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Aus in der Champions League: Neuers Patzer und das Schiri-"Desaster": Warum die Wut den Bayern gut tun könnte

Stern 
Aus in der Champions League: Neuers Patzer und das Schiri-

Mit einem dramatischen Finish ist der FC Bayern München aus der Champions League ausgeschieden. Die bittere Pleite gegen Real Madrid könnte aber ein neuer Anfang für die Münchner sein.

Ohne Drama machen es die Bayern nicht in einem ihrer Schicksalsstadien, im Estadio Santiago Bernabéu von Real Madrid. Mal Triumph wie 2012 als man im Elfmeterschießen weiterkam, meist Tragödie. Diesmal fiel das Ausscheiden im Champions-League-Halbfinale durch das 1:2 bei Real in die Abteilung Desaster. Nur wenige Minuten fehlten den Münchnern nach der Führung zum Einzug ins Endspiel von London, zur Neuauflage des Bundesliga-Duells gegen Borussia Dortmund von 2013.

Ein "minimaler Maulwurf" und ein aus Münchner Sicht maximales Schiedsrichter-Desaster haben die Bayern in einen Schockzustand versetzt. Erst machte Torhüter Manuel Neuer in der 88. Minute bei 1:0-Führung einen Patzer als er einen Aufsetzer-Schuss von Vinicius Junior nach vorne abprallen ließ. Den Abpraller verwertete Joker Joselu. "Da war ein minimaler Maulwurf im Platz", haderte Neuer und meinte kopfschüttelnd: "Brutal." Und wenn's nicht läuft, kommt auch noch Pech dazu. "Es war maximal unglücklich, die letzten Minuten ist alles zusammengekommen", lamentierte ein aufgebrachter Thomas Tuchel. Der scheidende Bayern-Trainer haderte mit dem Schicksal, sagte: "Wir waren fast über der Ziellinie. Wir verstehen nicht so ganz, warum es nicht gereicht hat."

Bayern hadern mit dem Schiedsrichter

Zumindest nicht in die Verlängerung. Denn als die Nachspielzeit bereits abgelaufen war und Bayern mit dem Mute der Verzweiflung einen letzten Ball nach vorne geschlagen hatte, lag dieser nach einem Schuss von Matthijs de Ligt plötzlich im Tor der Gastgeber. 2:2 - doch Schiedsrichter Szymon Marciniak hatte sofort gepfiffen, weil sein Linienrichter direkt auf Abseits entschieden hatte. Dadurch konnte der VAR nicht mehr eingreifen. In solch engen Situationen lassen Schiedsrichter ansonsten weiterlaufen, um abzuwarten, ob ein Tor fällt. Danach wird die kalibrierte Linie gezogen, eine Abseitsstellung überprüft. Nicht in dieser Szene. Die Bayern waren fassungslos, außer sich vor Wut. Noch lange nach dem Abpfiff.Bayern verpassen Finale

"Die Entscheidung ist ein Desaster, ein absolutes Desaster", echauffierte sich Tuchel und verwies auf den 2:1-Siegtreffer von Joselu zu Beginn der Nachspielzeit, der erst durch den VAR-Check bestätigt wurde: "Beim zweiten Tor von Real Madrid lassen sie auch weiterspielen. Es wäre das gleiche gewesen. Die Spielszene muss zu Ende gespielt werden, das ist die Regel. Vor allem, wenn sie so eng am Tor ist und sie so knapp ist. Den Fehler macht der Linienrichter. Den zweiten Fehler macht der Schiedsrichter. Der Schiedsrichter muss nicht pfeifen, er kann genauso gut sagen: ‚Hey, Moment mal, wir sind im Sechszehner. Ich warte die Szene ab und dann können wir es uns alle gemeinsam anschauen.‘ So ist es beim zweiten Tor passiert. Das ist ein Regelverstoß. Das ist gegen jede Regel des modernen Fußballs." Und dann schob Tuchel in der Emotion einen Vorwurf nach, der bei den Gastgebern nicht gut ankam: "Das wäre auf der anderen Seite nicht passiert." In eine ähnliche Kerbe schlug der verhinderte Torschütze de Ligt: "Ich finde die Szene unglaublich. Ich kann das nicht verstehen, da musst du durchspielen (lassen, d.Red.). Ich möchte nicht sagen, dass Madrid immer Glück hat, aber das macht heute den Unterschied."

Real-Coach Ancelotti attackiert Kimmich

Real-Trainer Carlo Ancelotti, ab 2016 beim FC Bayern angestellt und zu Beginn seiner zweiten Saison im September 2017 bereits wieder entlassen, konterte: "Die letzte Szene ist ganz klar. Möglicherweise ist es Abseits und wir hören auf zu spielen. Sie beschweren sich – und wir uns auch wegen des Treffers von Nacho. Kimmich hat sich fallenlassen." Damit bezog sich Ancelotti auf den zunächst gegebenen 1:1-Ausgleich durch Nacho in der 72. Minute, den Marciniak nach eigener Überprüfung der Szene wieder einkassiert hatte. Zu Recht. Reals Abwehrspieler hatte zuvor beide Hände im Gesicht von Gegenspieler Kimmich und stieß diesen zu Boden.

