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Presseschau: Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen? "Billiges Wahlkampfgetöse"

Stern 
Presseschau: Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen?

Bundeskanzler Olaf Scholz fordert die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Doch damit zieht er nicht nur Kritik von Arbeitgebern auf sich – auch deutsche Medien sind sich weitgehend einig.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich für eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro ausgesprochen. "Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben", sagte Scholz dem stern. Von Arbeitgebern erntet er erwartungsgemäß Kritik für diesen Vorstoß. In den Kommentarspalten deutscher Zeitungen kommt Scholz nicht viel besser weg.

Das schreiben Medien zum Vorschlag von Olaf Scholz:

Badische Neueste Nachrichten (Karlsruhe)

"Ein Sündenfall kommt selten allein. Wieder mischt sich die Politik in die Debatte um den Mindestlohn ein, wieder wollen die Regierenden der unabhängigen Kommission zur Festlegung der Lohnuntergrenze vorschreiben, wie sie zu entscheiden hat. Mit einem gravierenden Unterschied: Dieses Mal ist es kein Hinterbänkler, sondern der Bundeskanzler höchstpersönlich."STERN PAID 21_24 Olaf Scholz IV

Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Prägt die Politik mit dem Mindestlohn Tarifrunden vor, wächst die Gefahr wirtschaftlich nicht verkraftbarer Abschlüsse. Der schleichende Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit mahnt schon zur Vorsicht. Dass Scholz die flaue Konjunktur nun noch mit einer Mindestlohndrohung belastet, ist ein Affront gegen die Wirtschaft und zeugt von Übermut."

Kölner Stadt-Anzeiger

"Die Forderung nach 15 Euro Mindestlohn ist nicht nur ein Schuss vor den Bug für die Wirtschaft. Ein solcher Vorstoß läuft auch dem Versprechen der früheren SPD-Arbeitsministerin und heutigen BA-Chefin Andrea Nahles entgegen. Sie hatte seinerzeit zugesagt, dass eine Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften Jahr für Jahr den Mindestlohn festlegt. Dagegen hat die Ampel auf Druck der SPD bereits einmal verstoßen. Inzwischen ist klar: Die Sozialdemokraten wollen den Mindestlohn grundsätzlich politisch und nicht nach volkswirtschaftlichen Kriterien bestimmen. Ein riskantes Manöver."Mindestlohn Europavergleich 19:48

Neue Osnabrücker Zeitung

"Dass Scholz jetzt wieder dazwischen grätscht, und diesmal als Kanzler, werten die Arbeitgeber zurecht als Tabubruch. Es braucht keinen dirigistischen Staat, der Unternehmer bevormundet. Es braucht mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Flexibilität. Aber wer Firmen höhere Mindestlöhne aufzwingt, nimmt ihnen zugleich Spielraum für eine bessere Bezahlung all derer, die über dem Mindestlohn liegen und für ihre Leistungen belohnt werden wollen. Die arbeitende Mitte eben, um die sich die SPD angeblich auch so intensiv kümmert. Der Ruf nach 15 Euro ist deswegen ein falsches Signal und ziemlich plumpes Wahlkampfmanöver. Der wachsende Fachkräftemangel bringt Arbeitgeber ohnehin unter Druck, mehr zu zahlen. Einen übergriffigen Kanzler braucht es dafür nicht."

Reutlinger General-Anzeiger

"Kanzler Olaf Scholz fordert eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Doch das ist nur billiges Wahlkampfgetöse. Denn die Festsetzung ist nicht Sache der Politik. Die Entscheidung treffen Arbeitgeber und Gewerkschaften. Mit seiner Einmischung untergräbt der SPD-Mann die Tarifautonomie. Fraglich ist auch, ob Beschäftigte langfristig profitieren. Denn höhere Löhne führen zu höheren Preisen und setzen eine Negativ-Spirale in Gang. Arbeit – und zwar gering qualifizierte – wird teurer: ein Problem, mit dem Deutschland im internationalen Vergleich schon jetzt kämpft. Das verstärkt den Druck auf Unternehmen, Jobs ins Ausland zu verlagern oder durch Technik zu ersetzen. Damit hätten die Sozialdemokraten Geringverdienern einen Bärendienst erwiesen."Exklusiv: Spahn greift Scholz an

Stuttgarter Zeitung

"Der Kanzler hat bislang nicht angekündigt, noch einmal per Gesetz für höhere Mindestlöhne eingreifen zu wollen. Seine Worte wecken bei den Menschen im Land aber eine Erwartungshaltung, hinter die er im schlechtesten Fall nur schwer zurückkann. Das Beste wäre, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften sich in der Mindestlohnkommission Mitte 2025 regulär auf eine angemessene Erhöhung des Mindestlohns verständigen würden. Tun sie es nicht, wäre die Kommission wohl tot. Ab sofort würde der Mindestlohn regelmäßig zum Wahlkampfthema. Das wäre schlecht für den sozialen Frieden und dürfte kaum zu ökonomisch vernünftigen Löhnen beitragen."

Südkurier (Konstanz)

"Es gibt durchaus Argumente dafür, den Mindestlohn politisch festzulegen. Ebenso gibt es Argumente dafür, ihn von einer Kommission mit Mitgliedern aus Wirtschaft und Wissenschaft festlegen zu lassen. Sehr wenige Argumente gibt es jedoch dafür, eine solche Kommission einzusetzen, ihre Empfehlungen dann aber im Handstreich politisch zu überstimmen. Scholz' Vorpreschen, das für Ärger in Wirtschaft und Koalition sorgt, ist mehr als ein weiterer Beleg des ganz eigenen Kommunikationsverhaltens des Kanzlers. Es ist vor allem deswegen zu beklagen, weil es eine tatsächlich sinnvolle Debatte von Beginn an negativ auflädt. So gibt es selbst in der CDU klar vernehmbare Stimmen, die den Mindestlohn als zu niedrig betrachten und die bisherige Festlegungsweise kritisieren. Darüber muss man also reden. Wenn Scholz aber wirklich etwas ändern will, sollte er nicht einfach irgendwelche schöne Zahlen in den medialen Echoraum werfen – sondern das Verfahren hinter dem Mindestlohn anpacken."

Welt (Berlin)

"Es hilft aber nichts: Die Lohnentwicklung läuft der Inflation hinterher, mittelfristig braucht es deutliche Erhöhungen. Eine Regierung aber, die ihre Ausgaben nicht unter Kontrolle bekommt, gleichzeitig jedoch von Unternehmen mehr verlangt, ohne sich um die Entlastung der Beschäftigten und eine durchdachte Standortpolitik zu kümmern, macht ihren Job nicht richtig. Nur Wahlkampf mit Lohnforderungen zu machen, wird das Problem nicht lösen. Zumal der Kanzler bei der nächsten Lohnrunde schon lange nicht mehr Olaf Scholz heißen könnte."

Quellen: DPA, "Faz.net", "Welt.de".

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