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Erben: Das "Berliner Testament" ist bei Eheleuten beliebt – doch es hat Tücken

Stern 

Mit einem "Berliner Testament" können sich Eheleute gegenseitig finanziell absichern, Kinder erben erst nach dem Tod beider Eltern. Doch das Modell hat auch Nachteile, wie ein Urteil des Bundesfinanzhofs jetzt zeigt.

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Ein Erbstreit kann selbst die harmonischsten Familien zerreißen. Wer sein Erbe frühzeitig regelt, sorgt vor. Planen Ehepaare ihren Nachlass, ist das Berliner Testament beliebt. Bei dieser Regelung setzen sich Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein: Verstirbt einer, erbt der länger Lebende zunächst alles und kann über das Vermögen verfügen. Die Kinder bleiben außen vor. Erst wenn auch der zweite Elternteil verstirbt, kommen die Nachkommen als Schlusserben zum Zug.

Zur finanziellen Absicherung ist das Berliner Testament für Eheleute attraktiv. 2018 hatten 59 Prozent derer, die ein gemeinsames Testament verfassten, diese Variante gewählt. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Allensbach-Instituts in im Auftrag der Deutschen Bank.

Doch je nach Gestaltung und Nachlassvermögen können sich finanzielle Nachteile ergeben. Das bestätigt ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) als Deutschlands oberstem Finanzgericht. Es sei regelkonform, dass der Staat unter Umständen zwei Mal Erbschaftsteuer kassiert.

Strafklauseln für Kinder

"Das Berliner Testament stellt sicher, dass der länger lebende Ehegatte versorgt ist, er wird Alleinerbe", sagt Rechtsanwalt Heinz-Willi Kamps. "Es bewahrt davor, nach dem Tod des Partners den Nachwuchs auszahlen und darüber etwa eine bisher gemeinsam genutzte Immobilie verkaufen zu müssen." Trotzdem kann der Nachwuchs noch seinen Pflichtteil fordern. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

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Um diese Möglichkeit unattraktiv zu machen, gibt es einen erbrechtlichen Kniff: Das Berliner Testament kann eine Pflichtteilsstrafklausel beinhalten. Beansprucht ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil, erhält es auch nach dem Tod des länger Lebenden lediglich seinen Pflichtteil. Es verliert also seinen Status als Schlusserbe.

Manche schreckt das nicht ab: "Falls der länger lebende Ehepartner zum Beispiel pflegebedürftig wird und das Vermögen vermutlich aufbraucht, ist der Pflichtteil beim ersten Erbfall möglicherweise attraktiver als das Erbe, das nach dem Tod des zweiten Elternteils noch zu erwarten ist", erklärt Steuer- und Erbrechtsexperte Kamps. "Um Kinder von solch einer Pflichtteilsforderung abzuhalten, können Paare die Strafklausel weiter verschärfen."

Geld für Geduld

Eine solch verschärfte Version spielte im Fall vor dem BFH eine entscheidende Rolle. Geklagt hatte eine Frau, deren Eltern das Berliner Testament um eine sogenannte "Jastrowsche Klausel" ergänzt hatten. Diese straft Ungeduldige doppelt und belohnt die Geduldigen: Fordert ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil, erhalten alle anderen, die verzichten, nach dem Tod des länger Lebenden ein Vermächtnis zu ihrem eigentlichen Erbe dazu.

Ein Anrecht auf diesen Bonus entsteht, wenn der erste Partner verstirbt, es wird aber erst nach dem Tod des verbliebenden Elternteils ausgezahlt. Das schmälert rechnerisch den vom Erstverstorbenen hinterlassenen Nachlass und damit auch den Pflichtteil des Kindes, das diesen einfordert – ein zusätzlicher Dämpfer.

Doppelt oder nur zwei Mal besteuert?

Im vor Gericht verhandelten Fall starb erst der Vater der Klägerin. Da zwei ihrer insgesamt fünf Geschwister ihren Pflichtteil geltend machten, erwarb die Frau Anspruch auf ein entsprechendes Vermächtnis. Zunächst wurde aber ihre Mutter Alleinerbin und musste das vererbte Vermögen inklusive zukünftiger Vermächtnisse versteuern. Als auch die Mutter verstarb, erbte die Klägerin und musste ebenfalls Erbschaftsteuer zahlen. Dagegen klagte sie und beanstandete, dass ihr Vermächtnis – mehr als eine Mio. Euro – doppelt besteuert worden sei.

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Der Bundesfinanzhof bestätigt, dass für denselben Vermächtnisbetrag zweimal Erbschaftsteuer entsteht – allerdings bei unterschiedlichen Personen, nämlich einmal beim überlebenden Elternteil und später bei der Klägerin. Das sei für die Steuerpflichtige zwar ungünstig, "aber nicht zu beanstanden". Bei der Frau selbst habe keine doppelte Besteuerung vorgelegen. Vielmehr habe die Klägerin das Vermächtnis als Verbindlichkeit vom Nachlass ihrer Mutter abziehen können. Das habe neutralisiert, dass sie das Vermächtnis versteuern musste.

Urteil zu Berliner Testament keine Überraschung

Rechtsanwalt Kamps überrascht das Urteil nicht. Es unterstreiche aber, dass Paare steuerliche Nachteile und weitere Aspekte bedenken sollten, wenn sie ihren Nachlass regeln. Das Berliner Testament bleibe weiterhin ein sinnvolles Konstrukt für viele Eheleute. "Ob es sich lohnt, hängt davon ab, wie hoch das Vermögen ist und wie hoch das Bedürfnis ist, den überlebenden Ehegatten abzusichern", sagt Kamps. 

"Ihre familiäre und finanzielle Situation sollten Ehepaare immer mit einem Erbrechtsprofi besprechen." Das gelte vor allem bei größeren vererbbaren Vermögen wie im Fall, den der Bundesfinanzhof nun verhandelt hat. So führen Strafklauseln im Berliner Testament etwa auch dazu, dass ein Kind seinen persönlichen Steuerfreibetrag von 400.000 Euro beim ersten Erbfall nicht ausnutzen kann. "Weil der länger lebende Elternteil zunächst alles erbt, wird hier steuerlicher Gestaltungsspielraum verschenkt." 

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