Kolumne: Blick aus Berlin: Söder fordert, Merz liefert
CDU und CSU veröffentlichen ihr Wahlprogramm. Die Handschrift, die es trägt, ist aber nicht die des Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, sondern die von Markus Söder.
An diesem Dienstag präsentieren CDU und CSU ihr Wahlprogramm. Das sind jene Versprechen, mit denen Friedrich Merz hofft, den Vorsprung der Union am 23. Februar auch ins Ziel zu bringen. Die Handschrift, die dieses Programm trägt, ist aber nicht die des Kanzlerkandidaten, sondern die von Markus Söder.
Erinnern wir uns: Der CSU-Chef hatte diesmal, anders als 2021, nie eine Chance, Kanzlerkandidat der Union zu werden. Zu groß waren die Vorbehalte gegen ihn in der Schwesterpartei, zu tief saß der Ärger über seine Querschüsse gegen Armin Laschet im vergangenen Wahlkampf. Söder blieb nur, seine Zustimmung zu Merz teuer zu verkaufen. Wie teuer ihm das gelungen ist, kann man im Wahlprogramm nachlesen.
Die CDU hat sich im Wahlprogramm der CSU angepasst
Das Papier "Politikwechsel für Deutschland" ist die Rechnung der CSU für Merz’ Kandidatur. Dabei sind nicht die Fragen gemeint, in denen CDU und CSU in den vergangenen Monaten ohnehin Konsens verband, zum Beispiel bei Steuersenkungen für Unternehmen, beim Hang zum Atomstrom und zur Abschaffung des Bürgergeldes.
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Auch in der Migrationspolitik hat sich die CDU nach dem Abschied Angela Merkels nicht erst im Wahlprogramm der CSU-Linie angepasst. Die Verrohung der CDU war schon zuvor wahrzunehmen: Sie reicht von Friedrich Merz’ grundgesetzwidriger Forderung nach einem Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien und mündet nun in die Formulierung, dass für Ausreisepflichtige die Sozialleistungen am Grundsatz "Bett, Brot und Seife" ausgerichtet werden sollen. Grenzkontrollen verstärken, Zurückweisungen durchziehen, Sozialleistungen streichen – mit CSU pur glaubt die CDU, ihr flüchtlingspolitisches Trauma zu überwinden.
Das ist längst nicht alles. Die CSU hat auch viele kleinere Versprechen ins Programm diktiert, die sich zu milliardenschweren Wohltaten nicht nur, aber vor allem in Bayern aufsummieren: die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Speisen in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent und die Rücknahme der Subventionskürzungen beim Agrardiesel sind Paradebeispiele. Auch die Erhöhung der Freibeträge bei der Erbschaftsteuer ist ein alter Wahlkampfschlager Söders. Hausbesitzer in Bayern würden hier ungerecht behandelt, sagt der CSU-Chef, schließlich sei in Miesbach schon eine Gartenlaube so viel wert "wie manche Villa in Greifswald".
Die CSU hat viele kleinere Versprechen ins Wahlprogramm diktiert
Schließlich ist da noch eines der Lieblingsstreitthemen von CDU und CSU. Schon die glücklose christsoziale Doppelspitze nach Edmund Stoiber, die einst aus Erwin Huber (Parteivorsitz) und Günther Beckstein (Ministerpräsident) bestand, hatte sich 2008 mit Merkel über die Pendlerpauschale gestritten. Die ist in einem Flächenstaat wie Bayern elementar, um viele Wähler bei Laune zu halten. Weil die CSU als Regierungspartei in Berlin einer Beschränkung der Pauschale selbst zugestimmt hatte, weigerten sich Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück seinerzeit, sie nur wegen der wahlkämpfenden CSU in Bayern zurückzunehmen. Das erledigte später, das gehört auch zur Wahrheit, das Bundesverfassungsgericht.
Solchen Beistand aber braucht die heutige CSU gar nicht. Söder fordert, Merz liefert. Pendlerpauschale hoch, bitte gern, bitte gleich. Wenn die Selbstbedienung der CSU im Wahlprogramm einen Vorgeschmack darauf gibt, wie sich Söder in einer künftigen Koalition verhalten würde, kann man Friedrich Merz, so er denn Kanzler werden sollte, nur eines wünschen: viel Spaß beim Regieren.
Nico Fried freut sich, von Ihnen zu hören. Schicken Sie ihm eine E-Mail an nico.fried@stern.de