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Ein Jahr nach der Krönung: Alexander Graf von Schönburg: "Charles wird für immer im Schatten seiner Mutter stehen"

Stern 

Vor einem Jahr wurde König Charles III. gekrönt. Nach wenigen Monaten im Amt erhielt er eine Krebsdiagnose und musste sich zurückziehen. Ein Gespräch mit dem Autor Alexander Graf von Schönburg darüber, wie die Zukunft der britischen Monarchie aussehen könnte.

Graf von Schönburg, Sie haben die Krönung von König Charles vor einem Jahr intensiv verfolgt. Aus persönlichem Interesse durch Ihre weitläufige Verwandtschaft mit dem britischen Königshaus. Aber auch, weil Sie nach dem Tod von Elizabeth II. ein Buch über die Queen und ihr Erbe geschrieben hatten. Wie wirkte dieser aufwendig inszenierte Staatsakt damals auf Sie?
Natürlich war das alles ein prachtvoller Anblick und der Moment der Krönung sehr berührend. Aber im Nachhinein blieb bei mir eher ein Gefühl der Besorgnis zurück. Hätten Sie mich letztes Jahr im Mai gefragt, hätte ich ein eher düsteres Bild von der Zukunft der britischen Monarchie gezeichnet: Da wurde als Hoffnungsträger ein alter, fast schon greiser König gekrönt, im Gegensatz zur 27-Jährigen, strahlenden Königin Elizabeth 1953 – die Diskrepanz war schon sehr sicht- und fühlbar. Es fehlte einfach die Aufbruchstimmung.

Natürlich ist ein älterer Herr auf dem Thron nicht so attraktiv und spannend wie eine junge Frau, die den Thron in ihren besten Jahren übernimmt. Einem Mitte 70-Jährigen traut man einfach nicht mehr so viel Schaffenskraft zu, meinen Sie?
Genau, und dann kam wenige Monate später plötzlich auch noch diese Krebsdiagnose. Das rief bei vielen Menschen natürlich Sympathie und Mitleid hervor, steigerte auch Charles' Beliebtheit, weil er so offen damit umging und seitdem so viel Haltung gezeigt hat. Ich glaube aber auch, dass ein kranker König etwas sehr viel Tieferes in den Menschen anspricht. Es rührt an einer eher unterbewusst vorhandenen, ganz archaischen Vorstellung, einem fast irrationalen Glauben, dass die Vitalität des Landes von der Vitalität des Königs abhängt. Es gab schon antike und vormoderne Kulturen, die haben ihren König einfach umgebracht, wenn er alt war, aus lauter Angst, ein Herrscher, der nicht gesund und stark sei, führe sein Volk unweigerlich ins Verderben.

Alexander von Schönburg, Jahrgang 1969, arbeitet als Journalist und ist gleichzeitig Oberhaupt eines einst bedeutenden Adelsgeschlechts. Er war u. a. Redakteur der FAZ und Chefredakteur von "Park Avenue", zuletzt arbeitete er für die "Bild"-Zeitung. Von Schönburg hat mehrere Bestseller veröffentlicht. 2023 erschien sein Buch über die verstorbene Queen Elizabeth II.
© Norina von Weiler

Jetzt geht es dem König wieder besser, die Krebstherapie scheint zu wirken. Und mit seinem unermüdlichen Einsatz für den Klimaschutz war Charles schon seit den 70er Jahren seiner Zeit weit voraus, das wird mittlerweile sogar international gewürdigt. Reicht das nicht, um ihn als modernen und aktiven König erscheinen zu lassen, der noch viel für sein Land bewegen kann?
Ich fürchte nicht, auch wenn ich ein großer Fan von Charles bin, gerade auch, weil er ein wirklich großer Intellektueller ist. Wenn man sein Buch "Harmonie" liest, in dem er fordert, dass wir unsere gesamten Konsummuster und unseren Umgang mit Ressourcen komplett auf den Kopf stellen müssten, um den Klimawandel aufzuhalten, wird das klar. Oder wenn Sie sehen, welche wissenschaftlichen Organisationen, welche Think Tanks er schon lange unterstützt, das ist alles sehr fundiert, visionär geradezu. Bei ihm ist nichts so dahingesagt. Oder auch das Thema interreligiöser Dialog. Das sind wirklich Dinge, die ihn beschäftigen. Belesenheit war ja nie so eine Stärke in der Familie Windsor, aber das hat Charles von seinem Vater. Prinz Philip war auch ein großer Bücherfreund.

