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Kriminalität im Internet: Mit Nacktbildern erpresst - Hunderte Betroffene

Stern 
Kriminalität im Internet: Mit Nacktbildern erpresst - Hunderte Betroffene

Es beginnt mit einem harmlosen Online-Flirt und endet mit Geldforderungen: Bei der Betrugsmasche Sextortion erpressen die Täter ihre Opfer mit Nacktbildern. Auch in Hessen gibt es zahlreiche Fälle.

Tausende Menschen werden in Deutschland nach Erkenntnissen der Polizei mit Nacktbildern oder intimen Videos erpresst. Auch in Hessen gibt es immer wieder Opfer dieser Masche, die Sextortion genannt wird. 

So wurden 2022 nach Angaben des Hessischen Landeskriminalamtes Fälle im mittleren dreistelligen Bereich von der Polizei erfasst, im Jahr 2023 Fälle im niedrigen dreistelligen Bereich. "Da viele Opfer von Sextortion aus Scham oder Angst keine Strafanzeige bei der Polizei stellen, ist in diesem Phänomenbereich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen", sagt eine Sprecherin der Behörde.

Sextortion setzt sich zusammen aus der Kombination der Worte "Sex" und "Extortion" (Erpressung). Die Täter gaukelten die große Liebe vor, doch sobald sie Bilder bekommen hätten, drohten sie mit Veröffentlichung und forderten teils beträchtliche Summen, erklärt die Sprecherin die Vorgehensweise. "Ein scheinbar harmloser Flirt endet mit hohen Geldforderungen." 

Opfer zahlen aus Scham und Angst

Ziel der Täter sei es, dass sich ihre potenziellen Opfer vor einer Webcam ausziehen und sexuelle Handlungen an sich selbst vornehmen. Im Anschluss werde das Opfer erpresst. "Die Täter haben gelernt, dass gerade Erpressungen mit pornografischem Hintergrund Opfer dazu bringen, gefordertes Lösegeld zu zahlen", so die Sprecherin. Dabei handelten die Opfer meist aus Scham und Angst vor möglichen persönlichen Konsequenzen.

Betroffen seien primär Männer. "Bei der überwiegenden Zahl der Opfer handelt es sich um Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren." Frauen und Mädchen würden aber ebenfalls Opfer dieser Betrugsmasche.

Organisierte Banden operieren aus dem Ausland 

In den meisten Fällen handele es sich um sogenannte Hacker-Fakes, erklärt die Sprecherin. "Die Täter geben vor, dass sie die Kontrolle über die Webcam des Opfers erlangt haben und im Besitz des darauf erstellten Bildmaterials sind." Wie die Vergangenheit gezeigt habe, sei aber auch nicht auszuschließen, dass die Täter Sicherheitslücken ausnutzten und unbemerkt Zugriff auf die Webcams ihrer Opfer erlangten. 

"Die meisten Fälle werden von organisierten Banden begangen, die aus dem Ausland operieren und auf sogenannte Bots zurückgreifen, um ihre Erpresserschreiben per E-Mail zu verteilen", erklärt die Sprecherin. Bei Bots handelt es sich um Softwareprogramme, die im Internet automatisiert aktiv sind und wiederholt die gleiche Aufgabe ausführen.

Täter sind nicht immer Fremde

Nicht immer seien Fälle von sexueller Erpressung aber auf Fremde zurückzuführen, berichtet die LKA-Sprecherin. "In einigen Fällen werden Erpresserschreiben von ehemaligen Lebensgefährten versandt, die intime Aufnahmen als "Rachepornos" missbrauchen." Die Täter drohten mit der Veröffentlichung oder Verbreitung von intimen Bildern oder Videos, um die Opfer beispielsweise nach einer Trennung zu demütigen oder zu erniedrigen.

Die Ermittlungsarbeiten sind nicht immer einfach. Die Tatsache, dass eine Vielzahl der Täter aus dem nicht europäischen Ausland heraus operiere und von Zahlungen von Opfern vornehmlich auf ausländische Konten transferiert werden, stelle die Strafverfolgungsbehörden vor Herausforderungen, erläutert die LKA-Sprecherin. "In diesen Fällen sind die zuständigen Ermittler auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden angewiesen." Nicht selten führe dies zu einem erheblichen zeitlichen Verzug, den die oftmals IT-affinen Täter nutzten, um ihre Spuren zu verwischen. 

Weißer Ring: Opfer suchen aus Scham keine Hilfe

Auch die Opferhilfeorganisation Weißer Ring vermutet bei Sextortion eine hohe Dunkelziffer. "Bei uns melden sich relativ wenig Betroffene, vielleicht zwei bis drei monatlich", berichtet der Präventionsbeauftragte des Weißen Rings Hessen, Ulrich Warncke. "Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs." Er schätzt die tatsächliche Fallzahl auf das zehn- bis dreißigfache. 

Aus Scham würden sich viele Betroffene nicht trauen, Hilfe zu suchen. "Es ist ihnen unglaublich peinlich, dass sie auf die Masche hereingefallen sind." Das sei allerdings unnötig. "Die Täter sind sehr gut ausgebildet, sie sind clever, haben ein Konzept. Das sind keine Einzeltäter, sondern organisierte Gruppen." 

Junge Menschen sind leichte Opfer

Jugendliche seien besonders leichte Beute. "Sie sind verliebt, haben die rosarote Brille auf", sagt Warncke. Die Opfer hätten Angst davor, was mit den Fotos im Netz passiert, davor, dass das Umfeld davon erfährt. "Deshalb wird ja auch oft bezahlt." Besonders in der Schule würden Betroffene gemobbt, wenn die Fotos publik würden. In einem Fall habe ein Mädchen die Hänseleien nicht mehr ausgehalten und die Schule wechseln müssen, berichtet Warncke. 

Erpressung über Jahre

Die erpressten Summen seien meist nicht sehr hoch. Die Täter wüssten schließlich, dass junge Menschen in der Regel nicht viel Geld hätten. "Aber Kleinvieh macht auch Mist", sagt Warncke. Und wer einmal zahle, zahle immer wieder. "Das ist eine Kuh, die man über Jahre melken kann."

Betroffenen rät Warncke, sich sofort an die Polizei oder an Hilfsangebote wie den Weißen Ring zu wenden. "Nur dann besteht die Chance, dass es aufhört", sagt er. Man könne sich zunächst auch anonym an die Polizei wenden oder den Weißen Ring bitten, Kontakt zu den Ermittlern aufzunehmen, um sich zu informieren. Erst wenn sich das Opfer dazu entschließe, Anzeige zu erstatten, müsse es seinen Namen nennen. "Wir begleiten Betroffene auch zur Polizei, wenn sie das wünschen."

Mehr Aufklärung nötig

Das wichtigste sei Prävention, sagt Warncke. Es brauche vor allem mehr Aufklärung in den sozialen Netzwerken, Schulen und Peergruppen. "Wir würden uns eine Selbstverpflichtung der Sozialen Medien, Foren und Netzwerke zu einem Warnhinweis wünschen." Das Thema müsse aus der Tabuecke geholt werden. "Sextortion muss thematisiert werden. Dann gibt es auch mehr Anzeigen und weniger erfolgreiche Versuche."

 

 

 

 

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