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Unterstützung vor Ort: Hungersnot in Gaza: Können Spenden aus Deutschland helfen?

Stern 
Unterstützung vor Ort: Hungersnot in Gaza: Können Spenden aus Deutschland helfen?

Die Lage im Gazastreifen ist dramatisch. Mehr als eine halbe Million Menschen sind laut Uno von einer Hungersnot bedroht. Die USA beteiligen sich nun an einer Luftbrücke. 

Für Hilfsorganisationen ist es derzeit tatsächlich schwierig, Unterstützung vor Ort zu leisten. Sie alle haben mit strikten Einfuhrbeschränkungen und langen Wartezeiten an den Grenzübergängen zu kämpfen. "Die Bedingungen, um humanitäre Hilfe zu leisten, haben sich in den vergangenen Wochen noch mal verschlechtert", sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Save the Children Deutschland. Die Zahl der Lastwagenladungen mit Lebensmitteln und Medikamenten, die Gaza derzeit erreichen, ist stark zurückgegangen. Laut UN-Angaben lag ihre Zahl im Februar im Schnitt bei 98, ein Rückgang um 50 Prozent. Vor dem Krieg waren es noch 500 Lkw, die täglich Hilfsgüter nach Gaza brachten.

Trotzdem gelinge es laut Westphal derzeit noch, Lebensmittel, Hygieneartikel und Ausstattung für Babys und Kleinkinder in den Gazastreifen zu schicken. 2,8 Millionen Euro Bargeldhilfe hätte man zudem an rund 8.600 Haushalte verteilt. 

Interview11.05

Auch die Hilfsorganisation Care gibt an, bislang 250.000 Menschen mit Trinkwasser und 68.000 Menschen durch mobile Kliniken versorgt zu haben. Außerdem seien 3000 sogenannte Dignity-Kits an Frauen und Mädchen verteilt worden. 

Spendenorganisationen arbeiten mit Helfern in Gaza

"Wir haben Lastwagen, die von Kairo aus bis über die Grenze nach Gaza fahren. Bislang konnten wir so 20 Lkw-Ladungen rüberbringen", sagt Hiba Tibi, Care-Länderdirektorin für die Westbank und Gaza. Mit der Hamas müsse man dabei nicht kooperieren. "Care operiert über eigene Strukturen vor Ort", heißt es aus der Deutschland-Zentrale. Das Risiko mit seinen Spenden auch Kämpfer der Hamas zu unterstützen ist den Angaben zufolge gering – die Hilfe kommt allerdings auch nur langsam an.

"Es gibt wirklich nichts, was die Menschen in Gaza nicht brauchen. Vor allem angesichts des Ausmaßes der Gesundheitskatastrophe, die sich dort abspielt", sagt Hiba Tibi. Mehr als zwei Millionen Menschen liefen Gefahr, an Krankheit und Hunger zu sterben – selbst wenn sie die Bombardierungen und Angriffe überlebt hätten. 

Große Schwierigkeiten bereitet den Hilfsorganisationen indes auch die gleichmäßige Verteilung von Hilfsgütern. So sei am Grenzübergang in Rafah die Versorgung leichter als im nördlichen Gazastreifen, wo kaum Hilfe hingelangt, berichten Hilfsorganisationen übereinstimmend. 

"Es fehlt an Anästhetika, Schmerzmitteln und Verbandsmaterial"

Laut Lara Dovifat von Ärzte ohne Grenzen, würden Menschen im nördlichen Gazastreifen mittlerweile Tierfutter essen, um zu überleben. Auch für ihre Organisation ist die Arbeit der rund 320 Mitarbeiter vor Ort extrem eingeschränkt. "Es fehlt an Anästhetika, Schmerzmitteln und Verbandsmaterial, weil zu wenig medizinische Güter eingeführt werden können."

Die Krankenhäuser seien überfüllt. "Erst Anfang März schlug neben einem Krankenhaus in Rafah, in dem wir Geburtshilfe anbieten, eine Granate ein. Dabei wurden mehrere Menschen getötet und verletzt. Das zeigt, unter welchen Umständen wir arbeiten." Immer wieder müsse man sich zurückziehen und Krankenhäuser evakuieren, das sei als humanitäre Nothilfeorganisation extrem frustrierend. Auch sei undurchsichtig, welche Hilfslieferungen an der Grenze blockiert werden und welche nicht. "Wenn ein Teil von der Lieferung nicht durchkommt, dann kommt der gesamte Lkw nicht durch. Es gibt keine Liste, was erlaubt ist und was nicht. Das ist kaum nachvollziehbar."

