World News in German

Autobiografie "Mein Weg": Josef Ackermanns Feldzug für das eigene Ansehen

Stern 
Autobiografie

Josef Ackermann verbringt in seinem neuen Buch viel Zeit damit, sich selbst zu beweihräuchern. Das ist schade – weil der langjährige Chef der Deutschen Bank wirklich etwas zu sagen hat.

Disclaimer C free aktuell

Gleich am Anfang seines Buches erlaubt sich Josef Ackermann einen Scherz. "Alle Inhalte stammen von mir", schreibt der langjährige Chef der Deutschen Bank im Vorwort seiner am 14. März erschienenen Autobiografie "Mein Weg", "und nicht von einem ChatGPT-Textroboter".

Der kleine Gag ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen bleibt es tatsächlich die einzige Stelle in einem Werk von fast 250 Seiten, in denen so etwas wie Witz und Selbstironie aufscheint. Der Rest ist getragen von einem Ton der Bedeutung und des getragenen Ernstes, den man wohl einem Bank-Manager schwer vorwerfen kann, der aber auch einen ironischeren Umgang mit der eigenen Person ausschließt.

Fehler machen immer die anderen

Zum anderen ist der Hinweis auf ChatGPT auch deshalb interessant, weil sich große Teile des Buches tatsächlich zuweilen so lesen als hätte der Schweizer Manager einem von künstlicher Intelligenz getragenen Textprogramm einen Schreibbefehl erteilt. Arbeitsauftrag: "Verfasse eine positive Abhandlung über das Leben und Wirken von Josef Ackermann". In dem Buch reihen sich lange Passagen von Selbstlob aneinander, egal ob es um Ackermanns Jobs bei der späteren Credit Suisse, die Zeit von 2002 bis 2012 bei der Deutschen Bank oder seine Funktion als wichtiger Akteur während der Weltfinanzkrise von 2008 und 2009 geht. In der Regel sind es die anderen, die die Fehler machen, sich selbst hat Ackermann nur in den seltensten Fällen etwas vorzuwerfen. "Mein Gestaltungswille hat sicher dazu geführt, dass ich meine Mitarbeiter und mich selbst stark gefordert habe", schreibt der 76-Jährige. "Das will ich selbstkritisch anmerken." Das klingt wie jemand, der beim Bewerbungsgespräch als persönliche Schwäche "zu viel Ehrgeiz" angibt.

Josef Ackermann zeigt vor Beginn des Mannesmann-Prozesses lachend das Victory-Zeichens
Josef Ackermann zeigt vor Beginn des Mannesmann-Prozesses lachend das Victory-Zeichens: Die Geste blieb an ihm hängen
© AP Photo / Oliver Berg

Natürlich will niemand in einer Biografie die eigenen Fehleinschätzungen und Schattenseiten hervorheben. Ackermanns Buch aber trieft von einem Hang zur Rechtfertigung und Selbstbeweihräucherung, der den Leser eher misstrauisch macht. Das Victory-Zeichen während des Mannesmann-Prozesses? Ein großes, von den Medien aufgebauschtes Missverständnis. Die offensive Verkündung eines Ziels von 25 Prozent Eigenkapitalrendite? Völlig normal, es ging ja um einen Wert vor Steuern. Die Manipulation des Libor-Zinssatzes? Haben andere zu verantworten. Der Niedergang der Deutschen Bank? Seine Nachfolger haben eben nicht auf ihn gehört. Skandale wie das russische Geldwäsche-Modell Laundromat, in dem auch Vorwürfe gegen die Deutsche Bank laut wurden, werden erst gar nicht erwähnt.

Zerrbild des gierigen Managers

An vielen Stellen zitiert Ackermann auf halben Seiten Magazine, Berater oder Zeitgenossen mit lobenden Worten zu seiner Person. Fast schon grotesk wirkt es, wenn er sich auf den früheren FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher beruft, der ihm gesagt habe, dass Ackermann die Deutschen überfordere: "Sie müssen einfach wissen – intelligent, erfolgreich, charismatisch, vermögend, das ist für uns Deutsche zu viel."

