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Attacken auf Politiker: So wollen die Parteien ihre Wahlkämpfer vor Angriffen schützen

Stern 
Attacken auf Politiker: So wollen die Parteien ihre Wahlkämpfer vor Angriffen schützen

Die Angriffe auf Politiker und Wahlkampfhelfer häufen sich. Was tun die Parteien dagegen? Der stern hat nachgefragt.

Die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey wirkt gefasst, als sie am Mittwoch am Ufer der Spree in die gleißende Sonne tritt. Am Tag zuvor war die SPD-Politikerin beim Besuch einer Bibliothek attackiert worden. Ein Mann habe ihr mit einem Beutel, der mit einem harten Gegenstand gefüllt gewesen sei, auf Kopf und Nacken geschlagen. Sie beobachte in Deutschland eine "Art Freiwildkultur", sagt die ehemalige Bundesfamilienministerin den anwesenden Pressevertretern. "Nach dem Motto: Gerade mit Politikerinnen und Politikern spielt es keine Rolle, man kann da alles machen." 

Der Angriff auf Giffey ist nicht der einzige Vorfall der vergangenen Tage: In Dresden wurde der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke beim Aufhängen von Wahlplakaten so schwer verletzt, dass er operiert werden musste. Auch zwei Plakatierteams der Grünen wurden angegriffen. Im niedersächsischen Nordhorn wurde ein AfD-Abgeordneter an seinem Infostand mit einem Ei beworfen und ins Gesicht geschlagen. 

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, äußerte sich kürzlich besorgt: Im gesamten vergangenen Jahr habe man 27 körperliche Angriffe auf Politiker gezählt, in diesem Jahr seien es schon 22. Auch die Zahl der Beleidigungen sei deutlich angestiegen. Von Beleidigungen seien die Grünen bundesweit am stärksten betroffen, von Körperverletzungen die AfD

Schutz vor Angriffen: Diese Tipps geben die Parteien

Wie können die Parteien ihre Engagierten vor Ort schützen? Notgedrungen stehen sie dieser Frage etwas hilflos gegenüber, schließlich können sie nicht jeden Lokalpolitiker, jede Wahlkampfhelferin von Personenschützern begleiten lassen. Doch sie versuchen, Vorkehrungen zu treffen und Empfehlungen zu geben. Wie genau sieht das aus? Der stern gibt den Überblick:

  • SPD: Hotline und Beratung zu neuen Empfehlungen

    Bei den Sozialdemokraten gibt es eine direkte Hotline in die Parteizentrale, das Willy-Brandt-Haus, bei welcher sich Mitglieder melden können, die Angriffe vor Ort erleben. "Wir stellen außerdem Handreichungen zur Rechtssituation bei Hass im Netz oder zum Schutz von Veranstaltungen bereit", so ein Sprecher. Über die eigene Parteischule biete man zudem seit Jahren Schulungen zu dem Thema an. 

    Aktuell wolle man sich die Situation nochmals neu anschauen: "Angesichts der jüngsten Entwicklungen werden wir zusammen mit den Gliederungen über eine Mindestanzahl von Teilnehmenden für Aktionen wie Plakatierungen und Infostände beraten." Auch werde man die Sicherheitsbehörden vor öffentlichen Veranstaltungen oder Auftritten "noch gründlicher informieren als bisher schon".

    Brandanschlag Thüringen vor Ort 11.15

  • Grüne: Workshops und Leitfäden 

    Die Grünen bieten Workshops für die Kreis- und Landesverbände an. Auch stelle man den Wahlkämpfern Checklisten und Leitfäden mit Tipps zur Verfügung, heißt es aus der Partei. Dabei gehe es etwa darum, beim Plakatieren nicht allein unterwegs zu sein, und zu wissen, wie man ein Gespräch im Zweifel deeskalieren könne.

  • FDP: "Bedachtsam und nicht alleine agieren"

    Auch bei den Liberalen gibt es eine ähnliche Strategie: "Wir sensibilisieren unsere Mitglieder und Wahlkämpfer, bedachtsam und nicht alleine zu agieren", so ein Sprecher. Für Veranstaltungen der Partei, etwa Wahlkampfkundgebungen, gebe es grundsätzlich ein Sicherheitskonzept. 

  • AfD: Polizeien müssen auch Info-Stände besser schützen

    Bei der AfD heißt es, man sei den Polizeien, insbesondere dem BKA, grundsätzlich dankbar dafür, dass sie ihre Veranstaltungen schützten. Allerdings wünsche man sich auch Nachbesserungen der Behörden und der regionalen Politik, so ein Sprecher. So sollen auch die "einfachen Mitglieder und Freunde, die eine Wahlkampfveranstaltung oder einen Info-Stand besuchen wollen, besser vor Angriffen der Antifa oder anderen geschützt werden".

  • Linke: Vorfälle an Bundesgeschäftsstelle melden und Anzeige erstatten

    "Wir raten unseren Mitgliedern, Wahlkampfaktionen nicht alleine zu organisieren, sondern Gruppen zu bilden", sagt die Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert. "Auch für das Plakate-Aufhängen ist es uns wichtig, dass dies nicht alleine gemacht wird." In Situationen der Bedrohung oder bei Beschädigung von Materialien rate man den Mitgliedern, die Polizei zu rufen und Anzeige zu erstatten. Auch empfehle man den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern, sich selbst zu schulen, "indem sie wichtige Handreichungen von den bundesweiten Beratungen gegen Rechtsextremismus nutzen und verinnerlichen". 

    Im Moment finde vermehrt eine Sensibilisierung der Aktiven in der Partei statt, so Schubert. Auch gebe es inzwischen eine Kontaktadresse in der Bundesgeschäftsstelle, bei der Störungen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen gemeldet werden sollen.

Von der Union erhielt der stern auf die Anfrage keine Rückmeldung.

Was tut die Politik sonst? Die Innenminister von Bund und Ländern wollen angesichts der jüngsten Vorfälle prüfen, ob eine Verschärfung des Strafrechts nötig sei. Die aggressive Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern müsse mit ihrer besonderen Wirkung auf die Demokratie strafrechtlich schärfer gefasst werden, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). 

Schutz von Politikern: Innenminister wollen schärfere Strafen prüfen21.34

Das allerdings hält Konfliktforscher Andreas Zick für nicht zielführend: Eine Gesetzesverschärfung wäre Wasser auf die Mühlen von Populisten, sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Diese könnten dann behaupten, die Politik habe die Kontrolle verloren. Er fordert stattdessen die Förderung von Gewaltprävention und Konfliktmanagement – gerade auf lokaler Ebene. Dem Bielefelder Wissenschaftler zufolge haben sich "nach Jahren der Polarisierung aggressive Feindbilder von Politik durchgesetzt".

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht deshalb auch eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft: "Wie können wir ein besseres gesellschaftliches Klima auch schaffen, damit es nicht mehr passiert?", fragte sie in den "Tagesthemen".

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