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Gesetz beschlossen: Tiktok wird in den USA verkauft oder verboten – welche Folgen das hat

Stern 
Gesetz beschlossen: Tiktok wird in den USA verkauft oder verboten – welche Folgen das hat

Mit einem neuen Gesetz legt das US-Repräsentantenhaus die Grundlage für das Ende von Tiktok, wie wir es kennen. Was nun genau passiert, hängt von mehreren Faktoren ab.

Es war ein überparteilicher Paukenschlag: Mit einer überwältigenden Mehrheit hat das Repräsentantenhaus der USA ein Gesetz beschlossen, das Tiktoks Verkauf erzwingt oder die App in den USA verbietet. Nun beginnt das große Zittern – für die Firma selbst, aber auch für die Fans weltweit.

Worum es bei dem Gesetz eigentlich geht, verrät schon der Name: "Protecting Americans from Foreign Adversary Controlled Applications Act" heißt es umständlich, also ein Gesetz zum Schutz der Amerikaner vor dem Einfluss von Apps, die von staatlichen Gegnern kontrolliert werden. Denn: Tiktok, die mit Abstand am schnellsten wachsende Social-Media-App, stammt aus China. Und das bereitet der US-Politik bereits seit Jahren Bauchschmerzen.

TikTok-Guerilla10.19

Tiktok-Gesetz: Verbot ist nicht das Ziel

Dabei geht es vor allem um eine Sorge: Tiktok sammelt selbst im Vergleich zu den nicht gerade zurückhaltenden anderen sozialen Netzwerken enorm viele Daten. Was also, wenn die chinesische Regierung den Betreiber Bytedance zwingen würde, die Unmengen an Daten über seine Nutzer den Geheimdiensten zu übergeben? Tiktok betont zwar seit einigen Jahren, dass man die Daten der US-Nutzer nicht in China verarbeite, das Vertrauen der Politik scheint die Firma aber nicht auf seiner Seite zu haben. 

Das zeigt auch die Entstehung des jetzigen Gesetzes: Das Einreichen des Antrages war letzte Woche vom Kommitee für Energie und Wirtschaft einstimmig beschlossen worden – nachdem die 50 Teilnehmer des Kommitees an einem Geheimdienstbriefing zu den Gefahren durch von feindlichen Staaten kontrollierten Apps informiert worden waren.

Trotzdem geht es nicht in erster Linie darum, die App komplett zu sperren. "Dies ist kein Versuch, Tiktok zu verbieten. Es ist ein Versuch, Tiktok besser zu machen", betonte etwa die ehemalige Haus-Sprecherin Nancy Pelosi. Das Kalkül: Ein Verkauf des US-Geschäftes würde es ermöglichen, die App weiterzubetreiben, dabei aber die Gefahr des chinesischen Einflußes auszuschließen. 

Wer soll Tiktok kaufen?

Doch genau das könnte in mehrer Hinsicht kompliziert werden. Mit knapp 170 Millionen US-Nutzern erreicht die App fast die Hälfte der amerikanischen Bevölkerung, entsprechend groß ist das Potenzial. Das ist bei einem möglichen Verkauf aber nicht unbedingt ein Vorteil: Tiktoks Wert wird auf gut 100 Milliarden Dollar geschätzt. Das schränkt den Kreis der möglichen Käufer allerdings empfindlich ein. Den realistischen Kandidaten könnte allerdings die Größe der Nutzerbasis auf die Füsse fallen. 

Die Kombination aus finanzieller Größe und Know-How, das eine Übernahme ermöglichen würde, haben eigentlich nur die Tech-Giganten wie Amazon, Microsoft, Google oder Meta. Würden die nun aber auch noch Tiktok schlucken wollen, dürfte das schnell Monopol-Bedenken bei den Kartellbehörden auslösen.

Eine weitere Variante soll nun der im Silicon Valley umstrittene Bobby Kotick ins Spiel gebracht haben. Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" soll er aktuell Investoren für eine Einzelübernahme suchen, hat dem Bericht zufolge unter anderem OpenAI-Chef Sam Altman dazu gesprochen. Kotick kennt sich mit Übernahmen aus: Er hatte als CEO die Übernahme des Spielegiganten Activision Blizzard durch Microsoft organisiert, bevor er das Unternehmen verließ. Ob er nun eine Übernahme alleine schultern könnte, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Ob ein Verkauf auch für die Nutzer in Deutschland Folgen hätte, hängt in erster Linie von der Umsetzung ab. Würde das US-Tik-Tok von der im Rest der Welt genutzten App abgespalten, würden auf einen Schlag eine gigantische Menge von Inhalten und Content-Creator wegfallen. Die beiden Varianten miteinander kompatibel zu betreiben, dürfte andererseits so aufwendig sein, dass die beiden Firmen sich das kaum antun würden.

Eine Hürde fehlt noch

Noch ist der Verkauf allerdings gar nicht sicher: Nach der Bestätigung durch das Repräsentantenhaus muss das Gesetz nun noch im Senat verabschiedet werden. Die Abstimmung im Repräsentantenhaus gilt als klares Signal. Mit 352 Ja- und nur 65 Neinstimmern war das Gesetz über die Grenzen der sonst verstrittenen Parteien mit einer überwältigenden Mehrheit beschlossen worden. 

Stimmt der Senat ebenfalls zu, wäre das Gesetz wohl fix: Präsident Joe Biden hat bereits angekündigt, es im Falle einer Zustimmung zu signieren und damit inkrafttreten zu lassen.

Sorge um Redefreiheit

Trotzdem gibt es immer noch Widerstand. Vor allem die Gefahr eines Verbots bei einem scheiternden Verkauf wird als Grund zur Sorge gesehen. Zahlreiche Tiktoker hatten bei ihren Abgeordneten vor einem Wegfall ihrer Einnahmen durch ein Verbot gewarnt. Auch eine Einschränkung der Redefreiheit wird befürchtet. "Hier sollen 170 Millionen Amerikaner um ihre Stimme gebracht werden", erklärte etwa ein Tiktok-Sprecher.

Wie bei der Zustimmung überschreitet auch die Sorge die Parteigrenzen. Die Redefreiheit wird von Republikanern wie von Demokraten als hohes Gut angesehen. "Wir können dem Präsident nicht die Macht geben, zu entscheiden, was auf unseren Smartphones passiert", erklärte etwa der republikanische Abgeordnete Thomas Massie im Rahmen der Anhörung seine Ablehnung des Antrages. Auch die demokratische Abgeordnete Sydney Kamlager-Dove stieß ins selbe Horn, sprach von der Nutzung des Gesetzes "als Waffe". 

Einer der überraschendsten Widersprüche kam ausgerechnet von Donald Trump. Der hatte während seiner Präsidentschaft noch selbst daran gearbeitet, Tiktok zerschlagen zu lassen. Nun stellt er sich hinter den Dienst. "Tiktok loszuwerden, hilft nur Facebook und Zuckerschmuck", kommentierte er bei seinem eigenen Dienst Truth Social letzte Woche. "Ich will nicht, dass es Facebook besser geht, nachdem sie in den letzten Wahlen betrogen haben. Sie sind der wahre Feind der Bürger." Auf die Abstimmung im Repräsentantenhaus hatte der Post dann allerdings keine spürbare Auswirkung.

Quellen: Washington Post, CNN, Wall Street Journal, The Verge, Truth Social

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