Staatsanwaltschaft fordert Bewährungsstrafe gegen Österreichs Ex-Kanzler Kurz
Im monatelangen Strafprozess gegen Österreichs ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen Falschaussage in einem Untersuchungsausschuss zum sogenannten Ibiza-Skandal hat die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe auf Bewährung sowie eine Geldstrafe beantragt. "Selten war ein Fall der Falschaussage so klar gelagert", sagte Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic am Freitag in seinem Schlussplädoyer vor dem Wiener Straflandesgericht. Die Verteidigung forderte einen Freispruch des Ex-Kanzlers.
Kurz wird vorgeworfen, im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur sogenannten Ibiza-Affäre falsche Aussagen gemacht zu haben. Ein Urteil wurde noch für den Abend erwartet, bei einer Verurteilung drohen dem ehemaligen Bundeskanzler und "Wunderkind" der europäischen Konservativen bis zu drei Jahre Haft.
Laut Anklage hatte Kurz in einer Befragung durch den Ibiza-Untersuchungsausschuss 2020 wissentlich falsch ausgesagt, als es um die Frage ging, ob er bei der Besetzung des Chefpostens bei der Staatsholding Öbag zugunsten seines Vertrauten Thomas Schmid interveniert habe. Der 37-Jährige hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen und den Prozess als politisch motiviert kritisiert.
Staatsanwalt Adamovic sagte in seinem Schlussplädoyer am Freitag, es gebe keinen Zweifel daran, dass Kurz aus politischen Gründen falsch ausgesagt habe. Zudem habe er negative Medienberichte darüber vermeiden wollen, wie er die Ernennung von Schlüsselposten beeinflusst habe. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Gefängnisstrafe auf Bewährung in Kombination mit einer Geldstrafe. Es drohen bis zu drei Jahre Haft.
Kurz' Anwalt Otto Dietrich forderte in seinem Schlussplädoyer einen Freispruch des Ex-Kanzlers. Er betonte, der 37-Jährige habe im Untersuchungsausschuss nicht falsch ausgesagt. Kurz sagte, er sei zwar über die Ernennung des Beamten Schmid informiert gewesen, habe in diesem Fall jedoch nicht entschieden. Der 37-Jährige wies die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft zurück, er habe versucht, die Ernennung zu kontrollieren.
Schmid sagte hingegen aus, Kurz habe ein System aufgebaut, in dem er die Fäden in der Hand gehalten habe und gegen jede Ernennung von Personal in Schlüsselpositionen ein Veto habe einlegen können.
Daneben sagten unter anderem zwei russische Geschäftsleute aus, die per Videokonferenz aus der österreichischen Botschaft in Moskau zugeschaltet waren. Die Russen wurden von der Verteidigung aufgerufen, um die Aussagen Schmids, dem Hauptzeugen der Staatsanwaltschaft, zu kontern.
Die sogenannte Ibiza-Affäre hatte in Österreich ein politisches Erdbeben ausgelöst und die erste Regierung Kurz zu Fall gebracht. Ein heimlich auf der spanischen Insel Ibiza gedrehtes Video hatte gezeigt, wie der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellte. Es folgten Ermittlungen gegen mehrere österreichische Politiker.
Kurz wurde in Österreich und auch im Ausland lange Zeit für seinen steilen Aufstieg in der Politik bejubelt: 2017 wurde er im Alter von 31 Jahren der jüngste Regierungschef weltweit. 2021 stieg Kurz infolge der Ibiza-Affäre aus der Politik aus, mittlerweile arbeitet er für eine Reihe internationaler Unternehmen. Gegen ihn wird außerdem wegen Veruntreuung staatlicher Mittel ermittelt.