Dass sich der Schiedsrichter hinterher den Fehler eingestand und sich bei den Bayern entschuldigte, konnte die erste Wut nicht lindern. "Davon können wir uns einen Scheißdreck kaufen", tobte Sportvorstand Max Eberl, der tief enttäuscht nachlegte: "Wir waren alle für ein deutsches Finale. Alle außer die polnischen Schiedsrichter."Interview Felix Magath 12:05

Doch auch diese Polemik kann den Fakt, dass Bayern erstmals seit der Saison 2011/12 ohne Titel dasteht, nicht ausradieren. Ein turbulentes, teils chaotisches Jahr erreichte in diesem Achterbahnspiel von Madrid seine passende Zuspitzung. Unterm Strich ist das Ausscheiden verdient, die durch Verletzungen (Serge Gnabry und Harry Kane) und Krämpfe (Jamal Musiala und Aleksandar Pavlovic) gebeutelten Münchner hätten eine Verlängerung im aufgeladenen Dampfkessel Bernabéu wohl nicht schadlos überstanden. Aber daran zu glauben, streichelt zumindest die bayjuwarische Seele, Und Wut tut gut. Denn mit der Zeit, wenn das Adrenalin abgebaut ist, können die Bayern im Schlechten womöglich auch das Gute sehen: Hoffnung.

Dieser Schock, das Ende in Madrid, könnte ein Anfang sein. Mit Wut im Bauch, einem neuen Trainer (den sie übrigens auch in den 48 Stunden in Spanien nicht gefunden haben) und einer durch Transfers erneuerte Mannschaft will Bayern in die kommende Spielzeit gehen. In eine Saison, die 2025 ins zweite "Finale dahoam" in der Allianz Arena führen soll. Als erster verwies darauf Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen bei seiner Rede zur Eröffnung des mitternächtlichen Banketts. Dreesen sprach einleitend von einer "sehr, sehr schmerzlichen Niederlage. Wir haben eine außergewöhnliche Champions-League-Saison gespielt. Nun wollen wir kein schlechter Verlierer sein und trotzdem fühlt sich diese Entscheidung (der Schiedsrichter, d.Red.) schlichtweg falsch an. Deswegen ist es umso bitterer." Dreesen weiter: "Wir sind auch in der Vergangenheit schon durch solche Talsohlen, durch tiefe Gräben gegangen. Das zeichnet uns als FC Bayern und die Bayern-Familie aus, dass wir nach so bitteren Niederlagen dann wieder stärker als zuvor zurückkommen. Das ist das, was wir immer als unseren Mia-san-Mia-Reflex bezeichnen. Das soll uns auch leiten nach vorne, auch an einem so schweren Tag wie heute."

Erinnerungen an 2012 wecken Hoffnungen

Im Veranstaltungssaal "Platea", einem ehemaligen Kino mit Gourmetküche auf der Plaza de Colón, erinnerte Dreesen an den Horrorfilm von 2012, als die Bayern in ihrem ersten "Finale dahoam" gegen den FC Chelsea trotz absurder Überlegenheit nicht gewinnen konnten und dann im Elfmeterschießen tragisch scheiterten. Am Tag danach habe Thomas Müller, so Dreesen in den Chat der Mannschaft getextet: "Kopf hoch, Jungs! Das war gestern! Was gestern passiert ist, tut extrem weh. Aber nächstes Jahr schlagen wir zurück!"Nagelsmann_BVB 14.50

Wiederholt sich die Geschichte? Ohne 2012 wäre der Champions-League-Triumph von Wembley 2013 gegen den BVB wohl nicht möglich gewesen. Auf den "Sekundentod", die zwei späten Gegentore, durch die Bayern 1999 im Finale von Barcelona äußerst tragisch noch 1:2 gegen Manchester United verloren, folgte zwei Jahre später der Gewinn des Henkelpotts in Mailand gegen den FC Valencia.

Also rief Dreesen in Madrid ins Mikrofon: "Und das ist das, was ich Ihnen auch heute sagen möchte: Kopf hoch, Mannschaft! Ihr habt fantastisch gespielt! Ihr könnt Euch nichts vorwerfen! Es muss unser Ziel sein, ab morgen den Blick nach vorne zur richten. Wir haben nächstes Jahr das Finale zu Hause, das ist jetzt unser großes Ziel. Dann werden wir dieses Finale hoffentlich auch erreichen, und erfolgreich bestreiten."

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