Sie meinen, er wird allgemein unterschätzt?
Ja, schon. Im Grunde ist Charles eine tragische Figur. Er erinnert mich etwas an unseren Kaiser Friedrich III., der 1888 nach Jahrzehnten des Wartens auf den Thron nach nur 99 Tagen im Amt an Krebs verstorben ist. Wenn dieser große Denker und Liberale 20 oder 30 Jahre mehr Zeit gehabt hätte, dieses Amt auszufüllen, würde die deutsche Geschichte wahrscheinlich ziemlich anders verlaufen sein, als dann unter seinem Sohn Wilhelm II. Genauso wird auch Charles für immer im Schatten seiner Mutter stehen, schon allein wegen der Länge ihrer Regentschaft. Das hätte ich ihm anders gewünscht, auch wenn wir natürlich bei der Queen für jeden Tag ihres Lebens dankbar waren. Ob er es jetzt, so spät im Leben und gesundheitlich angeschlagen, noch schaffen kann mit seiner Klimaschutz-Revolution und anderen seiner Herzensthemen massiv etwas zu bewegen, ist fraglich.

Aber geliebt wird er doch mittlerweile von seinen Untertanen? Seine Umfragewerte sind deutlich gestiegen seit der Krönung.
Schon, aber er liegt in den Beliebtheitsumfragen mit seinen um die 70 Prozent trotzdem weiterhin hinter seiner verstorben Mutter sowie William und Kate. Es ist ja auch nicht so, dass Charles noch mit vielen aufregenden Überraschungen um die Ecke kommen kann. Man weiß einfach schon lange so irre viel über ihn und sogar über sein Privatleben, anders als noch bei Elizabeth II., die um sich ein Mysterium entfalten konnte, weil so wenig über sie privat bekannt war. Deswegen ist es für mich schwer vorstellbar, dass es dem König gelingen könnte, mit irgendeiner Aktion noch das Ruder herumzureißen, sodass die Leute ihm plötzlich zu Füßen liegen. Geliebt und verehrt wie die Queen oder auch früher Diana wird er nicht von den Briten. Aber sie haben mittlerweile großen Respekt vor ihm.FS Krönung Charles III.

Wie sehen Sie das bei Prinz William? Der ist ein junger Thronfolger im Wartestand. Brennt er darauf, das Ruder in die Hand zu bekommen und seine Ideen umzusetzen?
Bei William bin ich mir da nicht sicher. Ehrlich gesagt habe ich manchmal das Gefühl, dass William die Last der Krone scheut. Was ich so höre von meinen Freunden auf der Insel, hat er dort in seinen Kreisen den Spitznamen "Nine to Five-Prince". Der Thronfolger ist scheinbar jemand, der sehr streng versucht, zwischen "royalem Beruf" und Privatleben zu trennen. Er mag es nicht, wenn Höflinge über ihn und seinen Terminkalender verfügen, für ihn entscheiden, wann er wo zu sein hat, obwohl das seit Langem so üblich ist in seiner Familie. Die Queen hatte nur ihre kleinen Inseln der Privatheit, zum Beispiel im Sommer in Balmoral, oder wenn sie sich in Sandringham um ihre Rennpferde kümmerte, das habe ich mehrfach erlebt. Aber diese privaten Inseln waren sehr selten und klar abgegrenzt.

Und das will William so alles nicht?
Nicht wirklich. Er möchte am liebsten abends in der Wohnküche in Adelaide Cottage sitzen und sich mit seiner Frau selbst um die Kinder kümmern. Von seinen Prinzenpflichten will er dann bis zum nächsten Morgen nichts mehr wissen. So verständlich das ist, weiß ich nicht, wie das die nächsten Jahre funktionieren soll. Denn ein königliches Amt ist nun mal kein Posten mit 40-Stunden-Woche. Und ein König, der im Grunde nicht richtig gerne König werden will, ist keine Idealbesetzung. Ich setze darauf, dass vor allem Kate ihrem William, vulgär gesagt, den Allerwertesten retten wird. Denn sie ist die charismatische Figur, die "Menschenfängerin" in der Königsfamilie, mit der sich die Menschen aktuell am meisten identifizieren können. William wirkt neben ihr geradezu blass, finde ich. Aber das Schöne ist: Anders als in der Paarkonstellation seiner Eltern, wo Diana bei Terminen durch ihr Charisma auch ihren Mann überstrahlte und der das sehr übelnahm, ist William einfach nur stolz auf sein Frau.

