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Gewalt im Karibikstaat: Mörderbanden in Badelatschen: So sehen Haitis berüchtigte Gangs aus

Stern 
Gewalt im Karibikstaat: Mörderbanden in Badelatschen: So sehen Haitis berüchtigte Gangs aus

Tausende Tote, Hunderttausende auf der Flucht: Die Menschen in Haiti leiden massiv unter Ganggewalt. In Port-au-Prince haben Bandenmitglieder jetzt vor der Kamera posiert.

Sie entführen und erpressen, sie rauben und handeln mit Drogen, sie vergewaltigen und morden: Schwer bewaffnete Gangs verbreiten seit Jahren Angst und Schrecken in Haiti. Mehr als 300 Gruppierungen sollen in den Vierteln der Hauptstadt Port-au-Prince um ihre Vorherrschaft kämpfen. Die Banden bekriegen sich gegenseitig, arbeiten aber auch zusammen, um öffentliche Einrichtungen wie Polizeistationen und Gefängnisse sowie Regierungsgebäude anzugreifen. Mit diesem Vorgehen haben sie Port-au-Prince zum großen Teil unter ihre Kontrolle gebracht.

Zahl der Gang-Opfer in Haiti steigt dramatisch an

Ende Februar und Anfang März befreiten die beiden wichtigsten Gang-Vereinigungen, die "G9 – Familie und Verbündete" und die G–PEP, mehr als 4600 Insassen aus Gefängnissen in der Hauptstadt, wie das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) berichtete. Unter den Ausbrechern waren demnach auch Bandenführer und Personen, die der Beteiligung an der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse im Juli 2021 verdächtigt werden.Wie der Westen Haiti kaputtgeholfen hat 18:19

Nach den Befreiungsaktionen warben die Banden Tausende Häftlinge als neue Mitglieder an. Auch Kinder werden den UN zufolge immer wieder von den Gangs rekrutiert, wobei Jungen als Späher bei Entführungen und Raubüberfällen eingesetzt würden und Mädchen zur Hausarbeit oder als Spione. Einige Kinder, die versucht hätten zu fliehen, seien hingerichtet worden.

Insgesamt seien im ersten Quartal 2024 rund 2500 Menschen durch Bandengewalt getötet oder verletzt worden, teilten die UN mit. Das sei ein Anstieg um 53 Prozent gegenüber dem vorangegangenen Berichtszeitraum. Damit sei das Quartal das blutigste gewesen, seit die Vereinten Nationen im Januar 2022 mit der statistischen Erfassung begonnen haben.

UN beobachten "katastrophale humanitäre Auswirkungen"

Die Gewalt hat mittlerweile Hunderttausende Haitianerinnen und Haitianer in die Flucht getrieben. Von den etwa zehn Millionen Einwohnern des Karibikstaates haben nach UN-Angaben bis Mitte Juni 578.074 ihr Zuhause verlassen – 60 Prozent mehr als Anfang März. Millionen Menschen leiden zudem unter Hunger.Haiti-17.22

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) wertet die Entwicklung als "eine direkte Folge der jahrelangen Gewalteskalation [...] und ihrer katastrophalen humanitären Auswirkungen". Die anhaltende Krise in Haiti zwinge immer mehr Menschen dazu, ihre Häuser zu verlassen und alles zurückzulassen. "Das tun sie nicht leichtfertig. Und für viele von ihnen ist es nicht das erste Mal."

Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete vor einigen Tagen einstimmig eine Resolution, in der die Bandengewalt und kriminellen Aktivitäten in Haiti aufs Schärfste verurteilt werden. In dem Papier äußern sich die Ratsmitglieder sehr besorgt über die illegalen Waffen- und Munitionslieferungen nach Haiti, die mit der zunehmenden territorialen Kontrolle durch Banden und dem "extremen Ausmaß an bewaffneter Gewalt", einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, in Verbindung gebracht werden.Worum geht es bei dem Konflikt in Haiti 16.01

Eine multinationale Sicherheitstruppe unter kenianischer Leitung unterstützt seit wenigen Wochen die haitianische Polizei im Kampf gegen die Banden. Der UN-Sicherheitsrat hatte die Mission bereits vergangenen Oktober genehmigt. Insgesamt sollen 3000 Einsatzkräften aus Kenia, Bangladesch, Benin, dem Tschad sowie den Karibikstaaten Bahamas und Barbados zunächst ein Jahr lang für mehr Sicherheit in dem Land sorgen.

Gangs bieten Haitis Premier Dialog an

Bei den Verbrechergruppen scheint die Sicherheitstruppe bereits Eindruck zu machen: Der einflussreiche Bandenchef Jimmy "Barbecue" Cherizier, Sprecher einer "Koalition von Gangs" mit dem Namen Vivre Ensemble (Zusammenleben), hat Premierminister Gary Conille Ende Juni zu Gesprächen aufgefordert und die Niederlegung der Waffen angeboten. Ein "nationaler Dialog" solle "die Wiederherstellung des Friedens" in dem Karibikstaat ermöglichen. Der ehemalige Elitepolizist, der für zahlreiche Massaker in Port-au-Prince verantwortlich gemacht wird, betonte in seiner Ansprache, die über TV-Sender ausgestrahlt wurde, dass seine Gangs nicht als bewaffneten Banden, sondern als Rebellen und Freiheitskämpfer zu betrachten seien.STERN PAID 26_21 Adoptivkinder 8.24

Conille reagierte darauf mit einer Drohung. Einen Tag nach der Rede Cheriziers warnte er den Bandenchef: "Die bewaffneten Gangs haben eine sehr begrenzte Zeit, um ihre Waffen niederzulegen". Der Staat "wird nicht ewig darauf warten".

Der mexikanische Fotojournalist Hector Adolfo Quintanar Perez hat die bewaffneten Banden in Port-au-Prince besucht. Seine Porträtbilder in der Fotostrecke oben bieten einen seltenen Einblick in die Welt der haitianischen Gangs.

Quellen: Vereinte Nationen I, Vereinte Nationen II, "US News", Reuters, Al Jazeera, "Amerika 21" I, "Amerika 21" II

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