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Prunk in Pattensen: Gehypte Kitsch-Serie "Maxton Hall" auf Schloss Marienburg: Wie "Gossip Girl" für Arme

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Prunk in Pattensen: Gehypte Kitsch-Serie

Die Amazon-Prime-Serie "Maxton Hall – Die Welt zwischen uns" begeistert in den sozialen Medien tausende Zuschauer. Dabei wirkt sie wie ein mit künstlicher Intelligenz erstellter Abklatsch von "Gossip Girl". Der Erfolg lässt sich vor allem mit einer Person erklären. 

Ein Schönling mit Hugh-Grant-Gedächtnisfrisur und eine junge Frau in Schuluniform werfen sich tiefe Blicke zu. Die beiden küssen sich. Tränen schimmern in seinen Augen, er atmet schwer. Untermalt ist das alles mit dramatischer Musik. Zusammenschnitte wie diese aus der Amazon-Prime-Serie "Maxton Hall – Die Welt zwischen uns" sammeln sich seit Wochen auf Tiktok. Auch von Werbetafeln in deutschen Städten schauen die Darsteller herab. Nach einer Teenie-Serie im elitären Look von "Gossip Girl" sieht "Maxton Hall" auf den ersten Blick aus. Für Fans von Jugendserien also sehr vielversprechend. 

Noch dazu wurden die Folgen mit deutschen Schauspielern zur Hälfte in Niedersachsen gedreht. Gut so: Unterhaltsame Inhalte für junge Menschen müssen ja nicht immer mit Riesen-Budget in New York entstehen. Vielleicht reicht auch Pattensen. Und eine Drehzeit von 60 Tagen. Oder doch nicht? 

Eine Serie wie von ChatGPT

Es scheint zu viel verlangt, den Vergleich zur erfolgsgekrönten Serie "Gossip Girl" ziehen zu wollen. Hier legen es die Autoren aber geradezu darauf an. Die Hauptfiguren heißen Ruby und James und besuchen ein privates Elite-Gymnasium auf Schloss Marienburg, das in England stehen soll. Die britische Inszenierung wirkt krampfhaft, ist aber ein bisschen verständlich. James und Ruby vom College klingt einfach charmanter als Mareike und Joseph von der Gesamtschule Pattensen. 

James, der aussieht, als sei er nach dem Ebenbild des Prinzenrollen-Mannes geschaffen und Ruby, eine eher unscheinbare junge Frau, könnten gegensätzlicher nicht sein. Sie stammt aus, wie man so sagt, einfachen Verhältnissen, James aus einer Millionärsfamilie. Sie ist die brave, gutherzige Streberin, er der schnöselige Frauenheld, der Batzen Bargeld mit sich herumträgt. Obwohl die beiden mit allen Kräften versuchen, sich zu hassen, verlieben sie sich ineinander. Das wäre dann auch schon der Großteil der Handlung in einem Satz zusammengefasst. Das Drehbuch ist so vorhersehbar, als sei es aus der erstbesten Version von ChatGPT entstanden. Auftrag: "Schreibe eine Jugendserie über einen Millionärserben und eine graue Maus, die sich im Elite-Internat verlieben, eine Mischung aus "Twilight", "Gossip Girl" und "Stolz und Vorurteil" – aber bitte kosteneffizient. Geht statt New York vielleicht...Pattensen?"

Tatsächlich ist es aber eine Verfilmung des Romans "Save me" der deutschen "New Adult"-Autorin Mona Kasten. Die Subgattung von Liebesromanen soll vor allem junge Erwachsene zwischen 18 und 25 ansprechen, die noch dabei sind, sich aus ihrer Teenager-Zeit zu lösen. Klassischerweise geht es dabei um erste große Gefühle, wie sie auch bei Ruby und James aufkommen.

"Maxton Hall" besteht aus oberflächlichen Figuren und flachen Dialogen

An Kitsch ist nichts verwerflich. Leider dachten die Macher aber offenbar, es reicht für eine ansprechende Jugendserie im Stil von "Gossip Girl", Teenagern pinkfarbene Schuluniformen und Kniestrümpfe anzuziehen, sie auf ein Schloss zu schicken und schmachtende Blicke mit ihnen zu trainieren. Was sie dabei vergessen: Die Inszenierung darf nie wichtiger sein als der Inhalt. Und der plätschert bei "Maxton Hall", zumindest in der bisherigen ersten Staffel, ohne großen Spannungsbogen vor sich hin. 

Die Hauptfiguren bleiben eindimensional und klischeehaft. James‘ Vater ist ein Bösewicht – klar, er ist ja Millionär, also muss er eiskalt und gemein sein – während Rubys ärmere Eltern herzensgute Menschen sind. In ihrer Familie wird nur getätschelt und gelacht. Es fehlen die Brüche, die Charaktere erst zu Identifikationsfiguren fürs Publikum machen, die familiären Intrigen und der Humor.

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Auch an die spitzen Dialoge in Serien wie "Gossip Girl" reicht "Maxton Hall" nicht ansatzweise heran. Stattdessen wimmelt das Drehbuch von Floskeln, mit denen sich die Charaktere selbst beschreiben, da es durch die Handlungen allein nicht gelingt. So sagen sie Sätze wie "Ich bin nicht mehr als mein Name" oder "Ich bin gerne unsichtbar".

Immerhin: Schauspieler Damian Hardung schmachtet seine Kollegin Harriet Herbig-Matten durchgehend so verliebt an, dass er auf Tiktok von Zuschauern aus aller Welt für seine Schauspielkünste gefeiert wird. Junge Frauen kommentieren, auch einmal in ihrem Leben auf diese Weise angesehen werden zu wollen. Andere, dass sie die Serie nur seinetwegen schauen. 

Verständlich – abgesehen von Hardung hat "Maxton Hall" nicht viel zu bieten. Er ist das mit Abstand bekannteste Gesicht der Serie, machte sich bereits durch seine Rollen als Dealer in "How to sell drugs online" und krebskranker Junge in "Club der roten Bänder" einen Namen. Kein Wunder also, dass "Maxton Hall" auch gleich mit einer seiner stärksten Szenen beginnt: Er liegt oberkörperfrei im Bett und präsentiert sein Sixpack.

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