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Serie – Teil 3: Meine Geschichte des Jahres: "Warum holt sie niemand raus?"

Stern 

Die Geschichte einer Deutschen, die seit sieben Jahren in Somalia als Geisel festgehalten wird. In dieser Serie empfehlen Redakteure ihre Lieblingstexte aus 2025.

Es gibt Geschichten, die normalerweise nicht erzählt werden. Nicht, weil sie nicht erzählenswert wären. Sondern, weil sie unter Umständen gefährlich sein können. Mein Kollege Uli Rauss hat so eine Geschichte nach langer Abwägung trotzdem aufgeschrieben: Die Geschichte der deutschen Geisel Sonja Nientiet. 

"Hallo, mein Name ist Sonja Nientiet. Ich bin deutsche Staatsbürgerin aus der Stadt Hamm." So beginnt sein Text, und so beginnt das Video, das das bislang letzte Lebenszeichen der Frau ist, die vor sieben Jahren in Somalia entführt wurde.

Sie war 2018 nach Mogadischu gekommen, um dort für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zu arbeiten. Drei Monate nach ihrer Ankunft stürmten Männer der islamistischen Terrororganisation al-Shabaab das gesicherte Gelände des Roten Kreuzes und verschleppten Sonja Nientiet vor den Augen der Sicherheitskräfte. 

Bis heute wird sie als Geisel gehalten. Seit sieben Jahren. Keine Geisel von al-Shabaab ist länger in Gefangenschaft. Wie kann es sein, dass diese Frau immer noch nicht freigekommen ist? 

Das Auswärtige Amt und das Rote Kreuz bitten Medien, das Video, ihr letztes Lebenszeichen, aus der Öffentlichkeit zu halten. Nicht zu berichten. Geiselnahmen sind immer eine Abwägungsfrage, stille Diplomatie versus öffentlicher Druck. 

Wie holt man eine Geisel aus Somalia zurück? Mit stiller Diplomatie oder Öffentlichkeit?

Die Befürworter der stillen Diplomatie sagen, dass Öffentlichkeit jede Freilassungsbemühung gefährde, womöglich sogar das Leben der Geisel. Dass Medienberichte den Entführern in die Hände spielten, geldgierige Trittbrettfahrer anlockten und den Preis für eine Freilassung nach oben trieben. 

Aber ist die stille Diplomatie in diesem Fall nicht gescheitert, wenn eine Frau seit sieben Jahren irgendwo in Gefangenschaft in Somalia leben muss und sich nichts tut? Mehrere Freunde von Nientiet, unter ihnen auch ein früheres Entführungsopfer, wollten nicht länger schweigen. Auch Mariam Claren, deren Mutter vier Jahre im Iran festgehaten wurde, kommt im Artikel zu Wort. Sie sagt über Sonja Nientiet: "Den Fall totzuschweigen und sie so ihrem Schicksal zu überlassen, ist grob fahrlässig."

Mindestens einmal gab es für die beteiligten Organisationen die Chance, Sonja Nientiet zurückzuholen. Doch sie ließen die Chance verstreichen. 

Die Geschichte, die Uli Rauss mit großer Sorgfalt recherchiert hat, gibt Einblicke in eine Welt, von der man sonst nichts liest. Und sie erzählt das Schicksal von Sonja Nientiet, das längst in Vergessenheit gerät. 

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