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Showdown im Bundestag: Auftritt eines Getrieben: Mit diesen sieben Problemen muss der Kanzler jetzt fertig werden

Stern 
Showdown im Bundestag: Auftritt eines Getrieben: Mit diesen sieben Problemen muss der Kanzler jetzt fertig werden

Die Wirtschaft? Springt nicht an. Die eigene Partei? Engt ihn ein. Inmitten der wohl schwierigsten Phase seiner Kanzlerschaft muss Olaf Scholz am Mittag im Bundestag seinen Kurs erklären. Auch das noch.

Sommerferien. Das, woran die meisten Deutschen gerade denken dürften, ist für den Kanzler weit weg, sehr weit. 

Wenige Tage bleiben ihm, um mit Christian Lindner und Robert Habeck einen Haushalt für das kommenden Jahr aufzustellen. Den Kabinettstermin am 3. Juli reißt die Ampel schonmal. Denn das, was eigentlich das Normalgeschäft einer Regierung ist, hat sich für Scholz zur Quadratur des Kreises entwickelt. Es gilt zu sparen und die Wirtschaft in Gang zu bringen, Posten umzuschichten, aber nicht noch einmal jemanden so zu verprellen wie zuletzt die Bauern, die Schuldenbremse einzuhalten und trotzdem die SPD zu besänftigen. 

Seine Partei ist gerade besonders nervös: In Umfragen rutscht sie immer weiter ab, im Osten drohen im Herbst schlimme Pleiten, links wie rechts haben sich Extrempolitiker etabliert, die in den Milieus der Sozialdemokraten wildern. So weit zur Lage, in der Scholz am Mittag im Bundestag zur Regierungserklärung antreten muss. Eigentlich zum bevorstehenden Europäischen Rat und Nato-Gipfel, doch natürlich soll auch der Haushalt eine Rolle spielen, wie zu hören ist. Es ist der Auftritt eines Getriebenen. 

Wo steht er unter Druck? Und wo muss er liefern?

Der Fraktionsfrust

Wenn Olaf Scholz am Rednerpult steht, wird er in die erwartungsvollen Gesichter seiner Fraktion schauen. Die drei sehr unterschiedlichen SPD-Flügel haben in einem bislang beispiellosen Schritt eine gemeinsame Haltung im Haushaltshandgemenge formuliert – und damit einen wenig subtilen Arbeitsauftrag an Scholz. In einem gemeinsamen Statement werden Sonderinvestitionen und ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse gefordert – allesamt Dinge, die die FDP ablehnt. Das erschwert einen Kompromiss, setzt den Kanzler in den Verhandlungen unter Druck. Man stärke Scholz geschlossen den Rücken, beteuern die Fraktionsströmungen. Ob Scholz das auch so sieht?

SPD Plan B 17.14

Das Basisbrodeln

Und wenn’s doch auf einen Kürzungshaushalt hinausläuft? Dann wird halt dagegen gestimmt. So schwebt es jedenfalls den SPD-Parteilinken vom "Forum DL21" vor, das gerade ein Mitgliederbegehren zum Etat vorbereitet: Sollte es zu sensiblen Kürzungen in Bereichen wie Bildung oder dem bezahlbaren Wohnen kommen, dann könne die SPD dem Haushalt nicht zustimmen. Vor einer Abstimmung aller Parteimitglieder müssten noch einige Hürden genommen werden, erklärte Mit-Initiator und DL21-Vorstandsmitglied Jan Dieren im stern-Interview. Doch schon jetzt ist die Botschaft an den Kanzler klar: Er sollte es lieber nicht drauf ankommen lassen. 

Der Ärger mit der Wirtschaft

Seit Monaten liegt Scholz mit der Wirtschaft über Kreuz, über "zwei verlorene Jahre" schimpfte Industrieboss Siegfried Russwurm unlängst. Was die CEOs wollen: geringere Steuern, weniger Bürokratie, mehr Investitionen. Was Scholz dazu sagt: Sind wir dran, geht aber leider nicht von heute auf morgen. Den Kanzler nervt das Lamento aus der Wirtschaft, aber ohne ein besseres Verhältnis zu den Managern dürfte seine Wiederwahl kaum klappen. Die schielen längst auf CDU-Chef Friedrich Merz als möglichen Partner.

Die vielen Firmenpleiten

Was die Wirtschaftslage angeht, übt man sich im Kanzleramt in Schönrednerei. Inflation? Runter. Kaufkraft? Hoch. Es wird besser – das ist der Tenor im Lager von Scholz. Leider machte pünktlich zu seinem Auftritt eine neue Schockzahl die Runde. Die Firmenpleiten sind in die Höhe geschossen: 11.000 Insolvenzen wurden im ersten Halbjahr 2024 gezählt, 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Dass die Ampel eine "Wirtschaftswende" beschließt, wie Christian Lindner es will, liegt plötzlich auch im Interesse des Kanzlers.

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Der sperrige Koalitionspartner

Eine Wirtschaftswende ist ja schön und gut – aber die stopft noch kein Haushaltsloch. Und das bleibt das Kernproblem des Kanzlers. Er braucht darüber eine Einigung in der Ampel, ansonsten war es das mit der Regierung. Bei Grünen und SPD hat man viele Ideen, wie man an neues Geld kommen könnte, Sondertöpfe, Ausnahmen von der Schuldenbremse. Aber Lindner und die FDP blocken alles ab, was nach Haushaltstrickserei ausschaut. Hier geht es auch schon um den nächsten Wahlkampf. Regieren mag anstrengend sein. Aber wir stehen zu unseren Prinzipien, das ist die liberale Botschaft.

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Die miese Gesamtstimmung

Versuchen Sie es mal: Tippen Sie bei Google "Olaf Scholz" und "Zuversicht" ein – Sie werden verblüfft sein, wie häufig der Kanzler dazu rät, aufruft oder dafür wirbt. Das mag auch geboten sein, die vielen Krisen drücken in der Gesellschaft mächtig aufs Gemüt, ausgerechnet vor den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland, die ausweislich der Umfragen Böses für die Genossen erahnen lassen. Wenn da auch noch der Regierungschef Trübsal bläst…? 

Könnte aber auch Scholz'scher Zweckoptimismus sein. Das schwache Ergebnis bei der EU-Wahl war für alle Ampel-Parteien ein Schlag ins Kontor, insbesondere für die SPD. Dort will niemand mit einem Kürzungshaushalt in den Wahlkampf ziehen. Noch mehr schlechte Vibes kann niemand gebrauchen, Scholz schon gar nicht.

Der fehlende Plan B

Schon einmal hatten die Ampel-Spitzen den Eindruck erweckt, auf alles vorbereitet zu sein, einen Plan B in der Tasche zu haben. Tja. Dann fiel der Haushaltshammer aus Karlsruhe, die Koalition in eine tiefe Krise. Auch Scholz hatte das Urteil kalt erwischt. Also: Wo ist jetzt der Plan B? 

Das wollte der SPD-Abgeordnete Tim Klüssendorf vom Kanzler in einer internen Fraktionssitzung wissen. Doch diesmal geht es um deutlich mehr. Wird’s nix mit dem Haushalt, dann wohl auch nicht mehr mit dieser Koalition – das Szenario von Neuwahlen wabert durch Berlin. Nach der vermaledeiten EU-Wahlkampagne fragt sich nur, ob die SPD auf einen baldigen Wahlkampf vorbereitet wäre. Eindruck: eher nicht. 

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