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Arbeitsplatz: Hunde im Büro? Ein klares Nein erleichtert die Sache auch für das Tier

Stern 
Arbeitsplatz: Hunde im Büro? Ein klares Nein erleichtert die Sache auch für das Tier

Für die einen verbessern Hunde am Arbeitsplatz die Atmosphäre, für die anderen sind es stinkende Vierbeiner, die allergische Reaktionen auslösen. Auch unsere Autoren sind unterschiedlicher Meinung.

Hunde im Büro – das beschäftigt auch die Politik. Seit 2023 setzt sich die "Parlamentsgruppe Hund" dafür ein, dass die Vierbeiner der Abgeordneten und Mitarbeitenden mit in den Bundestag kommen dürfen – nicht in den Plenarsaal, schon klar, aber wenigstens in die Büros. 

Inzwischen feiern die Mitglieder der Gruppe einen kleinen Erfolg: Bisher waren nur Polizeihunde im Bundestag zugelassen, jetzt sind auch Assistenzhunde erlaubt. Hunde also, die dafür ausgebildet sind, Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten im Alltag zu unterstützen. Mitglieder der Parlamentsgruppe würden das gerne auf Hunde jeglicher Art ausweiten. 

Wir nehmen das zum Anlass, die auf Schreibtischstühlen emotional diskutierte Frage aufzugreifen: Hunde im Büro: Ja oder nein? Unsere Kollegin Lisa Frieda Cossham ist klar dafür, Gunnar Herbst dagegen. 

Pro: Warum Hunde am Arbeitsplatz eine gute Idee sind

Eigentlich seltsam, dass Hunde am Arbeitsplatz noch nicht vorgeschrieben sind. Weil sie so viel mehr bewirken als Tischtennisplatten und Grünpflanzen, mehr als Sofas und Getränkespender. In meinem ersten Büro saßen Emma und Willi, wuschelig und wohlerzogen. In allen weiteren Büros lag Lyra neben mir, aufgeschlossen und autark. Ich schreibe über mehr oder weniger erzogene Hunde. Hunde, die nicht beißen und nicht auf den Industrieteppich pinkeln. Diese Hunde glätten die Seele. Das ist wissenschaftlich belegt und zu spüren, wenn wir freudig begrüßt werden. Studien zeigen, dass der Kontakt mit Hunden den Blutdruck und die Herzfrequenz senkt. Das Bindungshormon Oxytocin wird ausgeschüttet. Unsere Gehirnaktivität erhöht sich, wir sind entspannter und aufmerksamer, konzentrierter und kreativer. Erstens. 

Hunde wirken wie Atemübungen

Zweitens muss so ein Tierchen regelmäßig raus, und das müssen wir eigentlich auch. Wir vergessen es nur. Wie oft fluche ich, weil ein Text fertiggeschrieben werden muss und Lyra an der Tür kratzt. Zwei Straßen weiter spüre ich dann, wie richtig es ist, eine Pause zu machen. Unter Bäumen zu gehen. Die Gedanken freizulassen wie diesen Hund, der nichts ahnt von Abgabefristen: In solchen Momenten gewinne ich einen vorübergehenden Abstand zum Stress, der mir plötzlich ausgedacht vorkommt. Hunde wirken wie Atemübungen: Sie setzen Kopf und Körper wieder ins Verhältnis und unser kleines, unbedeutendes Dasein gleich mit. Und ach, das Gehen, irre gesund: Hunde lassen uns weitere Runden zu ziehen als bis zum Drucker und zur Kantine.

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Drittens, und wie sehr liebe ich das: Hunde zeigen uns, wer wir wirklich sind. Weil sie, wie Hundeflüsterinnen wissen, immer stärker auf unser inneres Erleben reagieren als auf unser äußeres. Gerade im Bürokontext ist es schön zu beobachten, was hinter den professionellen Rollen steckt, die manche annehmen. Die Hunde in meiner Umgebung haben noch nie etwas auf Hierarchien gegeben. Hunde erschnüffeln, ob jemand herzlich ist. Ob sich jemand loyal verhält. Ob jemand traurig ist, auch wenn er oder sie lacht. Noch wurde nicht erhoben, wie viele Sprünge aus Bürotürmen durch Hunde verhindert wurden, weil das Herrchen dachte: Und wer füttert dich, wenn ich tot bin? Sicher viele. 