Auch Jonas Grünwald von Cadus, kann dem nur beipflichten. Die Berliner Hilfsorganisation ist mit einem medizinischen Team bestehend aus acht Personen in Gaza im Einsatz. Alle zwei Wochen wird rotiert und das Team abgelöst. "Unsere Teams nehmen bei jedem Grenzübertritt mehrere hundert Kilo Einsatzausrüstung mit. Diese umfasst das nötige Equipment für die medizinische Versorgung als auch Nahrungsmittel und Trinkwasseraufbereitung für das Team. Da ein Übertritt der Grenze mit Fahrzeugen und Ladung durch die Einfuhrbeschränkungen fast verunmöglicht wird, trägt das Team die gesamte Ausrüstung über die Grenze", erzählt er. 

Eigentlich hatte man geplant, medizinische Transporte und Evakuierungen durchzuführen, doch aufgrund der Grenzbeschränkungen und der Sicherheitsbedenken sei dies derzeit nicht möglich. 

Gaza-Lage 09.38

Die Hilfe reicht bisher nicht aus

Klar ist, dass die Hilfe, die ankommt, bisher nicht ausreicht, um die lebensnotwendigen Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen. Es mangelt nach wie vor an Trinkwasser, Lebensmitteln, Medikamenten, medizinischer Versorgung, Treibstoff und geeigneten Unterkünften. 

Amnesty International wirft Israel derweil in einer Mitteilung vor, Hilfsgüter zu blockieren. "Israel hat nicht nur die Grundbedürfnisse der Menschen im Gazastreifen nicht gewährleistet. Auch der Zugang zu ausreichend Hilfslieferungen in den Gazastreifen wurde blockiert und behindert, insbesondere in den Norden, der praktisch unzugänglich ist."

Nach Angaben von UNICEF kamen in den ersten Märztagen mindestens zehn Kinder wegen Dehydration und Unterernährung im Kamal Adwan Krankenhaus im nördlichen Gazastreifen um. Laut dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) kämpfen viele weitere Kinder in den verbliebenen Krankenhäusern in Gaza um ihr Leben und noch mehr Kinder erhielten gar keine Versorgung. 

Hilfsorganisationen drängen auf Waffenstillstand

Diverse Hilfsorganisationen drängen auf einen nachhaltigen Waffenstillstand, Grenzöffnungen und die Freilassung von Geiseln der Israelis, um den Friedensprozess zu beschleunigen. 

Anfang der Woche erneuerte Israel hingegen seine Vorwürfe gegen das UNRWA, Mitarbeiter der Organisation würden die Hamas unterstützen. Laut der israelischen Armee beschäftige das UN-Palästinenserhilfswerk "mehr als 450 Terroristen". Es wurde eine Aufnahme veröffentlicht, auf der ein "Terrorist" zu hören sein soll, der als Arabischlehrer in einer vom UNRWA betriebenen Schule arbeitet. Deutschland hat bereits vor über einem Monat Zahlungen ans UNRWA gestoppt, nachdem Israel zwölf Mitarbeiter identifiziert haben will, die am Massaker vom 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen. 

Israel Freund und Feind 12.47

Mehr als 30.000 Menschen arbeiten für das UNRWA, 13.000 von ihnen allein im Gazastreifen. Zu ihr gibt es vor Ort keine Alternative. 

Insgesamt sind allein 1,7 Millionen Menschen in Gaza auf der Flucht. Das sind drei Viertel der gesamten Bevölkerung. 

Wer sicherstellen will, dass seine Spenden tatsächlich Verwendung in Gaza finden, sollte laut Jonas Grünwald von Cadus auf einige Dinge achten: Dazu gehörten ein offizielles Spendensiegel, zugängliche Jahresberichte der Organisation sowie ein aktueller und gepflegter Onlineauftritt. Auch die Präsenz in verschiedenen Medien und die Mitgliedschaft in Dachverbänden und Netzwerken könnten Hinweise auf die Seriosität einer Organisation sein. 

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