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Verhärtete Positionen vor womöglich neuen Verhandlungen über Gaza-Waffenruhe

Stern 

Noch besteht die Hoffnung auf neue Verhandlungen diese Woche: Angesichts der bislang erfolglosen Gespräche über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen haben die USA den Druck auf ihren Verbündeten Israel erhöht. US-Präsident Joe Biden habe in seinem jüngsten Telefonat mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die "Dringlichkeit" betont, "das Abkommen für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln zum Abschluss zu bringen", teilte das Weiße Haus mit. Neue Verhandlungen könnten womöglich Freitag und Samstag in Kairo stattfinden. 

In dem Telefonat hätten Biden und Netanjahu im Beisein von US-Vizepräsidentin Kamala Harris auch über die "diplomatischen Bemühungen zur Deeskalation" gesprochen, teilte das Weiße Haus am Mittwoch (Ortszeit) weiter mit. Biden habe Netanjahu über die Bemühungen der USA informiert, Israels Verteidigung gegen die Bedrohung "durch den Iran und seine Stellvertreter-Terrorgruppen" zu unterstützen. Nach den Tötungen von Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran und Hisbollah-Militärchef Fuad Schukr in Beirut Ende Juli hatten der Iran und verbündete Gruppen Israel mit Vergeltung gedroht, was die Furcht vor einer regionalen Eskalation nährte.

Streitpunkt bei den Verhandlungen um das Abkommen ist insbesondere die von Israel beanspruchte Kontrolle des Philadelphi-Korridors, der südlichen Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Netanjahus Büro teilte mit, dass der Regierungschef darauf bestehe, "alle Kriegsziele" zu erreichen. Dies erfordere "die Sicherung der südlichen Grenze" zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. 

Israels Regierungssprecher David Mencer bezeichnete den Grenzabschnitt als "Lebensader der Hamas". Israel wirft der Hamas vor, den Bereich des Philadelphi-Korridors für den Waffenschmuggel zu nutzen. Informationen, laut denen Netanjahu einem israelischen Abzug aus dem Korridor zugestimmt hätte, seien nicht richtig, sagte Mencer.

US-Außenminister Antony Blinken hatte zuvor erklärt, Netanjahu habe einem von den USA unterbreiteten Kompromissvorschlag zugestimmt und bereits konkrete Zusagen dazu gemacht, wann und wo israelische Truppen abgezogen würden. "Offizielle, mit den Verhandlungen vertraute Vertreter" hätten berichtet, dass "die Amerikaner den Fehler eingesehen haben", den Blinken damit gemacht habe, schrieb die israelische Zeitung "Jediot Achronot". 

Die "Chancen für eine Einigung" seien "gering", berichtete das Blatt weiter unter Berufung auf die mit den Verhandlungen vertrauten Kreise. Der US-Nahostgesandte Brett McGurk sei nach Kairo entsandt worden, um das Treffen vorzubereiten und eine Lösung in der Frage des Philadelphi-Korridors zu finden.

Blinken sprach nach Angaben des US-Außenministeriums am Donnerstag mit dem Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, über die gemeinsamen Bemühungen zur Erreichung eines Abkommens. Beide hätten die Notwendigkeit betont, dass "kein Vertreter der Region Handlungen unternehmen sollte, die die Bemühungen um ein Abkommen untergraben". 

Die USA, Katar und Ägypten treten in dem Konflikt als Vermittler auf. Ein Treffen zwischen Al-Thani und Blinken während der Nahost-Reise des US-Außenministers Anfang der Woche war aus Krankheitsgründen nicht zustande gekommen. Blinken musste ohne konkrete Ergebnisse aus Doha abreisen.

Eine neue Verhandlungsrunde zwischen Israel und den Vermittlern ist zwar für Ende der Woche in Kairo geplant, bislang wurde der Termin jedoch nicht bestätigt. Die Hamas nahm an den jüngsten Gesprächen in Doha nicht teil.

Die radikale Palästinenserorganisation fordert einen kompletten Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen. Die Hamas hatte erklärt, der US-Vorschlag entspreche zu sehr Netanjahus Bedingungen, der israelische Regierungschef verhindere ein Abkommen unter anderem dadurch, dass er darauf bestehe, den Philadelphi-Korridor und den Netzarim-Korridor im Zentrum des Gazastreifens "weiter zu besetzen". Laut Augenzeugen kam es am Netzarim-Korridor am Donnerstag zu Ausschreitungen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern.

Unterdessen gingen die Kämpfe im Gazastreifen weiter. Der von der Hamas kontrollierten palästinensischen Zivilschutzbehörde zufolge wurden bei einem israelischen Angriff am Donnerstag in Chan Junis im Süden des Gazastreifens mindestens fünf Menschen getötet. Augenzeugen berichteten zudem von Luftangriffen im Süden und Zentrum des Gazastreifens. Die israelische Armee griff eigenen Angaben zufolge vor allem in Chan Junis und auch bei Deir al-Balah im Norden an.

Israel geht als Reaktion auf den Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bislang mehr als 40.260 Menschen getötet.

Am 7. Oktober hatten Kämpfer der Hamas und anderer militanter Palästinensergruppen bei ihrem Großangriff auf Israel 1199 Menschen brutal getötet und weitere 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. 105 Menschen werden nach israelischen Angaben weiter dort festgehalten, 34 von ihnen sind offiziellen Angaben zufolge tot.

Die israelische Armee hatte eigenen Angaben zufolge Montagnacht die Leichen von sechs Geiseln aus einem Tunnel im Gebiet von Chan Junis geborgen. Bei der anschließenden Untersuchung sei festgestellt worden, dass alle Getöteten Kugeln im Körper hatten, sagte ein Militärsprecher der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag. "Die Ermittlungen zu den Todesumständen dauern an", fügte er hinzu.

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