Sie provozieren unerwartet gute Ergebnisse

Und schließlich sind Hunde im Job so etwas wie ein Joker. Sie provozieren unerwartet gute Ergebnisse, indem sie ab und an intervenieren. Sie bellen, wenn man telefoniert. Verheddern sich im Kabel, wenn man in einem Videomeeting steckt. Oder Härteres. Lyra sprengte einmal fast ein Interview mit einem Supermodel. Sie furzte so schlimm, dass wir in der sehr kleinen Garderobe des Berliner Lofts die Luft anhalten mussten. Dafür möchte ich mich entschuldigen, auch wenn es wahnsinnig komisch war: Mitten im hauptstädtischen Zivilisationszirkus auf den Hund zu kommen, macht gute Laune.

Lisa Frieda Cossham

Contra: Warum Hunde am Arbeitsplatz keine gute Idee sind

Bevor ich anfing beim stern zu arbeiten, hatte ich einen Chefredakteur, der Hunde liebte. Dafür konnte er mit Menschen wenig anfangen. Er brachte seinen Deutschen Schäferhund oft und gern mit ins Büro – einen riesigen Rüden, der bellte, an Menschen hochsprang, ihre Hand ableckte und in ihrem Schritt schnüffelte. Oder einfach nur auf dem Boden lag und vor sich hinmüffelte, aus dem Mund, an Regentagen auch aus dem Fell. Das mochte nicht jeder in der Redaktion.  

Einige verstummten und erstarrten vor dem Hund

Wer das Büro des Chefredakteurs betrat, wusste nie, wie der Hund reagieren würde. Mal blieb er liegen und müffelte einfach weiter, dann hatte man Glück. Oft jedoch sprang er auf und machte all die anderen oben genannten Dinge. Wenn das geschah, tadelte der Chefredakteur seinen Hund nie. Dafür schaute er den Mitarbeiter böse an – ein klarer Fall von Täter-Opfer-Umkehr. Kolleginnen und Kollegen, die Angst vor Hunden hatten oder gegen sie allergisch waren, mussten sich besonders überwinden, das Zimmer zu betreten. Einige verstummten und erstarrten regelrecht vor dem Hund. Der ließ sich dadurch nicht weiter beirren, im Gegenteil: Es schien ihn eher noch zu beflügeln.  

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Dennoch wagte niemand, etwas zu sagen, schließlich war es der Hund vom Chef. Natürlich ist das ein Extremfall, und jeder Hund ist anders. Manche sind lieb, manche lustig, manche doof, wie bei den Menschen. Und vor allem kleine, alte Hunde liegen auch mal den halben Tag im Körbchen. Aber das nimmt den Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit nicht ihre Angst oder ihre Allergie. Deshalb bin ich kategorisch gegen Hunde im Büro. Wie sollte eine entsprechende Regelung überhaupt umgesetzt werden? Nur die süßen, lieben, wohlriechenden Hunde dürfen mit zur Arbeit? Ein Geruchs- und Charaktertest vor Dienstantritt? Wohl kaum. 

Was käme als nächstes: Katzen, Wellensittiche, Hamster, Meerschweinchen?

Ein klares Nein erleichtert die Sache, auch für den Hund. Denn noch ist nicht erwiesen, dass ihn ein Tag im Büro glücklicher macht als zu Hause in seiner gewohnten Umgebung zu bleiben, Gassi zu gehen oder draußen zu spielen. Arbeit ist Arbeit, privat ist privat. Und was käme als nächstes? Katzen im Büro? Wellensittiche, Hamster, Meerschweinchen? Ein kleiner Zoo bei der Arbeit? Manch einem würde das sicher gefallen. Mich würde es eher nerven und von der Arbeit abhalten. 

Wer sich während Corona einen Hund angeschafft hat, in der Annahme bis zur Rente zu Hause zu arbeiten, für den kann das Hundeverbot im Büro natürlich ein organisatorisches Problem sein. Dabei wäre die Lösung so einfach: Hunde im Home-Office – das würde ich aus vollem Herzen unterstützen. Wo soll ich unterschreiben? 

Gunnar Herbst

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