keine Überlegungen, es braucht keine Diskussionen. Es braucht klare Distanzierungen, klare Auslöschungen problematischer Darstellungen und klare Statements. Wer Rassismus durch Bücher weiterträgt, trägt auch die Probleme weiter. Weg mit verletzenden Darstellungen, weg mit der Erzählung der übergeordneten weißen Menschen und vor allem: weg damit in Kinderbüchern. 

Und wenn es schon problematische Bücher weiterhin gibt, dann nicht mit einer Einordnung am Ende des Buches. Es braucht sie davor. Es braucht sie mitten auf den Büchern: "Achtung, hier finden sich veraltete Narrative, die einer anderen Zeit entspringen. Liebe Eltern, lesen Sie Ihren Kindern diese Bücher nur mit einer passenden Einordnung vor", sollte etwa darauf stehen. Nur weil das "N-Wort" endlich weggelassen wird, sind die Bücher noch lange nicht harmlos. Sie sind nur weniger verletzend. 

Liebe Verlage, distanziert euch mehr und deutlicher von rassistischer Sprache und diskriminierenden Passagen in Büchern und tragt sie nicht unkritisch in die Welt hinaus. Liebe Eltern, Erzieher:innen und Lehrer:innen, informiert euch vor dem Vorlesen von Kinderbüchern genau über die Inhalte und Narrative. Denn nur wenn wir alle selbst Rassismus erkennen und dagegen vorgehen, kann sich etwas ändern. 

Wie sagte mein Chef so schön: Das hat mit Meinung nichts zu tun, das sollte Selbstverständlichkeit sein. 

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