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Bund-Länder-Treffen: Ein Asylgipfelchen – das sich noch rächen könnte

Stern 
Bund-Länder-Treffen: Ein Asylgipfelchen – das sich noch rächen könnte

Gemessen an der Aufregung im Vorfeld, war das Bund-Länder-Treffen zur Asylpolitik eine Luftnummer. Die Erwartungen wurden unnötig hochgeschraubt. Nun dürften sich die Kommunen erst recht verschaukelt vorkommen. 

Äh, wie kann das sein? Weder umnachtete Ministerpräsidenten, noch ein bettreifer Bundeskanzler sind vor den Mikrofonen und Kameras in der hessischen Staatskanzlei zu sehen. Stattdessen ganz viel Harmonie und Eintracht, demonstriert von drei Männern, die das Ergebnis des letzten Bund-Länder-Treffens im November noch mit tiefen Augenringen verkündet hatten. Um halb drei Uhr morgens, nach 17 Stunden politischer Schwerstarbeit. 

Dieses Mal sind sie deutlich früher fertig geworden, der Kanzler und die Länderchefs. Nur rund anderthalb Stunden haben sie über die Migrationspolitik beraten. Deutschlandtempo! Wirkt zumindest so. Im Grunde genommen haben sich Bund und Länder am Mittwoch nochmal versichert, die richtigen Maßnahmen bereits auf den Weg gebracht zu haben "sowie gegebenenfalls weitere Maßnahmen konsequent umzusetzen", wie es im Beschlusspapier von Mittwoch steht. 

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Das dünne Beschlüsschen ist keine Überraschung. Warum auch? Viele der Maßnahmen, die erst vor 17 Wochen ins Werk gesetzt wurden, müssen erstmal greifen und ihre Wirkung entfalten. Und eine grundsätzliche Abkehr der gemeinsamen Linie wäre das Eingeständnis gewesen, nur halbgare Beschlüsse gefasst zu haben. Eine böse Überraschung steht damit vielleicht noch bevor.

Denn gemessen an den drastischen Forderungen vor dem Zusammentreffen, insbesondere aus den unionsgeführten Ländern, musste man von einem ganz großen Wurf ausgehen. Zu wenig, zu langsam, zu unverbindlich: So ungefähr lässt sich das Klagelied der Christdemokraten im Vorfeld zusammenfassen. Sie wollten die Bundesregierung als untätig dastehen lassen. Ein durchschaubares Manöver, das die Erwartungen an die Runde allerdings unnötig hochgeschraubt haben. 

Wurde jetzt an "allen Stellschrauben" gedreht?

Angestimmt wurde das Klagelied auch von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein, dem Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz. Noch am Sonntag rief er vollmundig dazu auf, dass man nun "an alle Stellschrauben ran" müsse, um die illegale Migration zu begrenzen. Das klang dringend und war auch so gemeint. Seine Kollegen warfen sich teils mit noch mehr Verve in die Debatte, sogar die Forderung nach einer Obergrenze für Geflüchtete feierte ihr unrühmliches Comeback.

Nun haben die lautesten Kritiker ihre Unzufriedenheit in Protokollerklärungen des Beschlusses versenkt und Boris Rhein frohlockte von einer "echten Deutschland-Konferenz", weil der Kanzler bei der Länderrunde auch zugegen war. Das war ursprünglich anders geplant, ist in der dauererregten Debatte aber völlig untergegangen.

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Der hessische Ministerpräsident lobte in der Pressekonferenz gar als "Riesenleistung", dass Scholz die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber in der Bundesregierung durchgesetzt habe. Wer hätte das vor drei Monaten gedacht? Und, das wolle er schon sagen: Man müsse auch realistisch bleiben. In der Länderrunde sitzen im Grunde genommen viele Parteien und Koalitionen am Tisch, die man zusammenbringen müsse. Das ist klassisches Erwartungsmanagement, nur leider viel zu spät.

Das Treffen zur Asylpolitik – eher unspektakulär

Nun gibt es an einem (doch) recht unspektakulären Bund-Länder-Treffen nichts zu monieren, so viele gibt es davon ja auch nicht. Doch die überforderten Kommunen, die gern und pauschal als Kronzeugen für allerhand Forderungen in der Migrationspolitik herangezogen werden, dürften sich nun erst recht verschaukelt vorkommen. Der Alarmismus davor und die Ergebnisse danach klaffen doch arg auseinander. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Asylerstanträge kaum. Das könnte dem fatalen Eindruck Vorschub leisten, dass die Sorge der tatsächlich darüber Besorgten nicht ernst genug genommen würden. Und in wessen Arme diese Wahrnehmung führt, spiegelt sich seit Monaten in den Umfragen wider.

Wer sich jetzt am Kopf kratzt und sich fragt, was all die Aufregung um den Gipfel gebracht hat – der hat allen Grund dazu. 

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