Die Reaktionen auf Kates Video, in dem sie so offen und anrührend über ihre Krebsdiagnose sprach, haben ihre besondere Ausstrahlung ja auch gezeigt. Dieses spürbare Aufwallen an Liebe für die Prinzessin von allen Seiten danach war also Ihrer Meinung nach nicht nur dieser speziellen Krankheits-Situation geschuldet?
Nein, das hat sich schon länger entwickelt. Das Video von Kate ist ein Musterbeispiel von sich entfaltendem Charisma. Früher war Kate nicht gut bei öffentlichen Reden, aber sie hat sich coachen lassen, und nach 13 Jahren in der Familienfirma ist sie auch in ihrer Rolle angekommen, das konnte man hier erleben. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie den Text abgelesen hat, das wirkte, als ob es direkt von Herzen käme. Sie hat nicht nur offen von ihrer Diagnose erzählt und wie sie und ihre Familie damit umgehen. Sie hat auch, viel wichtiger, etwas angesprochen, das in Krisenzeiten zwingend zum Markenkern einer Königsfamilie gehört: nämlich das Bewusstsein "ich leide an exponierter Stelle, ich weiß aber zugleich, ich trage ein Leiden, das viele meiner Mitmenschen und 'Untertanen' auch haben, und mache dadurch gewissermaßen deren Leiden leichter, indem ich Mitgefühl äußere und ich ein Gefühl der wechselseitigen Solidarität herstelle".

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© Piper

Interessant, dass ausgerechnet eine Bürgerliche im Königshaus sich derart zur neuen Lichtgestalt der Monarchie entwickelt hat. Aber es kann auch sein, dass William noch mehr Charisma entwickelt, in dem Moment, wo er wirklich ran muss und sich mit vollem Engagement auf die Königsrolle wirft.
Möglich, da bin ich aber ein bisschen skeptisch. Auf jeden Fall erfordert es viel Fingerspitzengefühl vom jetzigen König, gerade, solange er und auch Kate krank sind, mit William gut in der Balance zu bleiben, was die Ausübung der royalen Pflichten betrifft. Wie Königin Elizabeth immer gesagt hat, der Monarch muss gesehen werden, um seine Bedeutung, seinen Platz in den Herzen der Menschen zu behalten. Charles weiß das und lebt das. William dagegen möchte für seine Regentschaft später eher weg davon, ständig gesehen zu werden, im Land herumzureisen, und vor irgendwelchen neuen Krankenhausflügeln Bänder durchzuschneiden. Er möchte sich lieber auf wenige besonders wichtige Projekte konzentrieren, die ihm am Herzen liegen. Viele andere Termine plant er dann per Videocall wahrzunehmen.

Wie man hört, strebt der zukünftige William V. für sich später eine sehr viel simplere Krönungszeremonie an, als bei seinem Vater, die ja auch schon abgespeckter war im Vergleich zu 1953.
Ja, es heißt, er überlege sogar, auf das Ritual der Salbung zu verzichten. Er ist ja nicht so gläubig wie seine verstorbene Großmutter oder zumindest so stark spirituell veranlagt, wie sein Vater. Es ist natürlich immer eine Herausforderung: Beschädige ich den Markenkern der Monarchie, indem ich mich zu sehr bei der Zielgruppe anbiedere, zu modern werde? Andererseits, wie bewahre ich diese faszinierenden mittelalterlichen Elemente, die goldene Staatskarosse, die Krone, die ganze archaische Symbolik einer Krönung, die zum Mysterium Monarchie dazugehört, ohne dass es anachronistisch wirkt? Ich glaube, das ist eine stetige Herausforderung für die britische Monarchie, der sich jetzt noch Charles und später dann William und Kate stellen müssen, wenn ihre Zeit auf dem Thron gekommen ist.

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