PAID 13_23 Zehn Lehren aus der Bankenkrise 16.00

Dieser Feldzug für das eigene Ansehen ist umso bedauerlicher als Ackermann tatsächlich etwas zu sagen hat. Der Blick des Schweizers auf die Deutschen und auf deren neidgeprägten Umgang mit Unternehmern und Managern ist interessant und aufschlussreich. Es stimmt ja, hier trifft der Autor einen wichtigen Punkt, dass wirtschaftlicher Erfolg in Deutschland oft misstrauisch beäugt, ja fast als Indiz für kriminelle Energie wahrgenommen wird. Und es ist auch wahr, dass Ackermann in der deutschen Debatte zum Symbol des gierigen Managers wurde, und zwar einfach nur, weil er das tat, was seine Aufgabe war: die Rendite und die Bewertung des ihm anvertrauten Unternehmens zu steigern.

Josef Ackermann als Akteur der Finanzkrise

Zu den spannenderen Passagen des Buches gehören zudem die Notizen aus der Zeit der Weltfinanzkrise, während der sich die Deutsche Bank einer staatlichen Hilfe verweigerte und damit auch Zorn auf sich zog. Hier merkt man, dass Ackermann in den entscheidenden Stunden wirklich nah dran war an den Orten, an denen die Entscheidungen fielen – im Kanzleramt und im Bundesfinanzministerium. Er scheut sich nicht, Noten für die Akteure zu verteilen, der damalige Staatsekretär im Finanzministerium, Jörg Asmussen kommt in Ackermanns Erinnerungen alles andere als gut weg.

Interessanterweise ist dies auch der Teil des Buches, in dem Ackermann am ehesten eigene Fehler einräumt, auch wenn er sich dabei nur als Teil einer Meute beschreibt: "Heute weiß man, dass wir – und damit meine ich die gesamte Branche, aber auch die Aufsichtsbehörden, Notenbanken, Regierungen sowie die Ratingagenturen – das Thema Immobilienmarkt und Ramschhypotheken nicht ernst genug genommen haben", schreibt er. "Vielleicht wollten wir es nicht wahrhaben, weil die Geschäfte florierten und wir unbedingt dabei sein wollten."

Insider der Finanzmärkte

Auch sein Blick auf den Ursprung der Krise ist bemerkenswert, weil er der in Deutschland gängigen Interpretation widerspricht: Es waren eben nicht nur geldhungrige Banker, die beinahe für den Einsturz des Weltfinanzsystems sorgten, sondern auch Staaten, die dieser Gier den Boden bereitet hatten, indem sie den Immobilienmarkt auf Teufel komm raus fördern wollten und die Beschränkung der Banken aufweichten. Ackermann hat hier einen differenzierten Blick auf das Geschehen, der der Debatte über Finanzkrisen gut tut und in Deutschland wahrgenommen werden sollte.STERN PAID C+ Frauen und Finanzen 17.56

Immer dann, wenn es wirklich ums Eingemachte des Finanzgeschäfts geht, um Regulierung, Strategie, Veränderungen im Bankenwesen, nimmt das Buch Fahrt auf und wird in einigen Passagen zum lesenswerten Zeitdokument. Doch leider ist Ackermann viel zu oft damit beschäftigt, den Wert der eigenen Person herauszustellen. Dieser Eindruck verfestigt sich am Schluss des Buches, in dem der Autor, begleitet von Dutzenden Bildern Ackermanns im Kreise der Mächtigen, seinen Blick auf die großen globalen Fragen festhält: China, Russland, Naher Osten, Ackermann hat zu allem etwas zu sagen. Und in keinem Moment stellt er infrage, ob ein Manager, und sei es der einer großen und wichtigen Bank, in diesen Fragen wirklich den Überblick haben kann – und sollte.

"Genug des Eigenlobs", schreibt Ackermann in einer "Bilanz" kurz vor Schluss des Buchs. Dem ist wenig hinzuzufügen.

Читайте на 123ru.net