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Serie: Wie ein Roman Truman Capote den Zugang zur High Society kostete

Stern 
Serie: Wie ein Roman Truman Capote den Zugang zur High Society kostete

Im grandios besetzten Achtteiler "Feud: Capote vs. The Swans" erzählt Ryan Murphy die Geschichte, wie der berühmte Schriftsteller von der High Society ausgestoßen wird.

Er hat es wirklich getan. Hat einen Nachwuchskoch aus seinem Lieblingsrestaurant angeheuert. Ihn nachts in den Central Park geschickt, damit er sich einen dieser besonderen Vögel schnappt, den Hals umdreht, brät und dann, gewürzt mit Thymian und Ingwer, serviert. Truman Capote verspeist an diesem Abend tatsächlich einen Schwan.

Wer sich ein wenig auskennt mit dem Leben des Lebemanns, der nach Veröffentlichung des True-Crime-Romans "Kaltblütig" im Jahr 1966 endgültig zum Superstar geworden war, kennt die Bedeutung der eleganten Tiere für den US-Schriftsteller. Nach einer Kindheit in der Provinz von Alabama hatte Capote sich schnell New York erobert. Die Freundschaft zu einer Gruppe einflussreicher Frauen, den It-Girls ihrer Generation, war seine Eintrittskarte in die Welt der Begehrten und Begüterten. Er taufte sie "The Swans", die Schwäne. Weil sie mühelos über die Oberfläche der Gesellschaft zu gleiten schienen, darunter jedoch wegen des Ballasts ihrer Schönheit und Machtansprüche doppelt so heftig paddeln mussten wie gewöhnliche Enten.

Capote wurde für die Damen bald zu einer Mischung aus Beichtvater, Seelentröster und Hofnarr. Der Zirkel weihte ihn ein in Affären und andere Geheimnisse; sein Talent für Klatsch und saftige Anekdoten machte ihn zum Mittelpunkt von Cocktailpartys und Wochenendtrips im Privatjet. Eine Art bester schwuler Freund mit Froschstimme, bei dem eine Frau nie Sorge haben musste, er wolle ihr an die Lingerie.

Truman Capote 1957 zwischen Jeanne Murray Vanderbilt (l.) und Barbara Paley
Frauen wie Schwäne: der Schriftsteller zwischen Jeanne Murray Vanderbilt (l.) und Barbara Paley
© ullstein bild

Bis Capote eine literarische Atombombe zündete. Der sonst so kultivierte Schriftsteller machte den wohl größten Fehler seiner Karriere, schlachtete seine Einblicke in die High Society für einen Roman aus: "Erhörte Gebete". Ein Kapitel über das Treiben rund um das Restaurant "La Côte Basque" erschien 1975 als Vorabdruck in einem Männermagazin. Ein Vertrauensbruch mit Folgen: Eine der Frauen – Capote unterstellte ihr einen Mord am Ehemann – nahm sich daraufhin das Leben. Capote wurde fast über Nacht zum Ausgestoßenen erklärt. Verbannt aus einer Welt, in der es einen Unterschied macht, ob man dir aus Wut Chablis oder Sancerre ins Gesicht schüttet.

Capote verfiel anschließend endgültig seiner Trunksucht, wurde krankenhausreif geprügelt und wollte sich mit Medikamenten vergiften.

Aus der existenziellen Fehde ist nun die Serie "Feud: Capote vs. The Swans" entstanden. Hinter dem Projekt steckt der Produzent und Autor Ryan Murphy, bekannt als Showrunner von Serien wie "Glee", "American Horror Story" und Schöpfer von "Nip/Tuck – Schönheit hat ihren Preis". Murphy kennt sich aus mit Oberflächen und deren Schattenseiten.

Ein Zirkus aus Gefallsucht und Gehässigkeiten

Seine Geschichte über den Aufstieg und Fall des Bohemiens ist bereits der zweite Teil einer Anthologie über berühmte Zerwürfnisse. Der erste Teil kreiste um die Rivalität zwischen den Schauspielerinnen Bette Davis und Joan Crawford, die beim Dreh des Horrordramas "Was geschah wirklich mit Baby Jane?" aneinandergerieten

Bei der Besetzung des neuen Achtteilers hätte auch Capote entzückt in die Hände geklatscht: In das Federkleid der Schwäne sind Naomi Watts, Diane Lane, Chloë Sevigny, Demi Moore und Calista Flockhart geschlüpft. Tom Hollander ("Stolz & Vorurteil"), nicht zu verwechseln mit Spider-Man Tom Holland, spielt den Schriftsteller fulminant und mit vielen Manierismen. Jessica Lange gibt seine Mutter. Ein Großteil der Folgen steht unter der Regie von Gus van Sant, oscarnominiert für "Good Will Hunting" und "Milk".

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Die Serie wirkt oft wie von Capote selbst ersonnen. Scharfe Dialoge treffen auf bissigen Humor, Stilbewusstsein auf einen Reichtum, bei dem Männer sich bei ihren Angetrauten für Fehltritte mit einem Gemälde entschuldigen: "Der Gauguin hat dir doch schon immer gut gefallen. Oder doch lieber den Monet?"

Leitmotiv in diesem Zirkus aus Gefallsucht und Gehässigkeiten bleibt die Frage, wie wahrhaftig Kunst sein darf und wie verletzend. Hat Truman Capote durch seine Prosa die Schwäne unsterblich gemacht? Oder sich selbst besudelt? "Die einzige unverzeihliche Sünde ist vorsätzliche Grausamkeit", hat Capote in einer Erzählung formuliert.

Warum er überhaupt das Risiko einging? "Das ist es, was Schriftsteller tun", rechtfertigt er sich in "Feud". "Weil es blutig ist, wahr und real." Und weil er so seine Schreibblockade lösen konnte.

Zu kurz kommt dabei der Hintergrund der Frauenfiguren. Barbara Paley, Lee Radziwill, C. Z. Guest und Slim Keith waren Mode-Göttinnen ihrer Zeit, haben Künstler wie Warhol und Dalí inspiriert, waren dicke mit Hemingway und den Kennedys oder haben Lauren Bacall für Hollywood entdeckt. Und sie haben Homosexualität, damals noch als kriminell verfolgt, salonfähig gemacht. Das konnte auch Capote nur gefallen haben.

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