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CDU-Generalsekretär Linnemann: Dieser Mann wurde verspottet – jetzt ist er Merz' Rettung

Stern 
CDU-Generalsekretär Linnemann: Dieser Mann wurde verspottet – jetzt ist er Merz' Rettung

Rastlos und immer unter Strom – das ist Carsten Linnemann. Der CDU-Generalsekretär hat sich zum wichtigsten Mann an Friedrich Merz' Seite entwickelt. Das war alles andere als absehbar.

Es gibt Sätze, die hören CDU-Mitglieder besonders gern. Carsten Linnemann hat sie alle drauf. "Wir nehmen die Menschen wie sie sind – nicht, wie sie sein sollen", ruft er am Montag in die Parteitagshalle im Berliner Estrel-Hotel. Der Jubel ist groß. Und Linnemann, heiser um seine Stimme kämpfend, könnte jetzt eigentlich ein bisschen rausnehmen. Leiser sprechen. Ruhe zulassen. Den Moment genießen. 

Was hat er für einen Weg hinter sich, vom wirtschaftspolitischen Rand der Partei bis in die Chefetage des Konrad-Adenauer-Hauses. Morgen wird die CDU beim Parteitag ein neues Grundsatzprogramm verabschieden, das vierte ihrer Geschichte. Und Linnemann wird erreicht haben, wofür er lange gekämpft hat. 

Mit 91,4 Prozent wählten ihn die Delegierten am Montag zum Generalsekretär. Bislang übte er den Job kommissarisch aus. Vom Chef gab’s als Geschenk ein neues Paar Laufschuhe. "Damit er fit bleibt", sagte Friedrich Merz.

Ein Linnemann am Ziel seiner politischen Träume? Fast am Ziel. 

Blitzanalyse Merz 13.19

Carsten Linnemann und die Frage der Nacht

Er hat gemahnt und gewarnt, viele Jahre lang, stets vergebens. Er wurde belächelt, manchmal sogar verspottet – bis zu dem Wahlabend 2021, der ihm recht gab. Aber da war es zu spät. Da war der Schaden angerichtet. Die CDU war inhaltlich blank.

Carsten Linnemann, 46, CDU, seit 2009 im Bundestag, hat in seiner politischen Karriere schon viele Vorschläge gemacht. Er hat ein Gesellschaftsjahr für alle gefordert und eine Vorschulpflicht für Kinder, die kaum Deutsch sprechen. Er hat Bücher über den Mittelstand geschrieben und eines über den politischen Islam herausgegeben. Und er hat sich mit Themen befasst, die andere meiden, weil man damit die eigenen Anhänger aufscheuchen kann: mit Steuer- und Rentenpolitik. 

In einer Partei, in der die meisten einfach nur regieren möchten, gehört er zu denen, die schon immer ab und an auch ein bisschen nachdenken wollen. Die ihre Parteifreunde mit inhaltlichen Lücken und offenen Flanken konfrontieren: Was sollte die Union denn umsetzen, wenn sie regiert? Welche drei Überzeugungen sollte jedes Parteimitglied auch nachts um drei Uhr parat haben? 

Plötzlich doch: Generalsekretär

Linnemann hat seine Chance bekommen. Unter Merz wurde er 2022 Vize-Parteichef, verantwortlich für das neue Grundsatzprogramm. In dieser Funktion wollte er die Partei inhaltlich neu aufstellen und beweisen, dass noch Leben in ihr steckt. Die CDU sollte wieder laufen lernen, und vor allem: Lust an der Debatte entdecken.   

Es lief gut für Linnemann, er war happy, wie er immer wieder betonte. Dann hatte Merz im Sommer 2023 eine neue Aufgabe für ihn: Generalsekretär. Linnemann überlegte kurz. Dann sagt er zu. Schließlich hatte er früher schon mit diesem Posten geliebäugelt, als Vertrauter von Merz galt er ohnehin. Sie ticken ähnlich. Doch genau darin sahen viele in der Partei auch ein Problem. Sollten CDU-Chef und General nicht zusammen die gesamte Breite der Volkspartei bespielen können? 

Linnemann hat Merz entlastet. So sehen sie es heute in der Partei. Er organisiert das Tagesgeschäft in der Parteizentrale. Er reist durchs Land, von Kreisverband zu Kreisverband. Er übernimmt nun oft die spontane Attacke. Merz kann sich voll auf seine Auftritte als Oppositionsführer und Kanzler im Wartehäuschen konzentrieren. Seine Ausrutscher sind seltener geworden. 

Seinen neuen Job betreibt Linnemann wie schon alle Aufgaben davor: mit einer demonstrativen Energie, die selbst im Hochleistungsbetrieb Politik auffällt. Immer unter Strom. Immer ungeduldig, dass es nicht noch schneller vorangeht. Einfach mal machen, lautet Linnemanns Motto. Einfach mal Pause machen fällt ihm bisweilen schwer.

"Friedrich, Du musst das machen"

Aufgewachsen ist er als Sohn einer Buchhändlerfamilie in Schwaney, einem kleinen Ort in der Nähe von Paderborn. Bis heute vertritt er den dortigen Wahlkreis, vier Mal in Folge hat er ihn für die CDU gewonnen. Linnemann studierte Betriebswirtschaftslehre, promovierte als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung in Volkswirtschaftslehre und arbeitete unter anderem als Assistent des Chefökonomen der Deutschen Bank, bevor er 2009 erstmals in den Bundestag einzog. Von 2013 bis 2021 war er Chef der Mittelstandsunion, der neoliberale Vordenker der Erhard-Erben. Entsprechend kalt kam er damals rüber, wie ein nassforsches BWLer-Jüngelchen.

Inzwischen verspottet ihn kaum jemand mehr als Linnemännchen. Dass Merz ihn zum Generalsekretär gemacht hat, gilt heute in der Partei als eine der besten Entscheidungen, die der CDU-Chef in den vergangenen zwei Jahren getroffen hat. Im neuen Amt ist Linnemann zum Generalisten gereift – und ja, auch zu einem potenziellen Minister im ersten Kabinett Merz. 

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Wenn das Grundsatzprogramm an diesem Dienstag verabschiedet ist, will Linnemann tatsächlich kurz innehalten. Sich klarmachen, was er da erreicht hat. "Das wird ein ganz besonderer Moment", sagt er. "Das wird historisch." 

Am Ziel ist er dann noch lange nicht. Wie auch? Gewählt wird schließlich erst nächstes Jahr. Linnemann wird die bundesweite Kampagne leiten. Das wird neu für ihn – und die gesamte Führungsriege im Konrad-Adenauer-Haus. Zuerst steht im Spätsommer die K-Frage an. Wobei Linnemann die für sich längst beantwortet hat. "Friedrich, Du musst das machen", sagte er Anfang des Jahres im stern-Interview. 

Es klang durchaus drängend. Einfach abwarten ist seine Sache nicht.

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