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Gewalt in Haiti: Bandenführer warnt vor "Bürgerkrieg" und "Völkermord"

Stern 
Gewalt in Haiti: Bandenführer warnt vor

Inmitten der eskalierenden Gewalt im Karibikstaat Haiti hat ein mächtiger Bandenchef nachdrücklich den Rücktritt von Ministerpräsident Ariel Henry gefordert. Sollte Henry nicht zurücktreten, "steuern wir geradewegs auf einen Bürgerkrieg zu, der zu einem Völkermord führen wird", sagte Jimmy Cherizier am Dienstag (Ortszeit) in Port-au-Prince vor Journalisten. Henry konnte unterdessen aufgrund der Gewalt bei seiner Rückkehr von einer Auslandsreise nicht in Haiti landen. 

Der UN-Sicherheitsrat wollte am Mittwoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Lage in Haiti beraten. 

"Entweder wird Haiti zu einem Paradies oder zu einer Hölle für uns alle", drohte Bandenchef Cherizier. Der 46-Jährige, bekannt unter dem Spitznamen "Barbecue" ("Grill"), ist Anführer einer Gruppe von Banden, die sich als "G9 Familie und Verbündete" bezeichnet. Der ehemalige Polizeibeamte, der den diktatorisch regierenden Ex-Präsidenten François "Papa Doc" Duvalier als Vorbild nennt, ist wegen Menschenrechtsverstößen von den Vereinten Nationen sanktioniert.

Die Gewalt in Haiti war am Donnerstag in Abwesenheit Henrys eskaliert, der sich auf einer Auslandsreise in Kenia befand. Rivalisierende bewaffnete Gruppen, die weite Teile des Landes beherrschen, kämpfen offenbar gemeinsam für den Rücktritt des Regierungschefs, der eigentlich Anfang Februar aus dem Amt scheiden sollte. Stattdessen einigte Henry sich Ende Februar mit der Opposition darauf, bis zur Abhaltung von Neuwahlen "innerhalb von zwölf Monaten" gemeinsam zu regieren. 

In den vergangenen Tagen wurden zwei Gefängnisse überfallen und dabei dutzende Menschen getötet und tausende Insassen befreit. Die Regierung hat den Ausnahmezustand ausgerufen und eine nächtliche Ausgangssperre für die Region Ouest verhängt, zu der auch Port-au-Prince gehört.

In Kenia unterzeichnete Henry vergangene Woche ein Abkommen über den Einsatz von kenianischen Polizeikräften in Haiti. Kenia hatte sich bereit erklärt, eine multinationale, vom UN-Sicherheitsrat gebilligte Eingreiftruppe zu leiten, um die Lage in Haiti zu stabilisieren. 

Henrys Rückkehr verzögerte sich am Dienstag offenbar. Die Behörden des US-Außengebiets Puerto Rico bestätigten, dass seine Regierungsmaschine kurz dort gelandet sei. Sie wisse aber nicht, ob Henry sich noch in Puerto Rico aufhalte, sagte die Sprecherin des Gouverneurs von Puerto Rico der Nachrichtenagentur AFP. Das US-Außenministerium rief erneut zu Besonnenheit auf. Zu Henrys Aufenthaltsort wollte ein Sprecher sich nicht äußern.

Aufgrund der Gewalt konnte der Flughafen von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince zwischenzeitlich nicht angeflogen werden. Die Dominikanische Republik setzte am Dienstag alle Flüge nach Haiti aus.

Haiti steckt seit Jahren in einer schweren Krise, zu der neben Bandengewalt auch politische Instabilität und wirtschaftliche Not gehören. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der auf humanitäre Hilfe angewiesenen Menschen in dem Land nach UN-Angaben verdoppelt. 

Die Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Jahr 2021 verschlimmerte die Sicherheitslage dramatisch. Allein im Januar wurden nach UN-Angaben in Haiti mehr als 1100 Menschen getötet, verletzt oder entführt. Die kriminellen Banden im Land sind anscheinend besser bewaffnet als die Polizei.

Seit 2016 gab es keine Wahlen mehr in dem Karibikstaat. Der Posten des Präsidenten ist vakant. 

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