Krypto-Experte: Bitcoin-Rallye: "Die User sind schlauer geworden"
Der Bitcoin hat die Marke von 60.000 Euro geknackt. Ha Duong ist Portfoliomanager des BIT Global Crypto Leaders. Im Interview erklärt er den steilen Anstieg des Bitcoins – und was das für Kleinanleger bedeutet.
Herr Duong, der Bitcoin-Kurs hat die 60.000-Euro-Marke geknackt. Allein seit Jahresanfang hat er 54 Prozent zugelegt. Was sind die Gründe hierfür?
Ich würde drei Dinge nennen: den Krypto-Zyklus, das positive Momentum durch die Spot-ETFs und das anstehende Bitcoin Halving.
Dann starten wir mit dem Krypto-Zyklus.
Wir haben die schmerzhaften Abverkäufe seit Ende 2022 hinter uns gelassen. Danach waren fast ausschließlich langfristig orientierte Investoren übrig. Alle anderen haben den Markt in der Zwischenzeit verlassen. Es gab also eine Bereinigung. Und dieser bereinigte Markt hat ein deutlich konstruktiveres Umfeld hinterlassen, was den zyklischen Aufschwung jetzt erst ermöglichte. Dazu hat der regulatorische Druck nachgelassen und wir haben insgesamt einen Vertrauensgewinn in das Ökosystem durch juristische Erfolge der Krypto-Industrie und durch das Ausscheiden schlechter Marktakteure, wie zum Beispiel FTX um Sam Bankman-Fried gesehen. Dazu kam die Ankündigung der Bitcoin-Spot-ETFs, was stark zur positiven Marktdynamik beigetragen hat.
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Die amerikanische Börsenaufsicht SEC ermöglicht Anbietern wie Blackrock seit Januar, ETFs auf den Bitcoin aufzulegen. Warum war das so wichtig?
Die Zulassung der Spot-ETFs ist eine Art Ritterschlag, da er digitale Assets auch in traditionellen Finanzsystemen etabliert und verankert. Wir sind damit in eine Phase vorgedrungen, in der institutionelle Anleger ein niedrigeres Reputationsrisiko bei Krypto sehen. Mehr und mehr Menschen haben dadurch einen höheren künftigen Erfolg eingepreist – wodurch die Kurse gestiegen sind. Das wurde dann dadurch bestärkt, dass nicht nur Blackrock an den Start gegangen ist, sondern etwa auch Fidelity und weitere ETF-Emittenten. Und jetzt sind wir in einer Situation, wo wir zum allerersten Mal verlässliche und massive Zuflüsse sehen.
Sie sagen also, die ETFs sind ein großer Erfolg?
Ja, wir erleben Tage mit 500 bis 600 Millionen Dollar Zufluss pro Tag. Das hätte man im Vorfeld niemals erwartet. Blackrock wird im ersten Quartal nach Launch wohl zehn Milliarden Dollar verwalten. Das zeigt, wie stark die Nachfrage von Kundengruppen ist, die zuvor nicht in diese Assetklasse investieren konnten.
Manche Experten sind da skeptischer und sagen, dass die Anleger ihr Geld vor allem aus anderen Kryptoassets in die ETFs umgeschichtet hätten. Beispielsweise von Grayscale, das seinen Fonds in einen ETF umgewandelt hat – aber hohe Kosten verlangt. Die Kundinnen und Kunden seien einfach zur günstigeren Konkurrenz gewechselt.
Ja, das ist ein Teil der Wahrheit. Klar ist aber auch, dass das nicht alles an zugeflossenem Kapital erklärt. Es muss bei fast acht Milliarden Dollar Nettozuflüssen auch neue Kundinnen und Kunden geben. Wohlgemerkt, wir sprechen hier von Nettozuflüssen, sprich Mittelzuflüssen abzüglich Mittelabflüssen, die insgesamt bei 8,4 Milliarden lagen. Man darf hier nicht unterschätzen, wie gewaltig die Distributionskraft von Blackrock und Co. sind.
Wer sind denn die neuen Kundinnen und Kunden?
Das sind in allererster Linie institutionelle Anleger. Das erklärt auch, warum nicht signifikant mehr Menschen nach Bitcoin & Co. bei Suchmaschinen wie Google suchen. Viele institutionelle Investoren wollten schon länger in Krypto investieren, konnten es aber aus praktischen und regulatorischen Gründen nicht. In Europa ging das schon länger mit ETPs, in Kanada mit ETFs. Aber in den USA, wo ein großer Teil des Geldes sitzt, ging das bis zuletzt nicht. Deshalb sind die USA auch der aktuelle Treiber.
Warum ist der Hype unter Privatanlegern dieses Mal kleiner als in anderen Bullenphasen?
