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Podcast "Die Boss - Macht ist weiblich": Mirjam Kottmann ist die erste TV-Moderatorin im Rollstuhl: "Ich wollte nicht die kranke Mirjam sein"

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Mirjam Kottmann moderiert seit Februar die Nachrichten beim Bayerischen Rundfunk – im Rollstuhl. Nach 70 Jahren Öffentlich-Rechtlichen ist sie die erste, die das tut. Bei "Die Boss" spricht sie über ihre Krankheit MS, über ihre Liebe zum Journalismus und darüber, warum Barrierefreiheit uns alle interessieren sollte.

Audio Mirjam Kottmann

Dass das Bild von Mirjam Kottmann im Rollstuhl am Nachrichtenpult des BR durch alle Medien gegangen ist, war eine bewusste Entscheidung. Und trotzdem sagt die 49-jährige Moderatorin: "Im Mittelpunkt sollte immer noch meine Arbeit als Journalistin stehen und nicht, dass ich im Rollstuhl sitze." So weit sind wir allerdings offensichtlich noch nicht.

In der aktuellen Folge "Die Boss" spricht Mirjam Kottmann mit Gastgeberin Simone Menne über den Umgang mit Krankheit in Deutschland, über die Gefahr, dass Menschen aufgrund ihrer Behinderungen in eine Sonderwelt abgeschoben werden. Sie erklärt, warum sie den Begriff "behindert" eigentlich nicht mag und warum man trotzdem manchmal über Einschränkungen lachen darf. Aber: "Wir müssen davon wegkommen, Menschen, die eine Beeinträchtigung haben, darauf zu reduzieren und sie dann dafür zu loben, dass sie trotz ihrer Beeinträchtigung etwas toll können."

Barrierefreiheit in Deutschland: "Da ist so viel im Argen, das ist wirklich zum Schämen"

Ihr Urteil über Barrierefreiheit in Deutschland ist vernichtend: "Da ist so viel im Argen, das ist wirklich zum Schämen." 97 Prozent derer, die im Rollstuhl sitzen, bekommen diese Behinderung durch einen Unfall oder eine Krankheit, sagt Kottmann. Oder man ist im Alter auf den Rollstuhl angewiesen. "Es kann tatsächlich jeden treffen. Insofern ist barrierefreies Denken doch für uns alle."

Die Journalistin hat mit nur 22 Jahren die Diagnose Multiple Sklerose bekommen. Jahrelang hat sie große Reportagen beim BR realisiert, historische Momente begleitet. Sie moderierte beim Skifahren, kletterte einen vereisten Wasserfall hinauf, begleitet den Tod von Papst Johannes Paul II. und die anschließende Wahl eines deutschen Papstes. Es ist die Vielfalt des Berufs, die ihre Liebe zum Journalismus so groß macht, erzählt sie.

Irgendwann aber habe man die Symptome der MS nicht mehr verstecken können, sie muss ihre Krankheit offen ansprechen, ein schwieriger Schritt: "Ich wollte nicht die kranke Mirjam sein. Ich wollte einfach die normale Reporterin Mirjam sein, die man überall hinschicken kann, die ins Hochwasser geht, die zum Skifahren geht, die einfach ganz normal behandelt wird. Ich wollte nicht reduziert werden auf die Krankheit. Ich hatte Angst, keine spannenden Geschichten mehr zu bekommen." Mirjam Kottmann arbeitet weiter in der Auslandsredaktion, nicht mehr alles geht, aber manches eben doch – wie die Moderation einer Nachrichtensendung.

"Der Beruf gibt mir Halt, Struktur und Kraft", sagt sie. "Wenn ich in der Arbeit bin mich wirklich konzentriere auf das, was ich mache, unterwegs bin, Interviews führe, vergesse ich meine Krankheit. Auch wenn ich im Fernsehstudio bin und meine Sendung moderiere, bin ich Journalistin, und da spielt es überhaupt keine Rolle, dass ich im Rollstuhl sitze."

Trotzdem hadert die 49-Jährige jeden Tag mit ihrer Situation, sagt sie. "Es ist vieles, vieles nicht mehr möglich und ich bin darüber unendlich traurig." Am schlimmsten sei die Unfreiheit, nichts mehr spontan unternehmen zu können, immer auf Hilfe angewiesen zu sein. Und trotzdem sagt sie, zurückschauen bringe nichts: "Man muss den Fokus darauf legen, was noch geht, wirklich leben und die Dinge nicht aufschieben."

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Bei "Die Boss – Macht ist weiblich" sprechen Spitzenfrauen unter sich: Gastgeberin und Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne (unter anderem BMW, Deutsche Post DHL, Henkel) trifft  Chefinnen aus allen Gesellschaftsbereichen, um mit ihnen über ihr Leben und ihre Karriere zu reden. "Die Boss" erscheint vierzehntäglich immer mittwochs auf stern.de und dem Youtube-Kanal des stern  sowie auf RTL+ und allen gängigen Podcast-Plattformen. 

Hinweis der Redaktion: Der stern gehört zu RTL Deutschland.

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