World News in German

Fried – Blick aus Berlin: Scholz oder KI-Scholz? Wenn Deepfakes zur Gefahr für die Demokratie werden

Stern 

In Dänemark sorgte kürzlich ein gefaktes Video der Ministerpräsidentin für Aufruhr. Wie soll man in Zukunft herausfinden, ob Videobotschaften echt sind? Bei manchen hofft man wohl einfach, dass sie es nicht sind, meint unser Autor.

Neulich hat der Bundeskanzler mal wieder per Video zu uns gesprochen. Olaf Scholz hatte gute Nachrichten: Die Deutschen sind fleißig, und mit ihm als Regierungschef soll es keine Erhöhung des Rentenalters geben. Hörte sich echt scholzig an.

Der Kanzler hatte für die Aufzeichnung des Videos den weißen Hemdkragen lässig geöffnet und seinen üblichen, ein wenig grimmigen Blick aufgelegt. Nach etwa 30 Sekunden sprang die Kamera noch näher auf das Gesicht des Kanzlers. Sah alles echt aus. Aber war es das auch?

In Dänemark hat jetzt ein ähnliches Video mit der Ministerpräsidentin für Aufregung gesorgt. Mette Frederiksen verkündete ihren Landsleuten allerdings das Gegenteil der Kanzler-Botschaft: Die Dänen arbeiteten zu wenig. In Dänemark sollten deshalb alle Feiertage abgeschafft werden, auch Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Nur der muslimische Feiertag des Fastenbrechens werde beibehalten.

Das deutsche Video war echt, das dänische war eine Fälschung, hergestellt vom Chef der rechtspopulistischen Partei – mithilfe künstlicher Intelligenz. Er protestierte auf diese Weise gegen die tatsächliche Abschaffung eines Feiertags in Dänemark. Die radikale Botschaft des Videos klang offenkundig absurd. Außerdem war oben rechts ein Hinweis auf die KI-Herkunft eingeblendet. Trotzdem, so berichtete die "Süddeutsche Zeitung", hätten viele Dänen den Fake für echt gehalten. Was lehrt uns das?

STERN PAID 20_24 Fried 12:47

Es gibt keinen einfachen Schutz gegen Deepfakes

Zunächst einmal dürften das in den sozialen Medien verbreitete Video des Rechtspopulisten besonders viele seiner Anhänger gesehen haben, was einen Eindruck von deren nicht so ausgeprägter Intelligenz vermittelt. Parteichef und Video-Verbreiter Morten Messerschmidt schien das ein bisschen peinlich zu sein. Wenn man nicht erkenne, dass es sich um Satire handele, wehrte er sich, "dann habe nicht ich das Problem". Das stimmt. Allerdings könnte das Problem einiger irgendwann durchaus zum Problem für uns alle werden.

Denn was ist, wenn oben rechts nichts mehr eingeblendet wird? Was ist, wenn einem eine Videobotschaft des Kanzlers (zum Beispiel: "Ich gebe zu, ausnahmsweise einen Fehler gemacht zu haben") vielleicht komisch vorkommt, aber gerade noch möglich? Was bedeutet es, um mal richtig weit auszuholen, für die Demokratie, wenn man nicht mehr weiß, was Original ist und was Fälschung?

Influencerin Deepfakes Adii12.27

Die Europäische Union will per KI-Gesetz dafür sorgen, dass sogenannte Deepfakes, also auch mit künstlicher Intelligenz hergestellte Videos, stets gekennzeichnet werden müssen. Für mich ist allerdings schwer vorstellbar, dass sich da im Schutz der Internet-Anonymität alle dran halten. Der einzig wirkliche Schutz bleiben wohl Zweifel und die Fähigkeit, eine Kanzler-Botschaft nach ihrer Plausibilität zu beurteilen, wenn man schon nicht ihre Echtheit prüfen kann. Um diese Fähigkeit zu erhalten, hilft es übrigens, wenn man sich – kleiner Werbeblock – regelmäßig in seriösen Medien informiert.

Nun ist es unsere große Stärke beim stern, in neuen Entwicklungen nicht nur die Gefahr, sondern auch das Gute zu sehen. Von Markus Söder zum Beispiel gab es um die Ostertage ein Video, in dem er ein großes Schokoladenei mit seinem Konterfei zur Verlosung anbot. In solchen Fällen ist es doch gut, dass man sich nun einreden kann, es handele sich bestimmt um ein KI-generiertes Video. Damit bestünde immerhin die Möglichkeit, dass dahinter überhaupt irgendeine Form von Intelligenz steckt.

Читайте на 123ru.net