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"Time"-Interview: Donald Trumps Pläne für eine zweite Amtszeit sind radikal, aber nicht neu

Stern 

Wenn Donald Trump es zurück ins Weiße Haus schafft, will er Joe Biden den Prozess machen, Millionen Einwanderer abschieben und die Überwachung von Schwangerschaften ermöglichen. Der Aufschrei ist riesig – doch vieles ist längst bekannt.  

Donald Trump saß am Dienstag schon im Gerichtssaal in Manhattan als das Cover des Magazins "Time" in den sozialen Netzwerken viral ging. Jason Miller, einer der engsten Berater Trumps, teilte die Titelseite bei X mit dem Kommentar "Boom". Margo Martin, stellvertretende Kommunikationschefin schrieb: "Boss". Und Pressesprecherin Karoline Leavitt hatte es völlig die Sprache verschlagen, sie postete das Bild ohne Kommentar. Das Trump-Land im Freudenrausch.

"Falls Trump gewinnt" steht auf dem Cover, der Ex-Präsident schaut entschlossen in die Kamera. In zwei längeren Interviews hat Trump dargelegt, was er plant, wenn er wiedergewählt werden sollte. Elf Millionen Einwanderer will er mit Hilfe von Polizei und Militär abschieben. Auf ein Gesetz hingewiesen, das den Einsatz des Militärs gegen Zivilisten verbietet, sagte Trump: "Nun, das sind keine Zivilisten." Es sollen zudem neue Haftlager gebaut werden, die man aber nicht brauchen werde, weil so gut wie alle abgeschoben würden.

Trump in Time, 13.00

In dem Interview sagt Trump auch, dass er Joe Biden mit Hilfe eines Sonderermittlers den Prozess machen und viele Regierungsmitarbeiter in Washington feuern will, sehr viel mehr als gewöhnlich. Ein landesweites Abtreibungsverbot hält Trump für unrealistisch, er will die Bundesstaaten individuell entscheiden lassen. Auf die Frage, ob die Bundesstaaten Schwangerschaften von Frauen überwachen sollten, um zu überprüfen, ob diese eine Abtreibung vornehmen, sagte Trump: "Ich glaube, das könnten sie machen".

Donald Trump will den Rechtsstaat sabotieren

Das Interview ist mehr als eine Befragung durch einen Journalisten, es ist eine Art vorweggenommene Regierungserklärung. Nun ist das Entsetzen groß, ein Schrecken geht um. Das Interview zeigt aber vor allem, dass es offenbar eine Art kollektive Amnesie in Bezug auf Donald Trump gibt. Denn die allermeisten Punkte sind nicht neu.

Beispiel Abschiebungen: Schon in seiner ersten Präsidentschaft hatte Trump Massenabschiebungen geplant. Der sogenannte Einreisestopp für Muslime war damals nur ein erster Schritt, damit weniger Menschen ins Land kommen. Maßgeblich entwickelt wurde der Plan von Stephen Miller, der seit 2016 einer der engsten Berater Trumps ist. Miller ist für die Rolle als Stabschef im Gespräch, falls Trump die nächste Wahl gewinnen sollte. Bei der alljährlichen CPAC-Konferenz, ein Treffen von Ultrakonservativen und Rechtsradikalen, war Miller vor einigen Wochen zu Gast und plauderte offen darüber, dass die Abschiebungspläne seit der ersten Amtszeit in der Schublade liegen. Nur die Pandemie machte ihnen damals einen Strich durch die Rechnung.

Beispiel Biden-Anklage: Donald Trump drohte erstmals im Juni des vergangenen Jahres, er werde einen Sonderermittler einsetzen, der Joe Biden anklagen soll. Gelegentlich kommt an der Stelle der Einwurf, was daran denn so schlimm sei, schließlich gebe es mit Jack Smith auch einen Sonderermittler, der Trump anklagt. Das ist richtig, allerdings wurde Smith nicht von Joe Biden eingesetzt, sondern von Justizminister Merrick Garland. Traditionell haben amerikanische Justizminister eine große Unabhängigkeit. Trump kündigte an, er wolle diese Unabhängigkeit, die verfassungsrechtlich nicht abgesichert ist, aufkündigen. Das „Department of Justice“ bekäme künftig direkt Anweisungen aus dem Weißen Haus.

Eine mögliche Biden-Anklage wäre also nicht nur eine politische Verfolgung eines Konkurrenten, sondern auch ein Angriff auf den Rechtsstaat. In den USA wird darüber seit Monaten diskutiert, auch der stern hatte darüber berichtet.

Trumps Kontrollverlust vor Gericht

Beispiel tiefer Staat: Am Ende seiner ersten Amtszeit hatte Trump ein Dekret erlassen, das den sogenannten "Schedule F" in Kraft setzte. Dieser sollte es ihm ermöglichen, sehr viel mehr Bundesbeamte entlassen zu können als sonst üblich. Auf diese Art und Weise will Trump den sogenannten "tiefen Staat" bekämpfen. Gemeint sind Beamte, die nie gewählt wurden, aber für viele Regulierungen verantwortlich sind.

Wenn ein neuer Präsident ins Amt kommt, werden in der Regel etwa 4000 Stellen neu besetzt. Unter den Regeln von Schedule F könnten es 50.000 Positionen sein. Kritiker des Vorhabens meinen, dass der Mittelbau der Ministerien und Bundesbehörden damit politisiert werde. Nicht nur Topjobs würden neu besetzt werden, sondern auch Positionen von Abteilungsleitern.

Infobox US-Wahl-NL

Tatsächlich neu in dem Interview ist der Aspekt, dass Trump die Überwachung von Schwangerschaften für legitim hält. Der Republikaner gilt zwar als der Liebling der religiösen Basis, hält aber ein nationales Abtreibungsverbot für unrealistisch. Auch den Plan in Florida, Abtreibungen nach sechs Wochen zu verbieten, lehnt Trump ab. Umso bemerkenswerter ist sein Bekenntnis zu möglichen Überwachungen von Schwangerschaften, um Abtreibungen bestrafen zu können. 

Der Aufschrei über die Vorhaben ist groß, nachvollziehbarerweise. Doch die Anhängerinnen und Anhänger von Donald Trump wählen ihn nicht trotz seiner Pläne, sondern genau deswegen. Auf seinen Kundgebungen spricht der Ex-Präsident oft minutenlang über diverse Aspekte, die er auch im Interview thematisiert. Insofern gibt es keinen Grund anzunehmen, dass ihm die Berichterstattung schaden könnte. 

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