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Pfiffe gegen Cucurella: Liebe Fans, lernt endlich verlieren!

Stern 
Pfiffe gegen Cucurella: Liebe Fans, lernt endlich verlieren!

Im EM-Halbfinale gegen Frankreich wird Spaniens Verteidiger Marc Cucurella von deutschen Fans ausgepfiffen. Das Bild des makellosen Gastgebers bekommt so Risse.

Es war kein leichtes Halbfinale für Spaniens Außenverteidiger Marc Cucurella. Mit dem pfeilschnellen Ousmane Dembélé hatte er gegen Frankreich alle Hände voll zu tun. Dazu kam noch ein Publikum, das dem 25-Jährigen feindlich gesinnt war. Bei jeder noch so kleinen Ballberührung wurde Cucurella ausgepfiffen, ein Ballverlust höhnisch gefeiert.

Der Stachel bei den deutschen Fans muss sehr tief sitzen. Im Viertelfinale gegen Spanien war es eben jener Cucurella, der in der Verlängerung einen Schuss von Jamal Musiala mit der Hand blockte. Der Sündenbock im Halbfinale war damit schnell für die zahlreichen deutschen Anhänger im Stadion gefunden. Berechtigt ist das keineswegs. Cucurella spielte den Ball zwar mit dem Arm, dass ein möglicher Elfmeterpfiff aber ausblieb, hat nichts mit dem spanischen Verteidiger zu tun – sondern viel mehr mit der Auslegung von Schiedsrichter Anthony Taylor und einer abstrusen Handspielregelung, bei der vermutlich mittlerweile niemand mehr so genau weiß, wann ein Handspiel eigentlich noch zu einem Elfmeter führt. Selbst Experten waren sich im Anschluss über die Szene uneins, was die Verworrenheit dieser Regel nur unterstreicht.

SPAFRA 9.7.24 06.22

Dass die Spanier irritiert über die Abneigung gegenüber Cucurella waren, dürfte nicht verwundern. "Ich finde, das ist eine Schande. Kein Mensch, der seinen Job macht, hat Pfiffe verdient", ärgerte sich dessen Mitspieler Daniel Vivian nach dem Spiel. "Ich weiß nicht, warum die Fans gepfiffen haben", konstatierte Nationaltrainer Luis de la Fuente. Auch in spanischen und britischen Medien herrschte Verwunderung über die deutschen Fans.

Marc Cucurella als Sündenbock? Zollt dem Gegner Respekt!

Zu einem guten Gastgeber gehört es, dass man seine Gäste nicht nur freudig empfängt, sondern auch im Falle einer Niederlage dem Gegner Respekt zollt, so wie es auch die Gäste gegenüber dem Gastgeber machen. Als Rumänien im Achtelfinale gegen die Niederlande ausschied, verabschiedete sich das Team nicht nur mit einer blitzsauberen Kabine, sondern auch mit einem Brief an die Gastgeber."Vielen Dank, dass Sie uns das Gefühl gegeben haben, zu Hause zu sein! Wir sind dankbar für die angebotenen Konditionen. Sie sind ein wichtiger Teil des schönen Erlebnisses, dass wir bei der Euro 2024 hatten!", hieß es dort an Deutschland gerichtet. 

Deutschland hat sich bislang als guter Gastgeber erwiesen, wie schon bei der WM 2006, als das Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" in die Realität umgesetzt wurde. Selbst wenn das Wetter und die Deutsche Bahn nicht sonderlich zuverlässig waren, die Fans aus 23 europäischen Ländern fühlten sich sichtlich wohl und umsorgt. Das Bild Deutschlands in Europa und auch anderen Teilen der Welt hat sich so in den vergangenen dreieinhalb Wochen deutlich verbessert.

Pfiffe Cucurella Reaktionen 07.20

Wenn aber Fans anfangen, gegnerische Spieler für eine Entscheidung auszupfeifen, für die sie nun mal gar nichts können, ist das nicht nur unsportlich und peinlich, sondern fügt dem Bild eines guten Gastgebers erste Risse zu. Es bleibt nur zu hoffen, dass die deutschen Fans unter den Finalbesuchern am Sonntag eins gelernt haben: Verlieren. In der Niederlage zeigt sich die wahre Größe eines Gastgebers – so schmerzhaft sie auch war. Und in dieser darf man auch anerkennen, dass Spanien die reifste Veranlagung bei diesem Turnier gezeigt hat. Und wer weiß: Vielleicht wird am Sonntagabend auch der eine oder andere Fan erhobenen Kopfes aus dem Stadion in Berlin gehen mit der Erkenntnis, dass Deutschland gegen den neuen Europameister ausgeschieden ist. Es wäre ein schöner Abschluss für diese EM.

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