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Verbandsklagen: Lässt sich Klimaschutz gerichtlich erzwingen?

Stern 

Nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe verdonnert ein Gericht die Bundesregierung zu mehr CO2-Einsparung. Doch was bringt solch ein Urteil? Und wer ist überhaupt klageberechtigt?

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat mit einer Verbandsklage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erreicht, dass die Bundesregierung beim Klimaschutz nachschärfen muss. Schon im November hatten die Profi-Umweltschützer bei dem Gericht durchgesetzt, dass die Ampel ein Klima-Sofortprogramm in den Sektoren Verkehr und Gebäude auflegen muss. Dagegen ist die Bundesregierung bereits in Revision gegangen, der Fall liegt seitdem beim Bundesverwaltungsgericht.

Die Umwelthilfe geht davon aus, dass die bisherigen Maßnahmen zur CO2-Reduktion in den Sektoren Verkehr, Energie, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft nicht genügen, um die festgelegten Klimaziele zu erreichen. Laut Klimaschutzgesetz müssen diese Emissionen insgesamt bis 2030 um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 sinken; 2023 waren es nur rund 46 Prozent. Die DUH fordert unter anderem ein Tempo 100 auf Autobahnen und Tempo 30 innerorts.

Die DUH-Aktivisten aus Radolfzell mit Sitz in Berlin sind für ihre Klagefreudigkeit geliebt und gefürchtet – je nach Perspektive. Aber lässt sich das Klima wirklich von Richterinnen und Richter retten?

IV Klima- vs. Naturschutz 06.31

Wer darf in Deutschland Umweltrechte einklagen? 

Der Begriff Umweltrecht subsummiert eine Reihe von Gesetzen, die verhindern sollen, dass die Umwelt durch Menschenhand zerstört wird. Dazu zählen etwa das Naturschutzgesetz, das Wasserrecht, das Immissionsschutzgesetz, das Abfallrecht, aber auch im weiteren Sinne das Energie- oder Gentechnikrecht und viele mehr. Im Grundgesetz ist das Umweltrecht in Artikel 20a verankert, wo Umweltschutz und Nachhaltigkeit zum Staatsziel erklärt werden. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht den Klimaschutz, konkret die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels bei der Erderwärmung, als Bestandteil des verfassungsrechtlich verbrieften Umweltschutzes definiert.

Privatleute können klagen, wenn sie ihre Rechte durch eine behördliche Entscheidung verletzt sehen, weil sie ihre Gesundheit oder ihr Eigentum gefährdet. Anerkannte Umwelt- und Naturschutzverbände wie die Deutsche Umwelthilfe dürfen das ebenfalls als "Anwälte der Umwelt" tun, um behördliche Entscheidungen mit erheblichen Umweltauswirkungen gerichtlich auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, obwohl keine persönliche Betroffenheit vorliegt. Das garantieren das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, das Bundesnaturschutzgesetz sowie Landesrechte. 

Was muss die Bundesregierung nach dem jüngsten Erfolg der DUH tun? 

Erst einmal nichts. Sie kann gegen das jüngste Urteil erneut in Revision gehen, was zu erwarten ist. Am Ende wird das Bundesverwaltungsgericht entscheiden, welchen Umsetzungsdruck es Berlin auferlegt.

Derweil versucht die Ampel, das Klimaschutzgesetz aufzuweichen. Durch eine geänderte Fassung sollen die verpflichtenden Sektorenziele zur CO2-Minderung für die einzelnen Ministerien entfallen. Dieses Ansinnen wird von Umweltverbänden heftig kritisiert, sie fordern die Opposition auf, das Vorhaben im Bundesrat in den Vermittlungsausschuss zu überweisen. Vor allem das Verkehrs- und das Bauministerium liegen dramatisch hinter den Klimavorgaben zurück. 

Pflanzerde 17.43

Gibt es eine schädliche Klageflut durch Umweltverbände? 

Das behaupten manche Politiker. Sie monieren, so würden viele wichtige Zukunftsprojekte unnötig verzögert. Nach offiziellen Zahlen ist das aber übertrieben. Im Jahresmittel laufen etwa 60 Klagen – bei etwa 1000 Genehmigungsentscheidungen, die auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden müssen. Vor 15 Jahren waren es noch zwölf Klagen pro Jahr. Hauptursache der Steigerung laut Umweltbundesamt: Damals gab es 112 bundesweit klageberechtigte Umweltvereinigungen, heute sind es fast 130.

Wie erfolgreich sind die Kläger? 

Sehr. Über 50 Prozent ihrer Klagen vor Verwaltungsgerichten sind entweder vollständig oder teilweise erfolgreich. Bei allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Verfahren liegt die Erfolgsquote bei gerade einmal zehn bis zwölf Prozent.

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