Vergebliche Trainersuche: Zwischen Tuchel und dem FC Bayern laufen ernsthafte Gespräche über den Verbleib in München
Bei den Bayern zeichnet sich bei der Trainersuche eine spektakuläre Wende ab: Bleibt Noch-Trainer Thomas Tuchel doch? Für eine weitere Zusammenarbeit wird er Bedingungen stellen.
Es war, als wollte Thomas Tuchel die Dinge einmal geraderücken und Uli Hoeneß zum Abschied ein Signal senden. Der hatte Tuchel unlängst dafür kritisiert, dass er angeblich keine jungen Spieler entwickeln könne. Es war einer dieser erratischen Einwürfe des Ehrenpräsidenten, die bei den Bayern gerne mal für Unruhe sorgen. Tuchel hatte auf die Vorwürfe verständlicherweise angefasst reagiert ("Ich fühle mich in meiner Trainerehre verletzt").
Jetzt, im letzten Heimspiel der Saison gegen den VfL Wolfsburg, ließ Tuchel also die Jugend los. Die Nachwuchstalente Lovro Zvonarek (19 Jahre alt) und Bryan Zaragoza (22) standen neben den schon etablierten Jungprofis Mathys Tel (19) und Aleksandar Pavolovic (20) das erste Mal in der Startelf. Im Laufe des Spiels kamen noch Matteo Perez-Vinlöf (18) und Jonathan Asp Jespen (18) zu ihren Bundesliga-Debüts. Von wegen, er könne keine jungen Spieler besser machen, hat sich Tuchel vielleicht gedacht. Der ungefährdete 2:0-Sieg, unter anderem durch ein Tor von Zvonarek, rundete die Angelegenheit für alle Beteiligten ab.
Thomas Tuchel wirkte zuletzt mit sich im Reinen
Tuchel wirkte auf der Pressekonferenz nach der Partie mit sich im Reinen, auch wenn er die erste titellose Saison seit zwölf Jahren zu verantworten hat. Da saß er im Bewusstsein, dass er München nach 15 Monaten wieder verlassen wird. Dass die Probleme des Klubs nicht mehr seine sind und das Kapitel FC Bayern für ihn abgeschlossen ist. So dachte man am Sonntag noch. Schließlich hatten die Klub-Verantwortlichen im Februar beschlossen, die Zusammenarbeit mit dem 50-Jährigen im Sommer zu beenden.
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Das ist jetzt gerade mal drei Tage her, doch seitdem sind die Verhältnisse auf absolut verrückte Weise ins Tanzen gekommen. Tuchel könnte am Ende Profiteur einer Entwicklung sein, die es so in der Bundesliga noch nicht gegeben hat. Da erhält ein Trainer von seinem Klub den Laufpass, der womöglich vier Monate später von der Entscheidung wieder abrückt. Denn offenbar arbeitet Sportvorstand Max Eberl tatsächlich daran, Tuchel vom Bleiben zu überzeugen. Das jedenfalls haben unterschiedliche Medien übereinstimmend berichtet. Aktuell sollen beide Seiten zusammensitzen.
Was es vorher ebenfalls nicht gegeben hat: Dass der FC Bayern reihenweise Absagen von möglichen Trainerkandidaten kassiert. Xabi Alonso, Julian Nagelsmann und Ralf Rangnick haben dem Verein aus unterschiedlichen Gründen abgesagt. Zuletzt wollte Sportvorstand Max Eberl Oliver Glasner vom Premier-League-Klub Crystal Palace nach München locken. Das klappte nicht, weil Glasner erst seit Februar in Diensten der Engländer steht und die ihn nicht ziehen lassen wollten.
Bayern-Profis sollen für Tuchel sein
Deshalb rückt eine Lösung des Personaldilemmas in den Blick, die bislang eher als Spinnerei von Schlaumeiern abgetan wurde: Warum nicht einfach an Tuchel festhalten? Wäre doch die einfachste Lösung! Tuchel hat schließlich einen Vertrag bis 2025. Findet er keinen neuen Verein, müssten die Bayern sein Gehalt sowieso ein weiteres Jahr zahlen. Da kann er doch gleich bleiben.
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Ein Grund für den Kurswechsel soll sein, dass sich mittlerweile wichtige Spieler für eine weitere Zusammenarbeit aussprechen. Thomas Müller und Manuel Neuer haben angeblich persönlich bei den Chefs vorgesprochen und für den Trainer geworben. Die "Süddeutsche Zeitung" will aus Gesprächen mit Profis erfahren haben, dass "80 Prozent der Spieler" hinter Tuchel stünden. Eberl und Sportdirektor Christoph Freund gelten ebenfalls als Anhänger der Tuchel-Lösung, nachdem Glasner nicht zu bekommen ist.
Tuchel will offenbar neuen Vertrag
Bleiben ein paar Probleme: Angeblich will Tuchel nur weitermachen, wenn er einen neuen Vertrag erhält, der über 2025 hinausläuft. Das ist verständlich. Mit dem alten Arbeitspapier, das im nächsten Jahr ausläuft, liefe Tuchel Gefahr, als Übergangslösung abgestempelt zu werden, bis womöglich ein Xabi Alonso frei wäre. Gegen einen neuen Vertrag wie gegen die Personalie Tuchel soll es zudem im Aufsichtsrat Widerstand geben. Dort sitzt als einfaches Mitglied bekanntermaßen ein Uli Hoeneß, der den Trainer (siehe oben) zuletzt anging.
Und noch etwas: Bliebe Tuchel tatsächlich in München, wäre er im Grunde die fünfte Wahl. Ob er das wirklich will? Man darf davon ausgehen, dass der selbstbewusste Trainer Bedingungen stellt. Die Bayern kämen diesmal wahrscheinlich nicht drumherum, ihm seine Wunschspieler zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel jene vielbeschworene "holding six". Tuchel wird sich nach den Erfahrungen der Vergangenheit genau überlegen, ob er sich auf die Führung verlassen kann. Dass die Saison titellos blieb, hatte auch seinen Grund darin, dass die im vergangenen Jahr gebildete Transfer-Task-Force, der unter anderem Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß angehörten, Tuchel einen sehr kleinen Kader zur Verfügung gestelltt hatte. Das müsste diesmal definitiv besser funktionieren.
Quellen: Sky Sport, "Kicker", "Bild", "Süddeutsche Zeitung"