Man darf nicht vergessen, dass viele Privatanleger wahrscheinlich noch bis vor kurzem im Minus standen. Das ist dann die typische Verlust-Aversion. Erst wenn man wieder grüne Zahlen im Portfolio sieht, redet man auch langsam darüber. Und bis der typische Retail-Investor bei einem nennenswerten Plus ist, und wieder aktiv wird, ist es noch ein gutes Stück. Auch durch das verstärkte spekulative Handeln in kleineren Altcoins im letzten Zyklus wird es also noch dauern, bis Verluste neutralisiert werden und Privatanleger ihren psychologischen Schmerz überwunden haben.
Gehören klassische Kryptobörsen wie Bison, Coinbase und Binance zu den Verlierern der Entwicklung? Weil institutionelle Anleger in ETFs investieren und Privatanleger noch länger zurückhaltend sein werden – und dann auch ETFs kaufen?
Nein, ich sehe ETFs und Kryptobörsen in friedlicher Koexistenz. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Blackrock eines Tages ETFs für 20.000 verschiedene Kryptos auflegt. Wir werden in den nächsten zwei Jahren wahrscheinlich einen ETF auf die wichtigsten Kryptoassets sehen. Die allermeisten werden dann allerdings unter die notwendige Größe fallen – während sie zeitgleich noch immer einen großen Teil des Volumens auf Börsen ausmachen. Und hierfür ist es allein aus einer technischen Sicht notwendig, dass Coinbase & Co. dann das Thema Custody – also die Sicherung – übernehmen.
Ein nicht unwesentlicher Anteil der Anleger bleibt aber beim Bitcoin. Welches Argument gibt es noch, diese über klassische Börsen zu handeln?
Das würde ich infrage stellen. Bitcoin macht mittlerweile weniger als 50 Prozent vom Tradingvolumen aus. Dort hat man je nach Order-Volumen eine einmalige Gebühr von etwa 1 bis 2 Prozent. Wer einen Blackrock-ETF kauft, hat jährliche Gebühren und einen Spread bei Transaktionen, der gern vergessen wird. Ganz grundsätzlich steht dahinter aber auch eine Überzeugungsfrage: Wer Bitcoin als Absicherung gegen ein mögliches Scheitern des Finanzsystems halten will, der sollte natürlich keine ETFs kaufen.
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Wir haben jetzt viel über Bitcoin gesprochen. Doch nicht nur sein Kurs ist steil gestiegen, sondern auch der anderer Kryptowährungen wie Ethereum und Solana. Hat das auch etwas mit dem Bitcoin-ETF zu tun?
Indirekt. Wir haben ein halbes Jahr beobachtet, wie der Markt den Bitcoin-ETF antizipiert hat. Das allein hat schon die Preise getrieben. Und da wir jetzt sehen, dass es echte Mittelzuflüsse gibt, wurden die Erwartungen bestätigt. Es gibt in gewisser Weise auch eine Antizipation auf zum Beispiel den Ethereum-ETF. Mich wundert es daher gar nicht, dass die Märkte daher so ein Momentum auch für andere Kryptowährungen sehen. Außerdem gibt es auch stets Rotationen innerhalb von Krypto.
Kommen wir noch zum dritten genannten Grund – dem sogenannten Bitcoin-Halving. Ab 21. April werden Miner nur noch mit der Hälfte an Bitcoin für ihre Tätigkeit entlohnt. Weil dadurch das Angebot knapper wird, steigt der Preis. Ist der Effekt nicht schon lange eingepreist?
Wir glauben nein, denn die Märkte sind meistens kurzfristiger orientiert. Obwohl das Halving so ein bekanntes Event ist, gehen wir davon aus, dass das erst einen Monat vorher wirklich eingepreist wird. Wir befinden uns aber aktuell in diesem Prozess – und auch das treibt natürlich den Kurs nach oben.
Die Krypto-Euphorie könnte aber auch wieder abebben, wenn neue Skandale zu Tage treten. Wie sauber ist der Markt schon aus Ihrer Sicht?
Dass Menschen betrügen wollen, um an Geld zu kommen, ist nichts Neues. Das wird es immer geben. Krypto ist aber eine offene Technologie, die jeder nutzen kann. Das macht es zunächst einmal einfacher für Betrüger. Ich glaube, dass durch die Aufmerksamkeit in den letzten Jahren – auch von regulatorischer Seite – viel potenzieller Schaden eingedämmt wurde. Auch die User sind schlauer geworden. Laut dem neuen Report von ChainAnalysis sind nur 0,34 Prozent des Transaktionsvolumens bei Krypto auf illegale Aktivitäten zurückzuführen. Bei Cash stehen wir hier zwischen drei und vier Prozent. Ich finde also, dass Krypto in dieser Diskussion zu Unrecht am Pranger steht.