Neom: Wunderstadt "The Line" in Schwierigkeiten: Saudis fahren Pläne offenbar zurück
Das Kollossal-Projekt "The Line" sorgte in den vergangenen zwei Jahren immer wieder für offene Münder: Bis 2030 wollte Saudi-Arabien eine linienförmige Großstadt für 1,5 Millionen Menschen in die Wüste bauen. Doch es scheint, als sei das Bauwerk zu ambitioniert gewesen.
Neom ist das Vorzeigeprojekt Saudi-Arabiens. Unter der Führung von Kronprinz Mohammed bin Salman sollen gleich mehrere gigantische Bauprojekte innerhalb kürzester Zeit entstehen und das Land auf wirtschaftlich nachhaltige Säulen stellen – für eine Zeit nach dem Öl sozusagen. Neben einem Seehafen und zwei luxuriösen Ferienresorts sorgt vor allem die linienförmige Metropole "The Line" für weltweites Aufsehen.
Der ursprüngliche Plan sah eine sogenannte Bandstadt mit einer Länge von 170 Kilometern vor, die eines Tages Platz für bis zu neun Millionen Menschen inmitten der Wüste bieten soll – nachhaltig und geschützt von klimatischen Veränderungen der Umwelt.
Wüstenstadt "The Line" wächst nicht schnell genug
Das Projekt wurde erstmals Anfang 2021 präsentiert, die Bauarbeiten begannen bereits wenige Monate später. Immer wieder gewährte Saudi-Arabien Einblicke in den Fortschritt des Bauwerks und wollte damit zeigen, wie ernst man es mit dem gigantischen Bau wirklich meint. Denn nicht wenige Architekten und Experten bezweifelten, dass der Bau einer solchen Stadt in so kurzer Zeit – oder überhaupt – möglich sei. Ende des Jahrzehnts sollte ursprünglich ein wichtiges Etappenziel erreicht werden.
Nun berichtet "Bloomberg" unter Berufung auf anonyme Quellen, dass die Pläne wohl tatsächlich zu ambitioniert gewesen sein könnten. Denn anstatt 2030 bereits Wohnraum für 1,5 Millionen Menschen (etwas weniger als Hamburg also) zu bieten, sollen wohl erst einmal "nur" 300.000 Menschen dort sesshaft werden. Das liegt vor allem daran, dass "The Line" bis Ende des Jahrzehnts offenbar nicht lang genug wird, um die geplante Einwohnerzahl erreichen zu können. Es heißt, in den kommenden sechs Jahren könne man lediglich 2,4 der geplanten 170 Kilometer überhaupt fertigstellen. Dass "The Line" in mehreren Etappen entstehen soll, wurde mehrfach kommuniziert – offenbar überschätzte man jedoch die Größe der einzelnen Abschnitte.
Ist das Ziel 2045 realistisch?
Aus einem Dokument, das "Bloomberg" vorliegt, soll hervorgehen, dass mindestens ein Bauunternehmer bereits mit Entlassungen begonnen haben soll. Vertreter von Neom und des öffentlichen Investitionsfonds des Königreichs reagierten nicht auf eine Anfrage, so das Wirtschaftsblatt. Die Verminderung der Arbeitskräfte ist vor allem deshalb erstaunlich, da Finanzminister Mohammed Al Jadaan erst kürzlich erklärte, dass die Geschwindigkeit der Bauarbeiten vor allem von Manpower und zuliefernden Fabriken abhänge.
Ob mit dem aktuellen Tempo eine Fertigstellung bis 2045 realistisch ist, ist fraglich. Ursprünglich sollte "The Line" dann die besagten neun Millionen Menschen aufnehmen können und im Kern fertig sein. Schätzungen zufolge sollen die Gesamtkosten für die Wüstenbandstadt bei bis zu einer Billion US-Dollar liegen. Insgesamt gibt die saudi-arabische Regierung für alle Neom-Projekte eine Investitionssumme von 1,5 Billionen US-Dollar an.