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Kremlkritiker: Einer fehlt beim Austausch: Die besondere Tragik des Falls Alexej Nawalny

Stern 
Kremlkritiker: Einer fehlt beim Austausch: Die besondere Tragik des Falls Alexej Nawalny

Der Deal zur Freilassung Gefangener aus Russland sorgt insbesondere bei den Angehörigen für pure Freude. Inzwischen ist klar: Auch Alexej Nawalny sollte mit im Flieger sitzen.

Freude allenthalben, Jubel der Angehörigen und Lob von und für alle Beteiligten: Nach dem geglückten Gefangenenaustausch zwischen dem Westen und Russland atmet die Welt auf. Einziger Wermutstropfen: Ausgerechnet Putins prominentester Gegner schaffte es nicht lebend in den Flieger, der ursprünglich auch einen Platz für ihn bereithielt: Alexej Nawalny.

Alles musste geheim bleiben. Erst wenige Stunden vor dem spektakulären Austausch zwischen Ost und West gab es konkrete Anzeichen. In Russland und Belarus fuhren Staatsdiener Gefangene zum Flughafen, um sie gemeinsam in eine Maschine gen Westen zu setzen.

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Ein Deal zu viel?

Sie alle galten als Geiseln Putins und waren wegen teils absurder Vergehen in Scheinprozessen verurteilt worden. Der Deutsche Patrick S. beispielsweise erwartete bis zu sieben Jahre Gefängnis, weil er eine Tüte Cannabis-Gummibärchen nach St. Petersburg eingeführt haben soll. Das Strafmaß fiel zum Teil abenteuerlich hoch aus. Der nun ausgetauschte US-Ex-Soldat Paul Whelan sollte 16 Jahre in einer Strafkolonie darben, weil er einen USB-Stick mit angeblichen Geheiminfos entgegengenommen haben soll.

Die Einschätzung von CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, der von Geiseldiplomatie spricht, dürften viele teilen. Er mutmaßt, dass bereits zum Zeitpunkt der Verurteilungen ein späterer Austausch vorgesehen gewesen sein dürfte. Fotostrecke Gefangenenaustausch Russland Westen 17:06

Nicht minder klandestin bereitete der Westen den Austausch vor. Erst die überraschende Begnadigung von Rico K., dem in Belarus die Todesstrafe drohte, deutete darauf hin, dass sich kurzfristig ein Fenster für einen Gefangenenaustausch öffnet.

Ganz oben auf Putins Wunschliste stand ganz offenbar Wadim Krasikow, der sogenannte "Tiergarten-Mörder". Dessen Freilassung schien jedoch ausgeschlossen – Deutschlands Generalbundesanwalt sei dagegen gewesen, heißt es. Erst eine eilige Intervention durch Justizminister Marco Buschmann, der die Freilassung anwies, rettete den Deal.

Alexej Nawalnys langer Kampf

Ein Deal, zu dem wohl auch Alexej Nawalny gehören sollte. 

Russlands prominentester Putin-Gegner war im Januar 2021 vergiftet und anschließend unter anderem in Deutschland behandelt worden. Nach seiner freiwilligen Rückkehr nach Russland war Nawalny im Februar 2021 zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Strafe wurde in weiteren Prozessen 2022 auf insgesamt 19 Jahre Lagerhaft erhöht. 

Alle Urteile wurden international als politisch motiviert bewertet. Am 16. Februar 2024 starb Nawalny unter ungeklärten Umständen in einem sibirischen Straflager. Als Todesursache sei Nawalnys Mutter Ljudmila ein "plötzliches Todessyndrom", eine Art Sekundentod, mitgeteilt worden. Aber weder diese Angabe noch die Informationen über Todeszeitpunkt und -umstände ließen sich zweifelsfrei belegen.

Zu spät für Nawalny

Klar wurde nun: Auch und zuvorderst Nawalny stand auf der Wunschliste des Westens. Er sollte im Flieger der zu Befreienden sitzen. "Wir haben mit unseren Partnern an einer Vereinbarung gearbeitet, die auch Alexej Nawalny betroffen hätte", sagte der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, auf Nachfrage in Washington. Konkret habe es bereits in den Tagen um die Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2024 den weit gediehenen Plan gegeben, Nawalny mittels eines Austauschs zu befreien. Dann sei er jedoch verstorben. 

An Tragik ist dieser zeitliche Ablauf kaum zu überbieten. Hätte Nawalny noch ein halbes Jahr überlebt, wäre er wohl freigekommen.

Reaktion Julia Nawalnajas

Seine Witwe. Julia Nawalnaja, reagierte bereits auf den Deal mit Putin. Sie bezeichnete die Ergebnisse in einer Online-Botschaft als "große Freude". Jede Befreiung eines politischen Gefangenen sei "ein riesiger Sieg und ein Grund zum Feiern". Niemand dürfe "Geisel" von Kreml-Chef Wladimir Putin sein und in "Putins Gefängnissen Folterungen erleiden und sterben müssen".

Um die Tragik ihres verstorbenen Mannes wissend macht sie sich dennoch für die vielen weiteren Dissidenten stark. Namentlich seien derzeit "Daniel Kholodny, Vadim Kobzev, Alexej Liptser, Igor Serguninund" betroffen und bräuchten Hilfe. Sie fordert "Freiheit für alle politischen Gefangenen".

Quellen:  Tagesschau, "Tagesspiegel", mit Nachrichtenagentur AFP

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