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Meinung: Streit um Lumumba auf Weihnachtsmärkten: Die Debatte ist vergiftet

Stern 

Kakao mit Rum soll nicht mehr Lumumba heißen – und dadurch ist der Freiheitskämpfer nun bekannter als je zuvor. Die Debatte ist ein Weihnachtsgeschenk für Populisten.

Die Adventszeit hat begonnen, die Weihnachtsmärkte sind aufgebaut und der Streit ist zurück. In Frankfurt jedenfalls hat die "Tourismus und Congress GmbH" den Standbetreibern unlängst einen Rat erteilt: Bitte kein Lumumba auf den Getränkekarten! Der bekannte Trank aus Kakao und Rum möge stattdessen als "Kakao mit Schuss" bezeichnet werden oder auch als "heiße Schokolade mit Rum". Bei der GmbH handelt es sich um die Vermarktungsgesellschaft der Stadt Frankfurt am Main, die die städtischen Volksfeste veranstaltet. Nun flammt die Debatte auf, die schon vor einem Jahr um die Weihnachtszeit geführt wurde: Darf Lumumba so heißen? 

Patrice Lumumba war Premierminister der Demokratischen Republik Kongo. 1960 hatten sich die Belgier aus dem zentralafrikanischen Land zurückgezogen. Unter anderem war das der Verdienst von Lumumba. Als Vorsitzender und Gründer der "Mouvement National" war er einer der, wenn nicht gar der wichtigste Unabhängigkeitskämpfer gewesen. Kurz nach seiner Amtsübernahme wurde er 1961 erschossen. Seine Leiche lösten die Attentäter in Säure auf. Wer ihn hingerichtet hat, ist bis heute ungeklärt. Spuren führen nach Belgien und in die USA. Lumumba wollte ein unabhängiges Land – und stand damit den Westmächten im Weg, die den Kongo weiter ausbeuten wollten.

InterviewRomaMariaMzumBuchvonGruber

Kein Beweis für die Herkunft des Namens

Natürlich wäre es rassistisch, zynisch, menschenverachtend, mindestens aber geschmacklos, diese Hinrichtung mit einem Kakaogetränk zu verharmlosen. Die Debatte hatte sich vor einem Jahr an einem Tweet der Historikerin und Ex-Grünen-Stadträtin Annalena Schmidt aus Bautzen entzündet: "Da gerade Weihnachtsmärkte starten und Kakao mit Rum als 'Lumumba' verkauft wird: Die Bezeichnung des Getränks ist rassistisch! Patrice Lumumba steht für die Unabhängigkeitsbewegung in Afrika! Er wurde erschossen! Und ihr benennt Kakao mit Schuss‘ nach ihm!"

Nur: Es gibt keinen Beweis dafür, dass das Getränk Lumumba tatsächlich eine Anspielung auf den Mord ist. Der Hintergrund seines Namens ist ungeklärt. Angeblich wurde der Kakao seit den 1960er-Jahren getrunken, auch im Kongo. Ist es Herabwürdigung? Oder eine Art des verunglückten Gedenkens? 

Man wird sich wohl erst dann sicher sein können, wenn die ersten Doktorandinnen und Doktoranden in die Archive gerannt sind, um die Geschichte dieses Getränkes eingehend zu erforschen, was vermutlich nicht mehr allzu lange dauern wird angesichts des allgemeinen Interesses. 

NiewiederGrüne 15.48

Ein Tweet mit vielen Ausrufezeichen

Bis dahin aber lohnt es, sich den Tweet, der die Debatte erst angestoßen hat, noch einmal genauer anzusehen. "Er wurde erschossen! Und ihr benennt 'Kakao mit Schuss' nach ihm!" Der vorwurfsvolle Ton und die Ausrufezeichen lesen sich, als wüssten alle Menschen, wer Lumumba war und dass er ermordet wurde – oder zumindest, als müssten und sollten alle Menschen es wissen: Ihr dummen, ungebildeten Leute, wie könnt ihr nur! Besserwisserei ist eine sensible Angelegenheit. Wer Leute belehren will, muss Fingerspitzengefühl beweisen. Sonst schürt man Reaktanz – eine Art von Trotz, den viele Menschen entwickeln, sobald ihre Freiheit eingeschränkt wird. 

Es gibt außerdem einen feinen Unterschied zwischen "Vorsatz" und "Fahrlässigkeit". Vorsatz bedeutet, vereinfacht gesagt: Ich weiß, was ich tue, und ich will es tun. Die Getränkebuden aber hatten den Namen vermutlich völlig arglos auf ihre Tafeln und Karten geschrieben. Statt eines freundlichen Hinweises: "Kann es sein, dass das Getränk eine Anspielung auf den Mord an Patrice Lumumba ist? Ist es ein passender Name für ein Getränk?", prasselten Ausrufezeichen und Vorwürfe auf die Lumumba-Fans ein. Sie wurden als rassistisch verurteilt. 

Grafiken Gewalt gegen Frauen – so dramatisch sind die Zahlen 17.22

"Tote Tante" statt Lumumba? 

Ein immerhin konstruktiver Vorschlag kam jüngst vom "Forum für Migrant:innen" der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel: Statt Lumumba könne doch der angeblich traditionelle Name "Tote Tante" genutzt werden. Aber ob das unter feministischen Gesichtspunkten okay ist? Stichwort: Gewalt gegen Frauen? "Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun", versichert der Pressesprecher. Ach, so. 

Das Gute: Wer Lumumba war, dürften in Deutschland nun viele Menschen wissen. Die Diskussion um das Getränk hat seinen Namen und das Verbrechen erst wieder ins Bewusstsein gerufen. Immerhin. 

Das Schlechte: Die Diskussion ist Wasser auf die Mühlen von Populisten. Und von all jenen, die glauben, man dürfe ja nichts mehr sagen. Die Debatte, so wichtig sie sein mag, ist vergiftet. 

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