Wohnungslosenhilfe: Dresdner Nachtcafés - ein einzigartiges Konzept
Seit bald 30 Jahren öffnen Kirchengemeinden in der sächsischen Landeshauptstadt während der kalten Monate ihre Türen für Wohnungslose. In dieser Form ist das Angebot einzigartig.
Es ist Donnerstagabend, im Gemeindehaus der Loschwitzer Kirche in Dresden herrscht reges Treiben. Von November bis März findet hier jede Woche das Nachtcafé statt - die Gemeinde öffnet ihre Räume und bietet Wohnungslosen einen Übernachtungsplatz an.
Insgesamt beteiligen sich an dem Projekt sieben Dresdner Kirchen, an jedem Wochentag eine andere: montags die Dreikönigskirche in der Neustadt, dienstags die Christophoruskirche in Laubegast, mittwochs die Pfarrei Heilige Familie in Zschachwitz, donnerstags die Kirchengemeinde Loschwitz, freitags die Zionskirche in der Südvorstadt, samstags die Immanuelkirche in Cotta und sonntags die Pfarrei St. Franziskus Xaverius in der Neustadt.
Erstes Nachtcafé öffnete 1995
Bereits seit 29 Jahren werden die Nachtcafés in Dresden angeboten, sie sind eine Ergänzung zum Angebot der städtischen Obdachlosenunterkünfte. Entwickelt wurde die Idee von Studierenden der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit. Das erste Nachtcafé öffnete am 5. November 1995 in der Dreikönigskirche. "Das war dann der Startschuss", sagt Gerd Grabowski, Sprecher des Nachtcafé-Koordinierungskreises. Nacheinander kamen weitere Kirchen hinzu.
Es ist ein einzigartiges Konzept, wie Grabowski erzählt. "Es gibt keine andere Stadt in Deutschland, in der sieben Kirchen ihre Gemeinderäume den Obdachlosen und Bedürftigen in dieser Zeit von November bis März zur Verfügung stellen." Interesse an dem Modell habe es auch schon aus anderen Städten gegeben. Einmal stellte Grabowski die Idee sogar einer Gemeinde in London vor, doch auch dort wurde sie letztendlich nicht umgesetzt.
Jeder darf kommen
Willkommen sind in den Nachtcafés alle. "Wir wollen keinen Ausweis sehen oder wissen, welcher Ethnie jemand angehört, ob er in der Kirche ist oder nicht", sagt Grabowski. Wer am Eingang einen Euro bezahlt, darf reinkommen.
Bei Problemen unterstützt die Polizei: "Wenn wir - wie vorhin - jemanden haben, der nicht einsieht, dass er hier nicht rein darf und dann anfängt, die Bude zu demolieren, dann kommen sie vorbei und lösen für uns das Problem." Im Gegenzug können die Beamten aufgegriffene Wohnungslose zu den Nachtcafés bringen, solange sie nicht zu alkoholisiert sind, wie Grabowski erklärt.
Obwohl die Standorte sich über das Dresdner Stadtgebiet verteilen, kommen viele der Gäste regelmäßig. Einige begrüßt Grabowski, selbst Leiter des Nachtcafés in der Zionskirche, mit Namen, er kennt ihre Geschichten und ihre Sorgen.
Die Laune im Gemeindehaus ist gut, die Atmosphäre locker - und dass, obwohl an diesem Abend bereits zwei Mal die Polizei anrücken musste. Einige Gäste stellen sich mit Tellern in der Hand für Essen an der Küchentür an, gegessen wird im Speisesaal gegenüber. Nebenan habe manche bereits ihr Nachtquartier eingerichtet.
Nachtcafés bieten 25 Übernachtungsplätze
Einlass ist jeden Abend um 19.00 Uhr. Die 25 Übernachtungsplätze, die es in jedem Nachtcafé gibt, füllen sich dann meist schnell. Vor Ort bekommen die Gäste eine warme Mahlzeit und ein Frühstück, können duschen und ihre Wäsche waschen. Für eine medizinische Grundversorgung ist bei Bedarf auch gesorgt. Grabowski beschreibt die Nachtcafés außerdem als Kommunikationsort, die Gäste können untereinander ihre Erfahrungen austauschen oder Rat und Informationen von den Helfern bekommen.
Wegen des großen Andrangs gibt es seit einigen Jahren auch die Möglichkeit, nur zum Essen zu kommen. Wer nicht übernachten möchte oder keinen Schlafplatz mehr bekommen hat, muss die Räumlichkeiten bis 23.00 Uhr verlassen. So sind es jeden Abend zwischen 30 und 40 Menschen, die das Angebot in Anspruch nehmen.
Insgesamt etwa 250 Helfer betreuen mehr als 3.000 Gäste pro Saison. In jedem der sieben Nachtcafés arbeiten jeweils 35 Ehrenamtliche in drei Schichten am Abend, in der Nacht und am Morgen. Das Projekt finanziert sich ausschließlich über Spenden.