Pakete: "Bedrohliche Situationen": DHL liefert an Hochhaus nicht aus
320 Wohnungen auf 20 Stockwerken - in einem Duisburger Stadtteil steht ein riesiges Hochhaus. Der Paketdienst DHL hat dort so schlechte Erfahrungen mit Bewohnern gemacht, dass er die Notbremse zieht.
Aus Sorge um die Sicherheit seiner Beschäftigten stellt der Paketdienst DHL keine Sendungen mehr an einem Duisburger Hochhaus zu. Die Zustellung sei den Beschäftigten "nicht zumutbar", sagt eine DHL-Sprecherin. "Wiederholt kommt es dort zu bedrohlichen Zustellsituationen." Details nennt sie nicht. Zuvor berichteten die "WAZ" und der WDR darüber. Das Hochhaus, als "Weißer Riese" bekannt, hat 320 Wohnungen auf 20 Stockwerken.
Laut Duisburger Polizei war die Zahl der Anzeigen an der Adresse im bisherigen Jahresverlauf aber in Relation zu der hohen Bevölkerungsdichte an der Adresse niedrig. Es gebe kein Sicherheitsproblem, sagt eine Polizeisprecherin. "Die Zahlen, Daten und Fakten geben das nicht her." Sie räumt aber ein, dass es allgemein "ein Dunkelfeld" gebe - also mögliche Straftaten, bei denen Opfer keine Anzeige machen.
In der Kategorie Postbereich hat es an dem Hochhaus in diesem Jahr bislang drei Strafanzeigen gegeben: eine wegen Diebstahls eines Briefs aus einem Briefkasten und eine wegen Diebstahls eines Pakets aus einem Zustellfahrzeug. Bei der dritten Anzeige gab ein Zusteller an, dass ihm eine Sendung gestohlen worden sei. Später stellte sich laut Polizeisprecherin allerdings heraus, dass der Zusteller das Paket möglicherweise selbst unterschlagen hatte.
Bundesweit wohl einmalig
Der örtlich begrenzte Zustellstopp von DHL ist ungewöhnlich. Der Konzernsprecherin ist aktuell bundesweit kein anderer Fall bekannt, bei dem DHL eine Adresse in Deutschland meidet, um die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten. Wer in dem Duisburger Hochhaus wohnt und ein Paket von DHL bekommen soll, dem soll eine Benachrichtigungskarte in seinen Briefkasten geworfen werden - mit der Karte kann er das Paket dann bei einer Postfiliale abholen.
Die Briefzustellung findet an dem Hochhaus nach wie vor statt - "sofern eine einwandfreie Zuordnung an einem intakten Empfängerbriefkasten möglich ist", wie die DHL-Sprecherin betont.
DHL-Konkurrenten liefern aus
Die Wettbewerber liefern hingegen weiter aus. Man biete an dem Hochhaus weiterhin die Haustürzustellung an, sagt ein DPD-Sprecher. Damit ist gemeint, dass Pakete auch bis zur Wohnungstür gebracht werden und nicht nur unten in den Eingangsbereich des Gebäudes. GLS betont, dass es keine "konsequente Nichtbelieferung einzelner Adressen" in Deutschland gebe.
Von Hermes heißt es, die Zustellung finde ganz regulär statt. Es sei bisher zu keinen so herausfordernden Zustellsituationen gekommen, die eine Einschränkung der Zustellung erforderlich machen würden.
Ein GLS-Sprecher sagt aber auch, dass es in Teilgebieten Duisburgs "Herausforderungen" gebe. Dort würden nur besonders geschulte Fahrer eingesetzt, die mit den Gegebenheiten umgehen könnten. Der DPD-Sprecher wiederum berichtet davon, dass es bundesweit "immer wieder zu Beschimpfungen und Anfeindungen bis hin zu Gewaltandrohungen gegen Zustellerinnen und Zusteller" komme.
Prekäre Verhältnisse in dem Haus
Das Hochhaus liegt im Stadtteil Hochheide, dessen Arbeitslosenquote laut Stadtverwaltung bei 12 Prozent liegt (NRW-Schnitt: 7,4 Prozent). Das Gebäude ist in die Jahre gekommen, es ist aus den 70ern. Manche Fenster sind kaputt, einige Balkone sind vollgestopft mit Gerümpel. Im Treppenhaus sind Graffitis, an der Decke ist eine Spanplatte erkennbar. Die Stimmung mancher Bewohner ist gereizt, wie ein dpa-Reporter vor Ort berichtet.
Immer wieder schmeißen Menschen Mülltüten und andere Abfälle aus ihrer Wohnung nach draußen. Dann landen zahlreiche Tauben bei dem Müll, der sich in der direkten Umgebung ansammelt. Bewohner berichten von vielen Ratten und Kakerlaken. Der Polizei zufolge gibt es an der Adresse "ein Ordnungsproblem".
Ein Sprecher der Stadt sagt, das Ordnungsamt habe in diesem Jahr an der Adresse bislang 21 Einsätze wegen wilder Müllkippen gehabt. Hierbei geht es unter anderem um alte Autoreifen und Holzteile. Hinzu kommen 84 Kontrolleinsätze des Ordnungsamts an dem Haus, die keinen konkreten Anlass hatten.
Reaktionen vor Ort
Der Zustellstopp von DHL ist vor Ort bekannt, die Meinungen dazu fallen unterschiedlich aus: Eine Bewohnerin äußert gegenüber der dpa Verständnis, schließlich seien die Zustände vor Ort schwierig. Sie möchte möglichst bald wegziehen.
Ein anderer Bewohner sagt, der Bonner Konzern übertreibe maßlos. "DHL macht aus einer Mücke einen Elefanten." Es könne zwar durchaus sein, dass es gegenüber Paketboten mal etwas lauter werde - "das kann mal passiert sein, aber das ist nicht alltäglich". Angesichts der mitunter schlechten Zustellqualität gebe es Frust.
DHL mache es sich zu leicht, sagt der langjährige Bewohner des Hauses: Der Konzern spare sich nun Arbeitszeit und damit auch Kosten, indem er die Pakete in seine Postfiliale fahre statt zu den Wohnungen. Der Fahrer eines Lebensmittel-Lieferdienstes berichtet, er habe bislang keine Probleme gehabt. Er liefere an dem Hochhaus aber auch erst zum dritten Mal aus.
Politiker fordert mehr Respekt
Aus der Politik meldet sich der Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff (SPD) zu Wort, der unlängst für die Reform des Postgesetzes zuständig war. "Die Situation in Duisburg ist bedauerlich, insbesondere aus Perspektive derjenigen, die dort wohnen und keinen Ärger machen", sagt der Sozialdemokrat und mahnt mehr Respekt gegenüber Zustellerinnen und Zustellern an.